PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Luftlagemeldung



Sir H. Dowding
17.05.04, 18:38
Nun gut, aus Erzählungen meiner Großmutter und anderer Verwandter, die sich an Situationen während des Krieges erinnern können (und meine Oma war bei Kriegsende bereits 18 Jahre alt), weiß ich, dass die Warnung der Bevölkerung vor Bombenangriffen ungefähr so ablief:

-Luftlagemeldungen (stündlich oder wenn Bomberverband die reichsgrenzen überflog)

-Kuckuck (ein scheinbar für die damalige Ostmark geltendes Rundfunksiganal, bei dem die ersten "Bunkerratten" in die Keller gingen)

-Voralarm (seit 1942, bedeutete, dass jeder außer Berufstätigen in die Keller gehen sollte, vielleicht auch mit dem Kuckuck gleichgesetzt)

-Vollalarm (jeder in den Keller, Angriff steht bevor)


Nun also meine Frage: Da meine Großmutter und die anderen noch lebenden Verwandten sich nicht mehr genau erinnern können, da meine Großmutter teilweise schon Kriegszeit mit Nachkriegszeit vermischt, meine anderen Verwandten vier oder maximal zehn Jahre alt waren und dazu noch am Land wohnten. Die Geschichte mit dem Kuckuck habe ich aber schon mehrmals in Österreichbezogenen Büchern gefunden, doch es ist nie ganz aufgeschrieben und erklärt, ob dieses Zeichen nun Voralarm war oder noch eine Stufe vor dem Voralarm.
Wenn also irgendjemand eine diplomarbeit oder ähnliches geschrieben hat, oder sich aus Interesse damit beschäftigt hat, so bitte ich um Hilfe. Und dann wüsste ich noch gerne, ob es solche Zeichen wie den Kuckuck nur in der Ostmark gab, oder auch anderswo. Im Buch von Hitlers Sekretärin Traudl Junge hzab ich zum Beispiel etwas über "Gauleiters Klopfen" gelesen, dass in München scheinbar die selbe Funktion hatte. Aber wie gesagt, genaues weiß ich nicht.

Mit dankbarem Gruß
Dowding

Imperativ
17.05.04, 19:22
Ich kann dir hier vielleicht etwas weiterhelfen.

Mein Großvater ist Jahrgang 1914 und für sein alter wirklich sehr gut drauf. Er war während des Krieges also 15 - 21 Jahre alt und erzählt mir oft von der damaligen Zeit. Im Stuttgarter Raum wurde der Voralarm als "Kuckuck" bezeichnet was sich wie folgt erklären lässt.

Der Voralarm äußerte sich so, dass die Sirene dreimal ertönte, während sie während des Vollalarms dann unablässig posaunte. Da der Kuckuck scheinbar sein berühmtes "Kuckuck" in Dreierintervalen von sich gibt, also kuckuck, kuckuck, kuckuck, nannte man den Voralarm bald als Anlehnung daran den Kuckuck.

"Der Kuckuck schreit wieder."

Hoffe ich konnte dir weiterhelfen.

Sir H. Dowding
17.05.04, 19:27
Ja! Das war mir eine sehr große Hilfe!!! Dann nehme ich einfach mal an, dass in der Ostmark der Voralarm über den Rundfunk bekannt gegeben wurde, eben über den echt Schrei eines Kuckucks, während überall anders (oder zumindest in Stuttgart) die Sirene im dreier Takt heulte. Das ergibt doch Sinn, oder? Dass war mir sogar eine sehr sehr große Hilfe! Vielen Dank!

Weiß noch jemand anders etwas darüber zu berichten?

Luitpold
17.05.04, 21:38
Dann nehme ich einfach mal an, dass in der Ostmark der Voralarm über den Rundfunk bekannt gegeben wurde, eben über den echt Schrei eines Kuckucks, während überall anders (oder zumindest in Stuttgart) die Sirene im dreier Takt heulte.

Ohne wirklich helfen zu können, also meine Interpretation:

- Vollalarm, wie von Imperativ beschrieben (Daueralarm der Sirenen der angegriffenen Stadt);
- Voralarm, dreimaliger "Kuckuck", durch die Sirenen der bedrohten Städte;
- Luftlagemeldungen wie schon beschrieben

Sicher können Vor- und Vollalarm (unsereinem ist auch der Begriff des "akuten Alarms" anstelle des Vollalarms bekannt) auch über den Rundfunk bekanntgegeben worden sein. Allerdings meine ich nicht (wie Ihr anzunehmen scheint, werter Dowding), daß über den Rundfunk Alarmtöne gesendet wurden. Ein zu starker Sender vorausgesetzt, würde dies nur zu Verwirrung in nicht bedrohten/nicht angegriffenen Gebieten führen.
Vielleicht handelt es sich bei den Radiosignalen um Notzeichen, die daraufhinweisen, daß ein Sender zeitweise sein Programm eingestellt hat.

Sir H. Dowding
18.05.04, 00:21
Also soviel ich aus der Zeit weiß, war der Rundfunk für die Ostmark aufgeteilt:

die heutigen Bundesländer Wien, Niederösterreich (damals Niederdonau), Oberösterreich (damals Oberdonau), Burgenland (damals aufgeteilt zw. Niederdonau und Steiermark), Steiermark und Kärnten sendeten das Programm des Reichssenders Wien, deshalb nehme ich an, dass es durchausmöglich war, dass nur eine dieser Sendestationen den "Kuckuck" erklingen ließen, während die anderen normales Musikprogramm sendeten. Abgesehen davon, wenn nun aus Italien Bomber im Anflug auf Wien waren, so überflogen sie dabei Ungarn oder die Steiermark/Kärnten/Niederösterreich und damit gab es praktisch für die ganze Ostmark Alarm.

Tirol und Vorarlberg (dass damals bei Tirol war) und Salzburg sendeten übrigens das Programm des Reichssenders München. Nur für die, die es interessiert.
Allerdings weiß ich nicht genau, ob jeder reichssender ein anderes Programm hatte, oder nur das einheitliche Programm des Deutschlandsenders oder des Großdeutschen Rundfunks sendete, wenn jemand darüber bescheid weiß, so wäre ich über Infos hocherfreut.

Ein bisschen hab ich im Internet gestöbert, wegen dem Kuckuck und folgendes gefunden:

-"Nach so einem Kuckucksruf begaben wir uns in einen nahegelegenen Weinkeller, der von der Ortsbevölkerung als Luftschutzkeller eingerichtet worden war." Quelle: www.sindbad137.at/kindheit.htm Es dürfte also schon so gewesen sein, dass in diesem Fall das Signal aus dem Radio als Alarmsignal diente.

- "Wenn der Kuckuck in dem Radio zu hören war mussten alle in den Luftschutzkeller flüchten." www.hsneulengbach.ac.at/privat/2002/geschichtevergangenheit/punkt2.html


In beiden Fälle gehen die Leute bei Ertönen des "Kuckuck" in den Keller, somit meine ich, dass dies als Voralarm diente. Aber ihr habt auch etwas sehr gutes angesprochen, nämlich das Abschalten der Reichssender. Im Internet habe ich auch mal eine Sounddatei gefunden (unter meta.orang.org/OMA/orang/culture/Radio%20Documentaries ; sehr zu empfehlen, da findet man ein paar sehr interessante Sachen), in der das Abschalten des Reichsender Frankfurt "wegen Annäherung feindlicher Bomberverbände" angekündigt wird. Weiß jemand, zu welchem Zeitpunkt dies geschah? Bei Voralarm, oder schon etwas früher?

So, hoffe jemand weiß Antworten auf diese Fragen

Luitpold
24.05.04, 19:34
Um ehrlich zu sein, die vorher gestellten Fragen können Wir nicht beantworten.
Gefunden wurde lediglich eine Protokollnotiz des Propagandaministeriums aus der ersten Kriegshälfte bei der man interpretieren könnte, daß Radiostationen auch ohne ungünstige Luftlage abgeschaltet wurden bzw. solche Überlegungen angestellt wurden.

"Der Minister [Goebbels] ist durch Herrn Berndt [Mitarbeiter im Propmin.] auf die Gefahr aufmerksam gemacht worden, daß bei ständigem weiteren Abstoppen unserer Rundfunksendungen der englische Nachrichtendienst beherrschend in den Vordergrund rückt. Tatsächlich werden englische Nachrichten in deutscher Sprache jetzt bereits 8x täglich gesendet. Herr Gutterer [Mitarbeiter im Propmin.] soll deshalb beim Luftwaffenführungsstab ernsthafte Vorstellungen erheben und auf die große Gefahr vor allem für die Wintermonate aufmersam machen, in denen die Bevölkerung vielleicht nicht mehr ins Kino [der Wochenschauen wegen] oder Theater gehen kann, weil die Flugzeugangriffe mit früherer Dunkelheit schon früher einsetzen werden. Gerade dann wird der Rundfunk als Führungsmittel unentbehrlich sein, und ebenso können wir uns der tiefdringendsten Waffe des Auslands gegenüber nicht aus der Hand schlagen lassen. Es soll deshalb wiederum überprüft werden, ob nicht die Gefahren einer weiteren Abdrosselung der Rundfunksendungen größer sind als ihr Nutzen." (07. Oktober 1940)

nach Willi Boelcke, Kriegspropaganda 1939-1941, Stuttgart 1966, S.540.

Sir H. Dowding
24.05.04, 19:44
Das ist wirklich verzwickt, dass da nichts drüber zu finden ist. Der Luftkrieg wurde ja erst ab 1943 für Österreich eminent, davor gab es grad einmal 2x Luftalarm für wien im Jahr 1942 und ich glaub fünf jugoslawische Bomber warfen im Zuge des balkanfeldzuges ein paar bomben über Graz ab.

Dass der rundfunk abgeschaltet wurde, weiß ich. Dazu gibt's Zitate in ein paar büchern. Ich werd die mal raussuchen und hier schreiben.

Steht in dem buch vielleicht etwas über das Rundfunkprogramm?

Luitpold
24.05.04, 20:07
Eher nein.
Es werden hier nur die Protokolle der Besprechungen des Propagandaministeriums abgedruckt und ggf. erläutert.

Man findet ministerielle Überlegungen wer wann was wo wie schreiben/filmen/senden soll bzw. Kritik an unprofessionellen Fehlern (verschiedene Bildunterschriften in zwei Zeitungen zum gleichen Foto werden gerügt ("Die Wirkung unserer Waffen" vs. "Belgische Zerstörungswut")).

Mit anderen Worten, was Ihr sucht, einen Überblick über die Zusammensetzung des Programms eines Senders sucht man leider vergebens.

Sir H. Dowding
02.09.04, 18:43
Ich habe bitte folgendes gefunden: Kuckuck (http://home.arcor.de/philippgreiner/1944%20-%20Rundfunk.ram) Bei 3 Minuten und 30 Sekunden ist der Kuckuck dann zu hören

Sir H. Dowding
24.07.06, 16:34
Wen's interessiert: ich hab das Rätsel doch noch gelöst. Der Kuckucksruf aus dem Radio war ein Zeichen vor dem Voralarm.


Aber vorerst klang aus dem Apparat noch das gewohnte Programm. Und dann die gefürchtete und doch schon gewohnte Unterbrechung: "Kampfverband im Anflug auf Kärnten-Steiermark". Der Kuckucksruf schließlich hieß: Schnell nach Hause. Auch die Schüler wurden heimgeschickt. Sie hatten bereits bei Kriegsbeginn kleine Pakete mit Dauerlebensmitteln in den Schulkellern gelagert - für den Fall, dass man sich nach einem Bombentreffer nicht hätte ins Freie retten können. Zwischen dem besagten Kuckucksruf und dem ersten, lang dauernden Sirenenton, den man als "Voralarm" bezeichnete, verstrich eine gewisse Zeit - genug, um die Straßen zu räumen.

Quelle: http://www.diepresse.com/textversion_article.aspx?id=441061

Cerberus
28.07.06, 07:47
Soweit's noch interessiert hier noch ergänzende Informationen. Hintergrund des Kuckucksrufes dürfte folgender gewesen sein:
Anfang des Krieges wurde bei jedem feindlichen Einflug Alarm gegeben. Ab 43 nahmen jedoch die Einflüge von Störern und Aufklärern (Mosquitos), die keine unmittelbare Gefahr boten zu, so daß allein die häufigen Alarme zu lästigen Produktionnsausfällen und einer zusätzlichen starken nervlichen Belastung führten. Man hat daher nach Möglichkeiten gesucht, bereits im Vorfeld über das Ausmaß der (abgeschätzten) drohenden Gefahr zu informieren. Das ging allerdings auch ab und an daneben, da insbesondere die Mosquitos ab und an auch mal Bomben dabei hatten ...


aus der Geschichte des ORF:

22. März 1944
Stündlich Luftlagemeldungen über den Reichssender Wien (Kuckuck-Ruf).

aus einem Beitrag zur Fernmeldetechnik:

In den letzten Kriegsjahren konnte jedoch nur noch mit häufigen Unterbrechungen gesendet werden, weil bei Luftangriffsgefahr stets abgeschaltet werden mußte, um der Feindseite nicht eine Funkanpeilung zu bieten. Bei Feindeinflügen wurde zunächst ein Kuckucksruf als Vorwarnung eingeblendet. Als Ersatz diente zum teil der schon vor dem Krieg eingeführte hochfrequente Drahtfunk, zu dessen Verbreitung das Fernsprechnetz mitverwendet wurde. Als der Luftkrieg sich verschärfte, wurden auf diesem Weg laufend Luftlagemeldungen gegeben und das Rundfunk- programm als Füllsendung übernommen.

aus einem Bericht über einen Angriff auf Mühldorf a.I.:

Neben den Alarmsirenen wurde auch der Rundfunk als Warninstrument herangezogen. Das charakteristische Ticken des "Kuckucks" wies auf Luftalarm hin. Ab 1944 wurde ein auf der Mittelwelle zu hörender Notsender eingerichtet. Dieser verbreitete Luftlagemeldungen und Verhaltensempfehlungen anstelle des bei Luftalarm abgeschalteten Reichssenders. Nach dem "Kuckucksruf" meldete sich ein Sprecher mit der den monotonen Worten: "Hier spricht die Befehlsstelle des Gauleiters. Feindliche Bomberverbände im Anflug auf München."