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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : David S. Landes - Wohlstand und Armut der Nationen



arcain
07.08.04, 14:34
Hallo

Ich weiss nicht wieviele Mitglieder des Forums den amerikanischen Wirtschaftshistoriker David Landes kennen, aber ich will denen, die es nicht tun, an dieser Stelle mal ein Buch empfehlen, dass ich vor gut einer Woche zufällig im Buchladen fand und dass mich völlig in seinen Bann reisst:

http://images-eu.amazon.com/images/P/3886805255.03.LZZZZZZZ.gif

Wie der Titel schon erkennen lässt, geht es in diesem Buch (in der Taschenbuchausgabe rund 600 Seiten ohne Anmerkungen und Register) um das Wohlstandsgefälle in der Welt und seine Entstehung. Landes greift die Geschichte Europas vom Mittelalter bis in die Neuzeit auf und stellt bemerkenswerte Thesen auf, warum gerade Europa in der Moderne und im Zuge der Industrialisierung eine weltweit unvergleichliche wirtschaftliche Blüte erlangte! Bemerkenswert und oftmals entgegen der political correctness, was das Buch nebenbei bemerkt überaus lesenswert und spannend macht, vergleicht Landes die Gesellschaften und Kulturen miteinander und zementiert im Verlauf seiner Ausführungen die These, dass ein solcher Wachstum ausschließlich in Europa stattfinden konnte.

Etwas, dass mir vormals nicht in dieser Deutlichkeit klar war, fasziniert mich an den Ausführungen von Landes am meisten. Die Grundlagen für den wirtschaftlichen Aufschwung in Europa sieht der neoliberale Havard-Professor in der Gesellschaftsstruktur des Mittelalters. Durch seine territoriale Zersplittung, der Komplexität der mittelalterlichen Machtstrukturen, der Auseinandersetzung zwischen Religion und weltlicher Macht (bei der erstere den kürzeren zieht) erlangte die europäische Gesellschaft ein Stadium, welche das "Erfinden des Erfindens" begünstigte und förderte. Keine andere Gesellschaft der Welt sei laut Landes in der Lage gewesen, derart arbeitssam an der Weiterentwicklung von Techniken und Mechanismen zu arbeiten. Dabei widmet er den islamischen Staaten und dem Großreich China besondere Aufmerksamkeit. Warum verstand vor allem China in seiner kulturellen Blütezeit es nicht, seine Vorteile zu nutzen und zog sich eine Art Isolation zurück, in der wissenschaftlicher Fortschritt nicht mehr möglich war ?! Warum blieben die arabischen Staaten weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und warum ist (und wird es laut der Meinung des Autors auch noch lange Zeit bleiben) Afrika heute das Armutshaus der Welt ? Landes gibt provozierende Antworten auf diese Fragen und stellt Thesen auf, die hierzulande sicherlich kaum einer gerne hören wird. Landes sieht die Probleme des Wohlstandsgefälles vor allem auf Basis von kultureller Rückständigkeit und Religion. Während die arabischen Staaten sich seit dem Mittelalter mehr und mehr in religiösen Fanatismus zurückziehen, könnten finanzielle Hilfsprojekte beispielsweise in Afrika keine Wirkung erzielen, so lange die afrikanische "Kultur" und Gesellschaft sich nicht von innen heraus selbst kuriert!

Hier eine dieser provozierenden Textpassagen in der Mitte des Buches:

"Manche Forscher, die sich mit Wirtschaftsentwicklung und speziell mit der Rückständigkeit der Dritten Welt befassen, versuchen den Rückstand damit zu erklären, dass die reichen Länder nicht willens sind, in die armen Länder zu investieren. Der Vorwurf lässt sich weder historisch noch logisch halten. Unternehmer sind immer "wegen des Geldes dabei", und Geld verdienen und nehmen sie, wo sie nur können. Natürlich haben sie ihre Präferenzen. Seit eh und je versuchen sie, Risiko zu minimieren und Zufriedenheit zu maximieren; zu dem mögen sie mildes Klima lieber als rauhes, nahe gelegene Orte als abgelegene, vertraute Kulturen als fremdartige. Bisweilen machen sie grobe Fehler. Auch bei größter Sorgfalt und Voraussicht wirft nicht jede Investition etwas ab. Aber das hat weder Unternehmer, noch Investoren je daran gehindert, es immer wieder zu versuchen. Nicht Mangel an Geld hält die Entwicklung [in Afrika] auf. Das größte Hindernis ist soziale, kulturelle und technologische Unfertigkeit - Mangel an Wissen und Know-How. Mit anderen Worten: Die Unfähigkeit mit dem Geld zu arbeiten."

Landes befasst sich eingehend mit der Ausbeutung der Afrikaner durch die Europäer zur Zeit der Entdeckungen und Kolonialisierung. Er tut dies ganz offensichtlich, um den Vorwurf auszuhebeln, er wolle die "Schuldigkeit" der westlichen Kultur am Armutshaus Afrika entkräften. Doch wie man an dieser Passage sehr deutlich erkennen kann, liegt laut Landes das Problem vor allem an der sogenannten "kulturellen Unfertigkeit". Landes stellt im Laufe seines Buches einen liberalen Vorzeigekatalog für Staaten mit wirtschaftlicher Blüte auf, in der vor allem Freheit der Entfaltung für alle Individuuen (religiös-kulturell, wie materiell), innere Ordnung und Stabilität vorrang einnehmen. Schnell wird deutlich, dass die heutigen Armutsländer diesen Idealen weit entfernt sind, lediglich Asien sich immer mehr anzunähern versucht.

Unter anderem klärt Landes Wohlstandsgefälle in Europa auf und gibt Antwort auf die Frage, warum Spanien und Portugal nach ihrem beispiellosen Aufstieg im Zeitalter der Entdeckungen so schnell einen derartigen Niedergang erfahren haben, dass sie noch heute die armen Länder Europas bilden. Warum beispielsweise konnte Russland seine Möglichkeiten nicht nutzen und wie sehr spielt die Geographie und das Klima eine Rolle bei kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung ?

Landes hat ein Buch geschaffen, das provoziert und herausfordert, aber auch logisch und einleuchtend ist. Manchmal möchte man ihm widersprechen und die linke Gutmenschenmoral, die so starken Eindruck auf unsere heutige Gesellschaft gemacht hat, nötigt einem angesichts seiner provokanten Thesen Widerstand ab. Angesichts seines fundierten Wissens fällt aber jeder Widerspruch schwer!

Sofern ihr das Buch noch nicht gelesen habt und euch das Thema, sowie Geschichte im Allgemeinen interessiert, sei euch dieses "Standardwerk der Wirtschaftsgeschichte" ans Herz gelegt.


gruss
arc

General Guisan
07.08.04, 15:04
Tönt interessant

Wie sind die Bezugsmöglichkeiten?

Ihr spracht von einer Bücherei, doch diese Möglichkeit entzieht sich mir weitgehenst weil Dienst am Vaterland zu leisten ist.

So würde ich einen Kauf in einer Bücherei oder eines Online-Shops, lieber letzterem, in Betracht ziehen.

Mit was für Kosten wäre zu rechnen, zB bei Amazon? Oder gibt es eine Möglichkeit, günstiger an das Buch zu kommen? Bei 600 Seiten für die Taschenausgabe wird mir schon halb schlecht, wenn ich an den Preis denken muss...

Therlun
07.08.04, 15:04
mich hast du interessiert, und ich werd mir das buch mal ansehen. :D

Von Krüscher
07.08.04, 16:28
Hört sich fantastisch an!
Habs mir gerade bestellt... ;)

Strähle
07.08.04, 17:12
@general guisan:

schaut mal hier:
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3442761263/qid=1091887834/ref=sr_8_xs_ap_i1_xgl/028-1131513-3264515

OT:
Ihr Dient? In welcher Einheit, wenn wir fragen dürfen?

General Guisan
08.08.04, 00:21
@general guisan:

schaut mal hier:
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3442761263/qid=1091887834/ref=sr_8_xs_ap_i1_xgl/028-1131513-3264515

OT:
Ihr Dient? In welcher Einheit, wenn wir fragen dürfen?


Leider leider liefert Amazon nicht in die Schweiz gegen Rechnung, als ich das letzte Mal etwas brauchte von Amazon, musste es umständlich mit einem Geschenkgutschein und einer Freundin aus Deutschland lösen...aber habe das Buch auch in einem Schweizer Shop gefunden und werde es bestellen.

OT: Uem/FU RS 62-2 ;-)

Und ausgeschrieben: Übermittlungs/Führungs Rekrutenschule in Kloten :)
"Nur" noch 16 Wochen....

Sir H. Dowding
08.08.04, 02:17
Klingt interessant und für 12 Euro nicht unerschwinglich. Werd's mir kaufen.

Oliver Guinnes
08.08.04, 16:56
Mir scheinen die Thesen nicht so Kontrovers. Es sind Dinge die die meisten Ökonomen heute mehr oder weniger so sagen würden. Ein wesentliches Problem, der unterenetwickelten Ländern ist es, dass sie keine Rahmenbedinugunge schaffen, in denen Märkte funktionieren. Dies sind vor allem Rechtsicherheit, ein gewisses Bildungsniveau der Bevölkerung und Verzicht auf staatlichen Dirgismus. Mir erscheint der wesentliche Unterschied, dass er halt auf 'Kultur' als Deutungsmuster zurückgreift.

Seine Ausführungen zur Religion sind auch nicht sonderlich überraschend, wenn denkt, dass Weber schon vor ca. 100 Jahren ähnliche Dinge nieder schrieb.

Was natürlich nichts daran ändert, dass das Buch interessant sein mag. Und eins haben angelsächsische Professoren den deutschen vorraus: komplexe Sachverhalten so darzulegen, dass sie auch nicht-Experten zugänglich sind, manchmal gar unterhaltsam.

:gluck:

Daiq
09.08.04, 01:13
Ich bin schon vor einigen Jahren auf dieses Buch gestoßen und habe es verschlungen. Ich glaube es wird langsam mal wieder Zeit, dass ich das Buch erneut aus dem Regal hole.

Wahnfried
09.08.04, 10:21
Landes gibt provozierende Antworten auf diese Fragen und stellt Thesen auf, die hierzulande sicherlich kaum einer gerne hören wird. Landes sieht die Probleme des Wohlstandsgefälles vor allem auf Basis von kultureller Rückständigkeit und Religion.

Ah, er täuscht sich die provozierenden Antworten auf diese Fragen, hören nur linke Gutmenschen nicht gerne, denn sie sind der Meinung, dass die Europäer also sie selbst, die Menschen in Afrika, Asien und Südamerika ausnutzen und auf deren Kosten leben. Naja, im Grunde ist das ein höchst christliches Verhaltensmuster, die Christen meinen auch das sie an allem übel schuldig sind und dass sie abbitte leisten müssen, zum Beispiel indem sie Geld spenden und sich selbst ungut fühlen weil sie relativ Reich und die Afrikaner relativ arm sind. Die Asiaten denken sie sind reich weil sie es verdienen, sprich weil sie in einem früheren Leben, etwas verdienstvolles geleistet haben. Sie denken alle denen es nicht gut geht, verdienen es auch arm zu sein, denn sie haben in einem früheren Leben was ausgefressen. Die rechten denken die westliche Gesellschaft, früher die arische Rasse ist besser weil erfolgreicher, die Linken denken alle sind gleich nur die eigene Gesellschaft verdient es kritisiert zu werden weil sie auf kosten anderer Lebt. Ich sage, darauf gesch... uns geht es gut weil unsere Vorfahren hart dafür gearbeitet haben.

Oliver Guinnes
09.08.04, 13:58
Hier seht ihr, meiner recht unbedeutenden Meinung nach, die Christen in leicht falschem Lichte, denn zum einen sind nicht sie selbst an allem Schuld sondern schon eher die Juden, die den Heiland an Kreuzschlagen ließen und deshalb ja auch regelmäßig Bluten mussten, bzw. sie sind Dank dieses Heilands von jeder Schuld frei und zum anderen ist diese Religion nicht so einheiltich wie Ihr sie erscheine lasst. Die bei den Reformierten recht weit verpreitete Prädestinationslehre beschreibt einen ähnlichen Zusammenhang wie ihr es 'den Asiaten' zu schreibt. Nur ist hier Erfolg und Reichtum nicht Folge vergangener Taten, sondern Erkennungsmerkmal dass man von Gott erwählt wurde. In dieser Lehre findet der schon weiter oben erwähnte Max Weber die Ursache für den ökonomischen Erfolg der holländischen Calvinisten oder auch englischen Puritaner. Letztlich mag dies auch eine Ursache des enstpannteren Umgangs von US-Amerikanern mit Reichtum und Ungleichheit sein.


Ich sage, darauf gesch... uns geht es gut weil unsere Vorfahren hart dafür gearbeitet haben.

Das kann man natürlich auch etwas kritischer sehen. Eine gewisse Ausbeutung gab es wohl unbestrittener Maßen in der Kolonialzeit. Zumindest scheinen mir Genozide und Skalverei doch leichte Hinweise auf gewisse Formen der Unterdrückung zu sein. Keynes hat einmal sehr schön vorgerechnet, dass der gesamte britische Wohlstand zu seiner Zeit allein auf dem Gold beruhte, dass einst Drake den Spaniern abnahm. Wenn man diesen nicht ironiefreien Aufsatz auch nicht für bare Münze nehmen muss, so ist er doch ein stakrer Hinweis darauf, dass etwas wahres daran sein mag. Der Wohlstand, der den Europäern jahrhunderte lang aus den Kolonien zufloss, erlaubte einen Kapitalstock zu akkumulieren, der als Basis für späteren noch größeren Wohlstand diente. Was aber natürlich nicht der alleinige Grund für letzteren ist.

:gluck:

arcain
09.08.04, 14:21
Werter Guinness,

Einige der Punkte, die Ihr ansprecht, finden sich in der Tat auch in diesem Buch wieder. So greift Landes durchaus die These von Max Weber wieder auf und nutzt sie, um unter anderem das Wohlstandsgefälle in Europa (Nord/Süd) zu erklären. Für Landes ist diese rückläufige Entwicklung in den südlichen Ländern Ausdruck eines religiösen Fanatismus. Dies unterlegt er mit einigen eindrucksvollen Beispielen und Zahlen. So meine ich mich beispielsweise zu erinnern, dass Portugal noch am beginnenden 20. Jahrhundert eine Alphabetisierungsrate von annähernd 30% besaß - Später Ausdruck einer religiösen Rückständigkeit. Max Weber kommt ins Spiel, wenn es darum geht die Religionsspaltung und die Auswirkung des Protestantismus auf die Gesellschaft und die Lebensweise der Menschen in Europa zu verdeutlichen. Landes schließt sich den Thesen Max Webers ausdrücklich an:

"Und auch aus theoretischer Sicht kann ich [der Kritik an Max Weber] nicht zustimmen. Der Kern der Sache bildete in der Tat die Schaffung eines neuen Menschen - rational, ordentlich, fleißig, produktiv (...). Der Protestantismus ließ sie unter seinen Anhängern zum Gemeingut werden (...)."



Im Übrigen will Landes den Westen von den Grausamkeiten nicht freisprechen, die er während der Zeit der Entdeckungen, der Kolonisation und des Imperialismus anderen Völkern angedeihen ließt. So rollt er beispielsweise über Seiten die Leiden eines afrikanischen Sklaven auf, der über das Meer in die neuen Staaten oder die Karibik auf Zuckerrohrplantagen verschifft wurde.

Und um euch noch einmal zu zeigen, wie vielschichtig das Buch sein kann: Landes benennt auch den von euch angesprochenen Schiffsraub der Engländer von den Spanien. Die Beute betrug, soweit ich mich erinnere, rund das fünffache des englischen Kronschatzes - eine gewaltige Summe, so unvorstellbar viel, den die Engländer wesentlich erst auf den Gedanken gebracht haben soll, ein Überseeimperium aufzubauen.

gruss
arc

Oliver Guinnes
09.08.04, 14:26
Meine Ausführungen war auch gar nicht gegen das Buch gerichtet, ich wollte nur seine Außerordentlichkeit relativieren. Mir scheint es nämlich ziemlich im Mainstream der Wirtschaftswissenschaften angesiedelt, vielleicht etwas pointierte formuliert, aber so verkauft man halt Bücher. Wie gesagt, mir ging es keineswegs um die Schmälerung des Autoren.

:gluck:

Arminus
09.08.04, 14:44
Hab mal kurz Euren ersten Post überflogen, werter arcain, und bei einem Ausdruck des Herrn Landes stößt es mir doch sehr auf.

Das größte Hindernis ist soziale, kulturelle und technologische Unfertigkeit...
Ich müßte mir das Buch mal angucken, aber ich habe das Gefühl, dass Landes zu den Menschen gehört, die meinen, die westliche Kultur, ihre gesellschaftlichen Strukturen, ihre Werte, sind etwas, das bedingungslos auf den Rest der Welt verbreitet gehört. Man möge mich korrigieren, wenn ich da in Bezug auf Landes falsch liege.

Wahnfried
09.08.04, 16:48
Hier seht ihr, meiner recht unbedeutenden Meinung nach, die Christen in leicht falschem Lichte, denn zum einen sind nicht sie selbst an allem Schuld sondern schon eher die Juden, die den Heiland an Kreuzschlagen ließen und deshalb ja auch regelmäßig Bluten mussten, bzw. sie sind Dank dieses Heilands von jeder Schuld frei und zum anderen ist diese Religion nicht so einheiltich wie Ihr sie erscheine lasst.

Klar die Juden haben den Heiland ermordet, aber das ist eine andere Geschichte. Nein, wir Christen, auch wenn wir keine mehr sind prägt uns doch unsere Kultur die auf der Christlichen beruht, glauben das wir Sündig auf die Welt gekommen sind und wir müssen uns ständig für unsere Sünden rechtfertigen und buse tun. Zum Beispiel sehe ich das in Deinem Post bestätigt. Was wir sind und haben, haben wir weil wir andere unterdrückt und ausgebeutet haben. Das ist eine gängige Meinung und wir von fast allen als Tatsache abgehakt. Aber das Stimmt so nicht. Gerade Deutschland hat keine Kolonien gehabt, Ok vor dem ersten Weltkrieg hatten wir Togo, Ostafrika, Kamerun, Deutsch Südwestafrika, Kaiser Wilhelm Land und Kiautschou. Aber Deutschland hat mehr Geld in die Kolonien reingesteckt als rausbekommen. Viel in die Infrastruktur investiert und bevor Deutschland die Früchte ernten konnte gingen die Kolonien verloren. Auch hat Deutschland zwei große Kriege verloren und mußte Reparationen zahlen und trotzdem ist Deutschland ein reiches Land.
Nein nicht dass wir andere Völker unterdrückten hat uns Reich gemacht sondern weil unsere Vorfahren hart gearbeitet haben. Habt ihr euch schon mal gefragt warum nicht die klimatisch und von den Resourcen her besser gestellten Kontinente Europa kolonisiert haben, sondern umgekehrt?


Keynes hat einmal sehr schön vorgerechnet, dass der gesamte britische Wohlstand zu seiner Zeit allein auf dem Gold beruhte, dass einst Drake den Spaniern abnahm. Wenn man diesen nicht ironiefreien Aufsatz auch nicht für bare Münze nehmen muss, so ist er doch ein stakrer Hinweis darauf, dass etwas wahres daran sein mag.

Naja, warum war dann Spanien im letzten Jahrhundert und auch am Anfang dieses Jahrhunderts so arm? Klar Drake hat den Spaniern Gold abgenommen aber mehr Gold als Drake erbeutet hat ist bis Spanien durchgekommen. Also, müsste doch Spanien das reichste Land überhaupt sein. Oder die Zulus müßten die reichsten und mächtigsten sein, da es dort in Südafrika die ganzen Goldminen gab.
Nein, der Grund warum die Westlichen Länder so Wohlhabend sind und zwar flächendeckend liegt daran weil bei uns der Reichtum gleichmäsiger Verteilt ist, weil bei uns der Glaube vorherrst durch harte Arbeit es zu etwas bringen zu können. In den Ländern in denen es nicht so gut läuft, zum Beispiel in Afrika, Arabien, aber auch in Rußland wollen die Leute mit möglichst wenig Einsatz das maximale rausholen und das geht nur wenn man andere übervorteilt und dann gewinnt nur der Skrupeloseste und Gerissenste. Alle anderen bleiben zurück.

Oliver Guinnes
09.08.04, 17:43
Ihr unterschätzt die Verflechtung der Wirtschaft im 18. und 19. Jahrhundet. Deutschland profitierte nicht unerheblich vom Kolonialenreichtum der Briten. 'made in Germany' wurde von den Briten eingeführt um billig Importe aus Deutschland zu unterbinden, was aber nur eingeschränkt gelang. Wäre die britische Wirtschaft bzw. Gesellschaft nicht durch Kolonialerträe reich geworden, so wäre auch die deutsche Wirtschaft nicht in Schwung gekommen. Das gleiche gilt natürlich für die französischen und holländischen kolonial Besitzungen.

Natürlich darf so etwas nicht monokausal interpretiert werden. Langfristiger Wohlstand entseht nicht allein auf Basis von Ausbeutung von Kolonien, hierzu Bedarf es noch einem angemessen Umfeld, dass die akkumulierten Resourcen sinnvollen Verwendungen zuführt. Und hier kommen dann die Unerschiede in Gesellschaftstrukutren zum Tragen. Während in den eher protestantischen Regionen eine gewisse Sparsamkeit und Orientierung an der Mehrung des eigenen Wohlstands, als Zeichen für die Gnade Gottes, vorherrschte war die iberische Halbinsel eher durch Rentenverzehr gekennzeichnet. Während der Katholik nach Heil im Jenseits strebt und sein Handeln daran ausrichtet, tut dies zwar auch der Protestant, aber er erkennt sein jenseitiges Heil an seinem diesseitgen Wohlstand, so dass er sein Handeln auf dessen Mehrung abstellt (insbesondere die von Prädestinationslehre geprägten Richtungen).
Zudem war ein nicht zu venachlässigender Vorteil der Engländer, dass es nicht zu viel Gold war, dass sie in Ihren Kolonien fanden, denn das Inka- und Atztekengold der Spanier war ja tatsächlich in gewisser Weise verflucht. Denn die plötzlich Aufblähung der Geldmenge führt zu einer Inflation, die zuvor akkumulierte einheimische Werte zerstörte und zu Verwerfungen in der Wirtschaft führte.
Ein weiterer Aspekt ist bei den innereuropäischen Differenzen nicht zu vergessen. Holland und England waren extrem sozial durchlässige Gesellschaften in denen oft Leistung mehr zählte als Geburt. In England war dies Notwendig, da gelegentliche Bürgerkriege, aber auch der Hundertjährige Krieg immer wieder große Teile der Eliten auslöschten. Ähnliches gilt für das revolutionäre und nachrevolutionäre Frankreich und ebenso für den hunderjährigen Krieg. Bei Agincourt ging ein Großteil der französischen Ritterschaft unter wie schon zuvor bie Crecy. In Holland als Bürgergeselschaft gegründet und vom Handel lebend war die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs durch Leistung inherenter Bestandteil des Gesellschaftsvertags. Hier wurde Leistung honoriert und somit ein gesellschaftliches Klima generiert, dass wirtschaftliche Aktivität stimulierte, dass Anreize schuf das unter anderem in den Kolonien akkumulierte Kapital sinnvoll einzusetzen.

Ihr solltet nicht unterschätzen welchen Nachteil die Kolonialstrukturen für die betreffenden Kolonien ausgemacht hat. Kolonialwirtschaft war meist Plantagen- und Minenwirtschaft. Dafür benöitge ich nur menschliche Arbeitskraft und geringe Invetitionen. Es besteht keinerlei Anreiz in die Menschen selbst zu investieren. Da die abnehmende weiter verarbeitende Industrie im Mutterland sitzt, bsteht auch keine Bedarf in einen Maschinenpark in der Kolonie zu investieren, so gesehen hatte Ghandi auf jeden Fall recht. Das heißt durch die kolonial Tätigkeit werden die Kolonien auf der Stufe einer Agragesellschaft gehalten während sich das Mutterland industrialisiert. Dafür braucht Ihr gar nicht nach Indien zu gehen. Nehmen wir doch einfach ein anderes Land mit I. Irland. Diese schöne Insel war bis in die siebziger und achtziger des letzten Jahrhunderts eine verarmte Agragesellschaft, und dies nicht weil die Iren faul sind - das sind sie keineswegs, auch wenn sie gerne mal einen über den Durst trinken - sondern weil die Kolonialstrukturen, die die Engländer ca. 400 Jahre implementierten die Bevölkerung auf dem Stand einer Agragesellschaft hielten und keine Anreize gaben, denn als Ire konnte man in England nichts werden. Gleichzeitig waren aber die Iren die nach Nordamerika gingen in der Lage zu Wohlstand und einem guten Leben zu kommen. Mir scheint also doch ein gewisser Einfluss von kolonial Strukturen zu bestehen.

Ihr seht, dass ich keineswegs den Arbeitseinsatz der Europäer (wobei es weniger die tatsäschlich Arbeisamkeit ist, die den Unterschied ausmacht, sondern ob eine Gesellschaft in der Lage ist Unternehmerpesönlichkeiten zu generieren) und spezifsche Umstände Eurpas negiere. Nur wäre es genauso töricht, den positiven Einfluss der einstömenden Aktiva aus den Kolonien für die europäische Gesellschaft zu negieren.

Dies hat keineswegs, wie ihr unterstellt etwas mit Schuldzuweisungen zu tun, sondern eher mit der Frage nach ökonomischen Zusammenhängen, und da ist Schuld ein gänzlich untauglicher Begriff.

:gluck:

Wahnfried
09.08.04, 18:39
Wohl gesprochen ehrenwerter Herr Guinnes, eure Argumentation kann ich folgen und stimme ich zu. Weiter braucht man dazu wohl nicht zu sagen, nur vielleicht das, was wäre wenn die Europäer Afrika, Amerika, Australien und Asien nicht kolonisiert hätten? Zweifelsohne würde es ihnen heute nicht besser gehen. Denn zum Beispiel in Afrika waren die Gesellschaften noch weitgehend im Neolithicum. Vielleicht würden sie ein Ursprünglicheres und glücklicheres Leben führe, wie viele Sozialromantiker glauben, aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Wer von uns würde gerne in wieder in der Steinzeit leben?

General Guisan
21.08.04, 15:45
Habe es mir jetzt auch gekauft und in die Armee liefern lassen (wobei ich am selben Tag noch 2 Pakete bekam - dank Portofreiheit für Armeelieferungen spare ich gerne) - die Kameraden schauten da schon etwas blöd als ich mit 3 Paketen in das Zimmer kam :D

Bin jetzt etwa erst auf Seite 50, bis jetzt ist es recht interessant, wenn auch etwas seltsam geschrieben, liegt wohl daran das ich mehr deutsche Originalbücher den Übersetzungen gewohnt bin zu lesen.

arcain
11.12.04, 21:30
Werte Regenten,

Zum obigen Buchtipp von mir eine weitere Ergänzung, die sich ebenfalls mehr oder weniger mit dem Thema der "Kulturen" befasst bzw. der Frage nachgeht, welche kulturellen Werte eine wirtschaftliche Entwicklung und den Fortschritt einer Nation begünstigen und welche hinderlich wirken.

http://images-eu.amazon.com/images/P/3442152658.03.LZZZZZZZ.jpg

Dieses Buch ist eine Zusammenstellung von Texten und Essays von nahmhaften Wissenschaftlern, vorwiegend aus den USA, aber auch aus den thematisierten "Problem"-Staaten aus Afrika und Lateinamerika. Etwas irritierend dabei ist, dass auf dem Cover der deutschen Ausgabe der Autor des "Clash of Cultures", Huntington, als Leitautor steht. In Wirklichkeit schreibt er jedoch nur das Vorwort und die Danksagung. Vermutlich hat sich der deutsche Herausgeber den Bekanntheitsgrad Huntingtons zunutze gemacht.

Zum Inhalt selber: 15 Autoren diskutieren über die Frage, inwieweit kulturelle Werte fortschrittsförderlich oder fortschrittshinderlich sind und entwickeln an Hand der unterentwickelten und armen Staaten der Welt Idealtypen kultureller Wertesysteme. Einhellig sind die Autoren der Meinung, dass die Probleme der Armut in der Welt heute nicht mehr durch Kolonialismus, Imperialismus, Ausbeutung des Kapitalismus oder ähnliches erklärt werden kann. Vielmehr müsse es darum gehen, die faktischen strukturellen und kulturellen Probleme der betroffenen Länder aufzuführen und ein eigentliches Problembewusstsein geschaffen werden. Spannend ist in jedem der Kapitel die Frage, wieviel Identität eine Kultur dieser Staaten in der Dritten Welt aufgeben müsste, um den wirtschaftlichen Aufholprozess zu beginnen und dem Westen aufzuschließen. Kurz, aber pregnant und einleuchtend, analysieren die Autoren an Hand einiger Beispielstaaten die Problematik fortschrittshinderlicher Werte und kommen zu erstaunlichen Ergebnissen. Wie auch schon das oben vorgestellte Buch von Landes (welches ebenfalls im "Streit um Werte" kurze Erwähnung findet), ist auch dieses Buch höchst streitbar und zu Diskussionen einladend..
Hier ein kleines Zitat als Vorgeschmack, von Daniel Etunga-Manguelle aus dem Schlussteil des Kapitels "Benötigt Afrika ein kulturelles Anpassungsprogramm?":

"Wenn es Europa, diesem Teilstück der Erde, dass nur einen winzigen Bruchteil der Menschheit verkörpert, gelungen ist, sich dem Planeten aufzuzwingen, ihn zu dominieren und zum ausschließlichen Vorteil Europas zu organisieren, dann nur darum, weil Europa eine siegreiche Kultur der Disziplin und Arbeit entwickelt hat, die dem Einfluss unsichtbarer Kräfte entzogen ist. Dasselbe müssen wir tun."

Unbedingte Kaufempfehlung für jeden, den die Thematik interessiert. 390 Seiten inklusive Anhang und Autorenverzeichnis, 9,90Euro.

gruss
arc

Arminus
11.12.04, 21:42
Hm, hatte von Huntington das erste Buch gelesen, Kampf der Kulturen. Es hatte ein paar nette Aspekte, obwohl Huntington die Sache doch zu stark überspitzte, Geopolitik zu einseitig betrachtete.
Eine Frage, werter Arcain, wie genau wird "Fortschritt" in dem Buch definiert?

arcain
11.12.04, 21:55
Den Kampf der Kulturen habe ich bislang nicht gelesen (obwohl ich das in jedem Fall noch nachholen werde), aber wie gesagt, ist Huntington bei der deutschen Ausgabe dieses Buches nur der Aufmacher des Verlages. Er schreibt lediglich das Vortwort und einige einleitende Sätze zur Wichtigkeit kultureller Werte. Das Buch entstand als Ergebis eines Projekts mit dem Namen "Kulturelle Werte und menschlicher Fortschritt" an dem mehrere Wissenschaftler verschiedener Länder teilnahmen. Als Ergebnis entstand dieses Buch, in dem die Autoren die Texte und Vorlesungen der Tagungen veröffentlichten. Als "Fortschritt" werden ökonomische, wissenschaftliche und moralische Aspekte angesehen. In einem der ersten Kapitel schreibt einer der Autoren einleitend zu dieser Frage:

"Ungeachtet dessen bin ich der Überzeugung, dass die überwältigende Mehrheit aller Menschen auf Erden den folgenden Behauptungen zustimmen würde:
- Leben ist besser als Tod
- Gesundheit ist besser als Krankheit
- Freiheit ist besser als Knechtschaft
- Wohlstand ist besser als Armut
- Bildung ist besser als Unwissenheit
- Gerechtigkeit ist besser als Ungerechtigkeit"

In diesem Buch geht es wesentlich um materiellen und ökonomischen Fortschritt der Dritten Welt, aber behandelt gleichsam Defizite in der poltischen Freiheit, in der Bildung
etc. "Fortschritt" ist also zweifelsohne der Prozess, den die Dritte Welt durchschreiten würde, um mit der westlichen Welt gleichzuziehen. Ökonomie wird hier sehr eng mit politischen und sozialen Fragen verwoben.

gruss
arc

Oliver Guinnes
12.12.04, 14:51
Huntington bei der deutschen Ausgabe dieses Buches nur der Aufmacher des Verlages.

Nach dem Cover scheint er zusammen mit dem Lawrence Herausgeber zu sein, was keine unwichtige Aufgabe bei solchen Essay-Sammlungen ist, vor allem die Auswahl der beitragenden Autoren ist wichtig und gibt dem Buch Richtung. Andere als Huntington hätten zum gleichen Thema warhscheinlich ganz andere Verfasser genommen, was auch die gesamte Aussage des Buches ändern kann, deswegen wird er wohl mehr sein als der Aufmacher.

:gluck:

Arminus
12.12.04, 15:44
"Ungeachtet dessen bin ich der Überzeugung, dass die überwältigende Mehrheit aller Menschen auf Erden den folgenden Behauptungen zustimmen würde:
- Leben ist besser als Tod
- Gesundheit ist besser als Krankheit
- Freiheit ist besser als Knechtschaft
- Wohlstand ist besser als Armut
- Bildung ist besser als Unwissenheit
- Gerechtigkeit ist besser als Ungerechtigkeit"
Mal eine Frage, wer von den anwesenden Regenten hält diese Definition für zu allgemein bzw. komplett nichts sagend? Abgesehen von 3., eine klare Eigenart der westlichen Welt, die anderswo gar nicht gut ankommt.

Wahnfried
12.12.04, 15:57
Nun sicherlich ist all das was der werte Arcain hier aufgelistet hat:

- Leben ist besser als Tod
- Gesundheit ist besser als Krankheit
- Freiheit ist besser als Knechtschaft
- Wohlstand ist besser als Armut
- Bildung ist besser als Unwissenheit
- Gerechtigkeit ist besser als Ungerechtigkeit

zutreffend. Auch der Nummer 3 denke ich würden wohl die meißten Menschen zustimmen. Das es nicht überall auf der Welt gut ankommt, liegt daran, das diese Länder eine Regierung haben die Freiheit unterdrückt und somit ist die veröffentlichte Meinung gegen Freiheit. Wohl nicht gegen die Freiheit an sich, sondern eher gegen die westliche Definition von Freiheit.
Ich bin jetzt zur Zeit in Saudi Arabien und hier sind die Leute alles andere als frei. Die meißten sind offiziell gegen die westliche art der Freiheit. Die sehen darin Pornographie und Dekadenz. In Wirklichkeit beneiden sie uns. Aber die Gewaltigen hier in diesem Land haben viel zu verlieren, deshalb gibt es keine Revolution gegen die Zustände. Die Herrscherfamilie ist mit der Situation zufrieden. Die Männer sind es auch. Die Frauen, Armen und Hilfsarbeiter aus Entwicklungsländer haben nichts zu sagen und werden unterdrückt. Sie würden dem Punkt 3 wohl zustimmen.

the general
12.12.04, 17:43
Hab noch eine Ergänzung zum obengenannten Buch.

Es beschreibt zwar nicht die Armut in Afrika zeigt aber die Entwicklung der damaligen Großmächte in Europa und warum es in der islamischen Welt und in Asien nicht geklappt hat.

Jedenfalls ist es ein interessantes Buch und würde die anderen ergänzen. :)

Wie ich finde.

Der Buchautor ist Paul Kennedy und das Buch heißt Aufstieg und Fall der großen Mächte

Ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500-2000

G°tti
30.12.04, 01:54
Als ich den titel las fiel mir sogleich folgendes ein:

Adam Smith: The Wealth of Nations -->http://www.bibliomania.com/2/1/65/112/frameset.html der grösste ökonomische Klassiker den es gibt

arcain
30.12.04, 02:02
Allein der Titel ist ja bereits eine sicher bewusste Anlehnung an Smith :)

G°tti
30.12.04, 02:07
das nehme ich mal sehr stark an

Wilhelm I
30.12.04, 03:03
Na da hat sich in meiner Abwesenheit ja ein interessanter Thread gebildet!

Werde mir das Buch direkt mal zulegen.