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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gedankenspiele II - Die Kaiserkrone



Hasardeur
01.01.07, 22:21
Hallo, werte Mitregenten !

Nachdem das Gedankenspiel zur Neuordnung Europas 1890 doch einigen Anklang gefunden hat, möchte ich mit einem weiteren Gedankenspiel zu hitzigen Diskussionen anregen :

Diesmal werde ich mich allerdings zunächst darauf beschränken, mich eine Frage an die Mitregenten zu wenden und werde meine eigenen Überlegungen dazu erst etwas später zum besten geben.

Wie hätte sich Europa entwickeln können, wenn sich Otto I. mit seinem Titel als ostfränkische König beschieden und nicht 962 die Kaiserkrone angenommen hätte ?

Mir ist klar, das Thema ist weniger handfest als das 1890er Thema, aber wie ich finde trotzdem eine Überlegung wert.

Gruss,

Hasardeur

Marc Aurel
01.01.07, 23:45
Du glaubst duch nicht wirklich, dass dir irgendjemand jetzt eine gesamte Nach-Geschichte zu diesem Ereignis erzählen kann?
Warscheinlich würden wir heute kein Deutsch sprechen und der Papst wäre übermächtig :D

Hasardeur
02.01.07, 00:45
Du glaubst duch nicht wirklich, dass dir irgendjemand jetzt eine gesamte Nach-Geschichte zu diesem Ereignis erzählen kann?
Warscheinlich würden wir heute kein Deutsch sprechen und der Papst wäre übermächtig :D

Na kommt, werter Firenwolf, etwas mehr Phantasie darf es schon sein ! :D

Warum sollten wir denn bitte kein deutsch sprechen ? :)

Übermächtig wäre das Papsttum durch einen solchen Schritt mal sicher nicht geworden. Der Papst, militärisch selbst eher schwach auf der Brust, brauchte eine Schutzmacht, die den Fortbestand des Papstums garantierte.

Wenn der ostfränkische König diesen Auftrag nun für sich abgelehnt hätte, wer wäre denn als Alternative in Frage gekommen ? Mir fällt da spontan mal kein geeigneter Kandidat ein !

Ganz im Gegenteil, es wäre nie zu einem Investiturstreit gekommen und in Deutschland hätte sich eine Reichskirche entwickeln können, die völlig unabhängig vom Papst gewesen wäre und somit das deutsche Königtum gestärkt hätte !

Grüssle,

Hasardeur

ulysses
02.01.07, 15:04
Die fehlende Handfestigkeit des Themas - welche der werte Hasardeur bereits selbst angesprochen hat - ergibt sicherlich daraus, daß ja ebenso ein nachfolgender ostfränkischer König die römische Westkrone hätte übernehmen können, so daß die Italienfixierung der deutschen Könige - welche wohl in überschlägiger Einschätzung zumindest ein nicht vollständig zu vernachlässigender, aber auch nur ein Grund für die steten Hausmachtprobleme dieser Herrscher gewesen ist - ohne weiteres hätte trotzdem eintreten können.

In vorerst knapper Einschätzung gehe ich davon aus, daß sich auf lange Sicht nichts wesentliches an der Entwicklung Europas geändert hätte.

Hasardeur
02.01.07, 15:38
Werter Ulysses,

auch eine Italienfixierung ohne die Kaiserkrone scheint mie eher unwahrscheinlich zu sein. Das Wesen der Italienern ist den deutschen Herrschern (natürlich mit Ausnahme Friedrichs II.) immer fremd geblieben. Sicher, auf italienischem Boden war reiche Beute zu machen und würde vielleicht zu einem kurzen Feldzug anregen, nicht jedoch zu einer längerfristigen Einmischung in die italienische Politik.

Auch die Eroberung der westfränkischen Krone muss für einen damaligen deutschen Herrscher wenig attraktiv gewesen sein, war diese zwar vielleicht mit Prestige, nicht aber mit wirklicher Macht verbunden.

Meiner Meinung nach hätte für einen expansiv orientierten Herrscher noch die Möglichkeit bestanden, die Ostmission stärker zu forcieren, dies würde aber auch schnell an "natürliche" Grenzen gestößen sein.

Demzufolge wäre eine Möglichkeit, dass sich die Herrscher stärker um die Konsilidierung der Macht auf deutschen Boden hätten kümmern können und müssen.

Grüssle,

Hasardeur

Marc Aurel
02.01.07, 16:50
Na kommt, werter Firenwolf, etwas mehr Phantasie darf es schon sein ! :D

Warum sollten wir denn bitte kein deutsch sprechen ? :)

Übermächtig wäre das Papsttum durch einen solchen Schritt mal sicher nicht geworden. Der Papst, militärisch selbst eher schwach auf der Brust, brauchte eine Schutzmacht, die den Fortbestand des Papstums garantierte.

Wenn der ostfränkische König diesen Auftrag nun für sich abgelehnt hätte, wer wäre denn als Alternative in Frage gekommen ? Mir fällt da spontan mal kein geeigneter Kandidat ein !

Ganz im Gegenteil, es wäre nie zu einem Investiturstreit gekommen und in Deutschland hätte sich eine Reichskirche entwickeln können, die völlig unabhängig vom Papst gewesen wäre und somit das deutsche Königtum gestärkt hätte !

Grüssle,

Hasardeur


Naj, der Papst hätte aber auch niemanden gehabt, der sich ständig mit ihm angelegt hätte :)

ulysses
02.01.07, 18:08
@ Werter Hasardeur.
Ich denke aber, daß die Italienfixierung doch noch eingetreten wäre, indem ein anderer Ostfrankenherrscher den Weg nach Süden gefunden hätte. Schließlich waren dort reiche Gefilde zu besuchen und nicht erst die Toskanafraktion hat den Weg dorthin entdeckt. Schließlich war Rom für die abendländische Welt des Mittelalters immer noch der Nabel, um den sich alles drehte. Für eine Auswirkung auf die ostfränkische Innenpolitik waren Feldzüge ausreichend, da allein deren Finanzierung regelmäßig zu den schönsten Problemen führte.

Eine Orientierung ins Westfrankenreich war seit Odo und Hugo sicherlich zunehmend unwahrscheinlich - viele Dornen, keine Krone, wenig Freude. Eine intensivere Ostexpansion wäre, wie Ihr zutreffend ausgesführt habt, an latürnichen Grenzen gescheitert.

Gerade weil im Westen wie im Osten für einen starken Ostfrankenherrscher nicht viel zu holen war, lockten die Früchte des Südens sicherlich sehr.

Sollte aber tatsächlich kein ostfränkischer Herrscher den Weg nach Süden gesucht haben, so wäre dies wohl einem solchen der Westfranken zugefallen - was dann mutmaßlich das Problem der Überzettelung dorthin verlagert hätte (bis zum "Heiligen Römischen Reich fränkischer Nation" :???: ) Die nationale Einigung, welche in Frankreich von Leiten wie Heinrich IV und Richelieu forciert wurde, hätte dann in Ostfranken/Deutschland vielleicht bessere Chancen gehabt - Chancen sind aber, auf eine soooo lange SIcht betrachtet, längst keine Gewißheiten.

@ Werter Firenwolf.
Die Bemühungen des Pabstes, die Kirche als eigene - auch weltlich aufgestellte - Macht aufzustellen wurden durch die ostfränkisch/deutschen Eingriffe mittelfricstig sicherlich mehr befördert als behindert. Der Streit um die Investitur der jeweiligen Landesbischöfe wäre also, meiner Ansicht nach, unvermeidbar gewesen.

Marc Aurel
02.01.07, 18:19
Naja, im Mittelalter wurde der Papst schon größtenteils gefördert vom Reich, später jedoch war der Papst ihnen "scheissegal" und sie haben sich selbst zu Kaisern gekrönt. Nehmen wir mal an, die Kaiserkrone wäre nicht nur Teil des Reiches gewesen, sondern hätte an jedes katholische Haus Europas verleiht werden können. Die Macht des Papstes wäre auf jeden Fall heute sehr viel stärker.

ulysses
02.01.07, 18:29
Naja, im Mittelalter wurde der Papst schon größtenteils gefördert vom Reich, später jedoch war der Papst ihnen "scheissegal" und sie haben sich selbst zu Kaisern gekrönt. Nehmen wir mal an, die Kaiserkrone wäre nicht nur Teil des Reiches gewesen, sondern hätte an jedes katholische Haus Europas verleiht werden können. Die Macht des Papstes wäre auf jeden Fall heute sehr viel stärker.

In gewisser Weise war, soweit ich mich erinnere, die Kaiserkrönung nicht zwingend mit der deutschen Krone verbunden. Ich glaube, auch Franz I hat sich seinerzeit ernsthaft bemüht - und wurde von Karl V ausgestochen.

Daß die Macht des Papstes heute wirklich größer wäre, bezweifle ich sehr stark - "viele Divisionen hat der Papst?" Auch wenn er seine Landesherrlichkeit in Italien vielleicht hätter fester begründen können, war und ist seine Macht doch von der Wirkung des "anderen Reiches" sowie - heute - seiner Integrität, der Akteptanz der Heiligen Katholischen Kirche als moralische Instanz etc. begründet. Der Versuch, Glaube in Geld umzusetzen, ist aber nicht an den Königen und Kaisern aus deutschland gescheitert, sondern am Unwillen der Menschen und der Reformation.

Dazu gab es auch so manchen deutschen König, welcher nie zum Kaiser gekrönt wurde. Der Automatismus trat so meine ich, erst in der Spätphase des Alten Reiches ein.

Hasardeur
02.01.07, 18:37
Ohne eine starke Schutzmacht wäre das Papsttum wahrscheinlich auf die Funktion eines Bischofs von Rom herabgesunken.

Die Papststaaten hätte es gegen die diversen anderen italienischen Parteien, Byzanz, die Araber, die Normannen und wer sonst noch wahrscheinlich nicht halten können.

Wie gesagt, der Schlüssel für die Bedeutung des Papstes liegt meiner Meinung nach in der Frage, wer für ihn als Garantiemacht taugt - z.B. im Gegenzug gegen eine Kaiserwürde.

ulysses
03.01.07, 15:24
Hmm, jein (ganz entschieden).

Eine mehr oder minder dauerhafte Garantiemacht benötigte das Papsttum meines Erachtens nicht, hat es doch auch später gelegentlich mit verschiedenen Verbündeten "gespielt" (der Hundebesitzer-Dreisatz: der tut nix, der spielt nur, das hat er noch nie gemacht). Die Normannen waren erst - zu beiderseitigem Nutzen - eng mit dem Papst verbandelt, die Oströmer waren an einer guten Beziehung zum Bischof von Rom immer wieder sehr interessiert, wegen "Abstrahlung" auf die anderen westlichen Herrschaftsbereiche, aber auch im Hinblick auf eine Aufrechterhaltung/Wiedergewinnung der italischen Besitzungen. Auch das Bündnis mit dem Kaiser war ja nuneinmal wechselhaft, so daß der Französische König zum engen Verbündeten des Papstes wurde.

Der "Mehrwert" über einen bloßen Bischofssitz haben eine Mehrzahl starker Päpste mt ihrer Berufung auf die Nachfolge Petri, dann Christi aufgebaut. Ein Pfund, welches sich bei der Suche und Instrumentalisierung von Verbündeten immer wieder gern und mit Erfolg verwendeten.

Hasardeur
04.01.07, 01:29
Hmm, jein (ganz entschieden).

Eine mehr oder minder dauerhafte Garantiemacht benötigte das Papsttum meines Erachtens nicht, hat es doch auch später gelegentlich mit verschiedenen Verbündeten "gespielt" (der Hundebesitzer-Dreisatz: der tut nix, der spielt nur, das hat er noch nie gemacht). Die Normannen waren erst - zu beiderseitigem Nutzen - eng mit dem Papst verbandelt, die Oströmer waren an einer guten Beziehung zum Bischof von Rom immer wieder sehr interessiert, wegen "Abstrahlung" auf die anderen westlichen Herrschaftsbereiche, aber auch im Hinblick auf eine Aufrechterhaltung/Wiedergewinnung der italischen Besitzungen. Auch das Bündnis mit dem Kaiser war ja nuneinmal wechselhaft, so daß der Französische König zum engen Verbündeten des Papstes wurde.

Der "Mehrwert" über einen bloßen Bischofssitz haben eine Mehrzahl starker Päpste mt ihrer Berufung auf die Nachfolge Petri, dann Christi aufgebaut. Ein Pfund, welches sich bei der Suche und Instrumentalisierung von Verbündeten immer wieder gern und mit Erfolg verwendeten.

Ja, werter Ulysses, ganz Unrecht habt Ihr in diesem Punkt nicht. Der Papst würde wahrscheinlich eine moralische Instanz bleiben - ob er machtpolitisch eine Größe geblieben wäre, ist eine andere Sache.

Sehen wir uns doch mal das theoretische Verhältnis zwischen Papst und einem deutschen König an, der an der Kaiserwürde kein Interesse zeigt. Womit kann der Papst einem solchen König drohen ? Die einzige direkte Waffe wäre eine Exkommunikation. Würde dies einen deutschen König aber wirklich stören ? Wenn ja, so hätte er da ein nichtmilitärisches aber doch probates Gegenmittel : Er richtet einfach ein Patriarchat von Trier, Mainz oder Köln ein und erklärt die deutsche Kirche für unabhängig vom Papst. Dieser Schritt würde seine Machtposition in Deutschland stärken.

Auch der Versuch der in dieser Zeit eher kläglichen westfränkischen Könige, die Kaiserkrone zu erlangen, würde zu einem Machtzuwachs des deutschen Königtums führen. Neben dem Effekt, dass der französische König ähnlichen Konzessionen an seine Vasallen hätte zustimmen müssen, um seine Romreisen zu organisieren, wäre er immer auf ein Stillhalten des deutschen Königs angewiesen gewesen. Dies war umgekehrt nicht der Fall, weil das französische Königtum in der Zeit eher ein Leichtgewicht war.

Gruss,

Hasardeur

Augustus Rex
04.01.07, 01:51
Das Problem bei diesem Gedankenspiel: Wir haben keinerlei Ahnung von der "öffentlichen Meinung" damals in den betroffenen Ländern.
Eine "veröffentlichte Meinung" haben wir, abgesehen von einigen höchst subjektiven Chroniken, auch nicht.

Spekulationen zu solchen Themen machen natürlich immer Spaß, aber es ist im konkreten Fall nicht abzusehen, welche Konsequenzen welche Handlung gehabt hätte.


Im Grunde läuft es doch die auf die Frage hinaus:
Wäre Deutschland auch so ein eigentümliches Land geworden, wenn es nicht dauerhaft mit dem Gedanken konfrontiert gewesen wäre, sein Herrscher sei der rechtmäßige Herr der bekannten Welt?
Oder wäre es noch eigentümlicher?

Hasardeur
04.01.07, 07:47
Das Problem bei diesem Gedankenspiel: Wir haben keinerlei Ahnung von der "öffentlichen Meinung" damals in den betroffenen Ländern.
Eine "veröffentlichte Meinung" haben wir, abgesehen von einigen höchst subjektiven Chroniken, auch nicht.

Spekulationen zu solchen Themen machen natürlich immer Spaß, aber es ist im konkreten Fall nicht abzusehen, welche Konsequenzen welche Handlung gehabt hätte.


Im Grunde läuft es doch die auf die Frage hinaus:
Wäre Deutschland auch so ein eigentümliches Land geworden, wenn es nicht dauerhaft mit dem Gedanken konfrontiert gewesen wäre, sein Herrscher sei der rechtmäßige Herr der bekannten Welt?
Oder wäre es noch eigentümlicher?

Wir Deutschen wären natürlich noch viel eigentümlicher ! :)

Abgesehen davon ist die öffentliche Meinung natürlich praktisch immer ein wichtiger Aspekt - allerdings haben wir es hier, so wie ich finde, mit einer Ausnahme zu tun !

Das Verhältnis des Adels wurde in dieser Zeit durch das Vasallitätsprinzip bestimmt. Die Leute waren aber einem deutschen König verpflichtet, der Kaiserstatus änderte nichts an den Vasallitätsbindungen.

Und der Rest vom Schützenfest ? Weit über 90% der Restbevölkerung lebte auf dem Land und hat wahrscheinlich niemals einen Radius von 30 km von ihrem Geburtsort aus gesehen verlassen. Öffentliche Meinung konnte sich bei dieser Bevölkerungsschicht nicht bilden, weil dazu der Informationsaustausch zu gering war.

Bleiben die Städte. Von denen gibt es in der Mitte des 10. Jahrhunderts in der ostfränkischen Reichshälfte nur wenige und diese verfügen noch nicht über bürgerliche Verfassungen. Also auch keien Gefahr von dieser Seite ! :)

Grüssle,

Hasardeur

Marc Aurel
04.01.07, 16:12
Es gibt noch einen anderen, noch viel wichtigeren Aspekt der Geschichte als die öffentliche Meinung, nämlich den Zufall.

ulysses
04.01.07, 19:16
...Spekulationen zu solchen Themen machen natürlich immer Spaß, aber es ist im konkreten Fall nicht abzusehen, welche Konsequenzen welche Handlung gehabt hätte...

Meine Rede :rauch:

Die Nichtkrönung von Otto hätte ja nun einmal nicht zwingend zur Folge gehabt, daß kein nachfolgender westfränkischer/deutscher König noch zum Westkaier gekrönt worden wäre.

Das Drohpotential des Papstes gegenüber jedem christlichen Herrscher folgte daraus, gleich ob beim Kaiser, König etc., daß er zu bannen und zu lösen vermochte und daß der Bischof von Rom bereits vor der Krönung Ottos eine Sonderstellung inne hatte. Als Nachfolger Petri verfügte er über ein höheres Ansehen als andere Bischöfe, was sich politisch und diplomatisch nutzen ließ. Mein Verweis auf "moralische" Machtmittel war weniger gemünzt auf Moral im eigentlichen Sinne, mehr auf die "Macht" seines Wortes. Ich glaube nicht, daß ein deutscher König den Papst durch einen deutschen Bischof hätte schlicht kalt stellen können. Ich halte den Gedanken für nicht unvertretbar, daß gerade nur der Kaiser - als Nachfolger Konstantins in der Tradition eines Schutzherren der Gemeinschaf der Christen und der Kirche - ein nennenswertes religiöses Gegengewicht zu entwickeln imstande war/gewesen wäre.

Zwar wurde, soweit ich mich erinnere, die Lehre vom "Segnungpool" zur Fürbitte durch alle Heiligen zur Verfügug der katholischen Kirche, geleitet vom Bischof zu Rom, erst später entwickelt. Einige Päpste hatten aber doch bereits Vorarbeit geleitet, diesen Bischofssitz deutlich herauszustellen, und einen erheblichen Machtanspruch begründet.

Die Bannung eines Herrschers mag uns heute weniger interessant erscheinen. Kaum hätte sich aber jeder König pp. ebenso fröhlich darüber hinweg gesetzt wie Friedrich II.

Die öffentliche Meinung - deren Einzelheiten für uns heute nicht nur nicht bekannt, sondern über weite Strecken nicht so recht nachvollziehbar sind - war seinerzeit eben darauf gegründet, daß die Trennung zwischen "real life" und religiösen Fragen nicht existierte. Die Leute warteten inbrünstig auf die körperliche Wiederkehr Christi und das jüngste Gericht (zur magischen Zahl 1.000); noch in den Kreuzzügen haben viele nicht so recht zwischen dem himmlischen Jerusalem und der Stadt in Palestina unterschieden. Und das betraf wohl nicht nur die "doofen Bauern" (etwaig im Forum kursierende Landwirte mögen mir an dieser Stelle vergeben :D ), sondern auch und nicht zuletzt die Adelskrieger, welche die politische Struktur der Feudalgesellschaft ausmachten. Vor der öffentlichen Meinung hätte sich aber jeder Adelsführer behaupten müssen, hätte eine Bannung des Königs durch den Papst ignorieren wollen.

Die westfränkischen König hatten, wiederum soweit ich mich erinnere, vor der Jahrtausendwende noch Schwierigkeiten, ihre Macht über die Ile de France hinaus zu behaupten und waren südlicher der Loire wohl mehr Vorsitzende ehrenhalber ohne echte Machtmöglichkeiten. Die Möglichkeiten zur faktischen Machtausübung waren aber auch für jeden anderen Herrscher einschließlich des ostfränkischen beschränkt. Was wäre ohne Kaiserkrönung aus der Reichskirchenordnung geworden?

Hasardeur
04.01.07, 23:04
Nun, die ganze Diskussion fokussiert sich etwas zu sehr auf das Verhältnis zwischen dem deutschen Herrscher und dem Papst.

Ich bleibe bei meiner These, dass das Papstum keinen politischen Einfluss auf ein deutschen Königstum ausüben hätte können, solange man auf die Versuchung der Kaiserkrone verzichtet.

Im extremsten Fall hätte sich ein deutscher König nominell der Herrschaft des byzantinischen Kaisers unterstellen können unter der Bedingung, wie bereits oben schon angedeutet, ein eigenes Patriarchat zu bekommen. Daraus hätte sich eine unabhängige Reichskirche entwickelt, die der Bevölkerung auch näher gestanden hätte, als irgend einem impertinenten Giftzwerg in einer italienischen Ruinenstadt.

Vielleicht ist es aber tatsächlich so, dass das Thema zu weit her geholt war.

Gruss,

Hasardeur

Marc Aurel
04.01.07, 23:28
Zu weit hergeholt ist das Thema wohl eindeutig :D
Und du denkst doch nicht wirklich, dass sich ein ostfränkischer König zum byzantinischen Vasallen gemacht hätte? Das ist völlig absurd und ich sehe auch keinen Grund, warum das tuen sollte.

Zwei Dinge lassen sich aber direkt schlussfolgern, was wäre, wenn Otto I. die Kaiserkrone abgelehnt hätte:
1. Wäre Otto der Dritte nie geboren.
2. Würden wir heute kein Nikolaus feiern und ohne Nikolaus gäbe es auch keinen Weihnachtsmann und auch kein Christkind und so wäre das Weihnachtsfest vielleicht nie kommerzialisiert worden.

Denn bei 1. war seine Mutter Theophanu eine byzantinische Prinzessin, die nur mit Otto II. vermählt wurde, um die Beziehungen zwischen Ost- und Westkaisern zu verbessern.
Und zweitens lässt sich auch einfach erklären, Theophanu soll den Nikolausbrauch im Reich verbreitet haben und der Weihnachtsmann ist aus dem Nikolaus entstanden, der Weihnachtsmann war so etwas wie die amerikanische Version des St. Nikolaus (Vergleiche: Santa Claus). Und das Christkind wurde von Martin Luther erfunden um einen evangelisches Gegenstück zum katholischen Nikolaus zu schaffen. Wie es in der Geschichte nun einmal so ist, war das Christkind bei den Katholiken weit beliebter als bei den Evangelisten :D

ulysses
05.01.07, 02:05
Ich denke, hier stimme ich dem werten Firenwolf zu: Warum hätte sich ein deutscher König dem Kaiser von Ostrom unterstellen sollen - dem dazu die westlichen Vorstellungen von Feudalität noch ziemlich fremd waren (waren im 10. Jahrhundert nicht Leute wie Phokas, Tzimiskes und Basileios der Bulgarenschlächter Kaiser? Das Christkind kannten sie auch nicht :D ). Eine Unterstellung unter die Ostkirche - vgl. das Schicksal der bulgarischen Kirche - wäre für einen ostfränkischen/deutschen Herrscher m. E. nicht denkbar gewesen.

Der hier von uns beredete Ansatzpunkt ist aber in der Tat sehr weit aus der Vergangenheit hergeholt, so daß die Frage nach den Änderungen der europäischen Entwicklung kaum zu beantworten ist. Schließlich sind es selten einzelne Punkte die eine Gesamtentwicklung anlaufen lassen oder verhindert.

Ich wiederhole meine Ausgangthese: Es wäre wohl im Ergebnis ziemlich ähnlich gekommen.

Marc Aurel
05.01.07, 02:27
Ich wiederhole meine Ausgangthese: Es wäre wohl im Ergebnis ziemlich ähnlich gekommen.

Nur hätten wir keinen Weihnachtsmann :cool:

Hasardeur
05.01.07, 07:40
Gut, dann haben wir immerhin das sauber herausgearbeitet - ohne Otto keinen Weihnachtsmann ! :D

Lassen wir es dabei bewenden !

Gruss,

Hasardeur