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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ruhrkampf und Freicorps



Vernichter
06.09.11, 22:08
Ja das ist tatsächlich eine schöne Reihe. Natürlich nur eine Interpretation, aber das sehr liebevoll. Man gibt sich Mühe einen Zeitgeist einzufangen, Millieus zu beleuchten das macht das ganze wesentlich interessanter als ein abhandeln von Jahreszahlen. Sie gehen ja sogar auf den Dadaismus ein, was für das Thema ganz nebensächlich ist :)

Man hätte sich nur gewünscht, wenn die "Volksabstimmungen" an den Grenzen und die Ruhrbesetzung behandelt ebenfalls worden wären. Dann hätten die Freikorps auch ein paar Dimensionen mehr bekommen können, als nur die übliche Rolle der bösen Widersacher der Republik.

Sigmund
06.09.11, 22:44
Richtig, die Rolle als Schlächter friedlich tagender Arbeiter ist schließlich willfähriger Dienst an der Republik und kein Widerstand. Was der Film eindrücklich zeigt ist wie realitätsnah damals die heute verlachte Sozialfaschismusthese war.

Vernichter
06.09.11, 23:10
Richtig, die Rolle als Schlächter friedlich tagender Arbeiter ist schließlich willfähriger Dienst an der Republik und kein Widerstand. Was der Film eindrücklich zeigt ist wie realitätsnah damals die heute verlachte Sozialfaschismusthese war.

Die Kommunisten um Luxemburg sind keineswegs friedlich gewesen und schon gar nicht Freunde der Weimarer Republik. Es ist die Tragödie von Weimar gewesen, dass sie von Anfang an, darauf angewiesen gewesen ist, ihre Feinde gegeneinander auszuspielen. Ja die These von Sozialfaschismus ist teilweise tatsächlich realiätstnahe gewesen, so wenn die KPD zusammen mit der NSDAP Berlin mit Streiks lahm legte. Aber das meinten wir gar nicht.

Eher ging es um die Rolle der Freikorps im Osten, also im Kampf gegen die Polen, bei der Verteilung der Erbmasse des Kaiserreichs und der Bekämpfung der Bolschewiken im Baltikum und Finnland. Genauso die spätere Rolle im Widerstand gegen die französische Besatzung im Rheinland, Ruhgebiet und der Saar. Aus deutscher Sicht sind die dort gespielten Rollen nach Abstrichen, zumindest genauso positiv zu werten, wie die Rolle der Kommunisten bei dem Scheitern des Kapp-putsches.

Sigmund
06.09.11, 23:28
Nicht friedlich kann vielleicht sagen. Das Besetzen eines Parteiorgans der MSPD welches offen zum Mord an führenden KPD-Mitgliedern aufgerufen hat ist jedenfalls kaum als "Aufstand" zu bezeichnen, auch wenn das im populären Geschichtsverständnis immer noch geschieht. Mein Kommentar bezog sich auch eher auf Massaker während des "Ruhraufstandes".

Die Tragödie von Weimar ist wesentlich das die MSPD ihre Feinde nicht erkannt hat. Während man einerseits gegen die Auslieferung von Kriegsverbrechern agiert hat (welche sich mit behandelten Putschen bedanken) lässt man andererseits keine Gelgenheit ungenutz Kommunisten oder auch USPDler zu ermorden. Es ist ja auch anzunehmen das die Morde an Liebknecht und Luxemburg mit Zustimmung der SPD-Führung geschahen. Die Republikfeindlichkeit der KPD und Teilen der USPD wurde wesentlich von der MSPD herbeigeführt. Schließlich hat diese bestimmt welche Form die neue Republik annehmen soll. Die SPD hat sich dabei nicht grundsätzlich anders verhalten als die Kuomintang, die Nationalsozialisten oder die Leninisten: Abweichler werden nach Möglichkeit erschossen. Die Möglichkeiten der MSPD waren dabei -zum Glück- beschränkt.

Alamann
06.09.11, 23:47
Nicht friedlich kann vielleicht sagen. Das Besetzen eines Parteiorgans der MSPD welches offen zum Mord an führenden KPD-Mitgliedern aufgerufen hat ist jedenfalls kaum als "Aufstand" zu bezeichnen, ...
Was soll das bedeuten. Fehlen da Wörter?


[...] Die SPD hat sich dabei nicht grundsätzlich anders verhalten als die Kuomintang, die Nationalsozialisten oder die Leninisten: Abweichler werden nach Möglichkeit erschossen. Die Möglichkeiten der MSPD waren dabei -zum Glück- beschränkt.

KPD und USPD fehlen in Eurer Aufzählung nur, weil es denen an Gelegenheit mangelte.

Ihr werdet die Rote Ruhrarmee doch hoffentlich nicht als zimperlich gegenüber Abweichlern bezeichnen.

Vernichter
06.09.11, 23:48
Nicht friedlich kann vielleicht sagen. Das Besetzen eines Parteiorgans der MSPD welches offen zum Mord an führenden KPD-Mitgliedern aufgerufen hat ist jedenfalls kaum als "Aufstand" zu bezeichnen, auch wenn das im populären Geschichtsverständnis immer noch geschieht. Mein Kommentar bezog sich auch eher auf Massaker während des "Ruhraufstandes".

Die Tragödie von Weimar ist wesentlich das die MSPD ihre Feinde nicht erkannt hat. Während man einerseits gegen die Auslieferung von Kriegsverbrechern agiert hat (welche sich mit behandelten Putschen bedanken) lässt man andererseits keine Gelgenheit ungenutz Kommunisten oder auch USPDler zu ermorden. Es ist ja auch anzunehmen das die Morde an Liebknecht und Luxemburg mit Zustimmung der SPD-Führung geschahen. Die Republikfeindlichkeit der KPD und Teilen der USPD wurde wesentlich von der MSPD herbeigeführt. Schließlich hat diese bestimmt welche Form die neue Republik annehmen soll. Die SPD hat sich dabei nicht grundsätzlich anders verhalten als die Kuomintang, die Nationalsozialisten oder die Leninisten: Abweichler werden nach Möglichkeit erschossen. Die Möglichkeiten der MSPD waren dabei -zum Glück- beschränkt.

Liebknecht und Luxemburg haben eine andere Republik ausgerufen gehabt, nicht die von Weimar, die Ziele und die Inhalte sind anderer Natur gewesen. Nüchtern betrachtet hatte die MSPD in der historischen Situation keine anderen Möglichkeiten gehabt, als mit den Freikorps zu paktieren. Dass die Anführer der Verlierer des dann ausgetragenen Bürgerkrieges ermordet wurden, gehört zu der gnadenlosen Logik solcher Auseinandersetzungen. Die Bolschewiken in Russland hatten aus der damaligen Situation heraus auch keine andere Wahl, als die Zarenfamilie umzubringen. Es galt einfach der Gegenseite ein Symbol zu nehmen, um ihren Willen zu brechen. Sicherlich unschön und aus heutiger Sicht nicht zu billigen, historisch gesehen aber nachvollziehbar.

Die Freikorps selbst sind auch ein heterogenes Gebilde gewesen und hatten wie gesagt genauso wie die KPD ihre positiven oder zumindest verständlichen Momente. Dass die Serie diese Momente ausblendetet ist natürlich klar. Da die Behandlung des Themas der Gebietsabtretungen und der allgemeinen Handlungen durch die Sieger, für die Macher wahrscheinlich nicht in das positive Bild des Westens und der polnischen Nachbarn passt. Es ist zwar nicht unbedingt so, dass man nun behaupten würde, die Phase der Grenzziehungen und der damit verbundenen Abstimmungen und Aufstände, sei durchweg positiv gewesen. Behandeln möchte man das Thema aber lieber nicht.





Die Weimarer Version konnte sich

Sigmund
07.09.11, 00:16
KPD und USPD fehlen in Eurer Aufzählung nur, weil es denen an Gelegenheit mangelte.


Das KPD und USPD nicht viel anders vorgegangen wären mag teilweise stimmen (in der DDR wurden SPDler nicht erschossen sondern eingereiht), was mich stört ist aber die völlig Einseitige Wahrnehmung wie sie in der gängigen Geschichtsbetrachtung geschieht, da stehen böse Republikfeinde einer SPD gegenüber, die offensichtlich mit der SPD von heute oder der vor 50 Jahren verwechselt wird, die "das System" -also sich selbst- verteidigt und überhaupt ganz menschenfreundlich ist. Und da herrscht eben eine Diskrepanz zur Realität.

dem edlen Vernichter habe ich auch nicht mehr zu sagen. ;)

edit: Das Parteiorgan ist der Vorwärts. Jetzt klar?

Alamann
07.09.11, 00:27
edit: Das Parteiorgan ist der Vorwärts. Jetzt klar?

Ach so, Wir dachten damit sei eine Person gemeint gewesen. Haben Wir deswegen natürlich nicht verstanden.

Vernichter
07.09.11, 00:27
Das KPD und USPD nicht viel anders vorgegangen wären mag teilweise stimmen (in der DDR wurden SPDler nicht erschossen sondern eingereiht), was mich stört ist aber die völlig Einseitige Wahrnehmung wie sie in der gängigen Geschichtsbetrachtung geschieht, da stehen böse Republikfeinde einer SPD gegenüber, die offensichtlich mit der SPD von heute oder der vor 50 Jahren verwechselt wird, die "das System" -also sich selbst- verteidigt und überhaupt ganz menschenfreundlich ist. Und da herrscht eben eine Diskrepanz zur Realität.

Wenn man die Republik grundsätzlich als etwas Positives ansieht, so ist die Rolle der SPD positiv zu werten. Dass sie dafür hat morden müssen, wird deswegen heute nicht hervorgehoben, weil die heutige Gesellschaft, ein sagen wir mal etwas interessantes Verhältnis zu der Anwendung von Gewalt hat, gerade im Rahmen der Historie. Weiter werden wir es aber nicht ausführen, denn da haben wir gerade etwas in der Frage sehr interessantes entdeckt: http://www.ureader.de/msg/1493139479.aspx
Und wir haben weder Lust, noch Geld, noch Zeit, durch alle Instanzen zu klagen, nur weil man heute anscheinend der Meinung ist, Gesetze bis -überdehnen zu müssen.

Sigmund
07.09.11, 00:32
Doch noch mal interessehalber:
@Alamann: Ruhrarmee und Abweichler? Ein Link würde mich erhlich interessieren.
@Vernichter: Ich weiß nicht was an gemeinsamen Streiks von Kommunisten und Nazis immer so Sensationell sein soll und erst recht nicht inwiefern das für eine Sozialfaschismusthese sprechen würde.

Vernichter
07.09.11, 00:36
Doch noch mal interessehalber:
@Alamann: Ruhrarmee und Abweichler? Ein Link würde mich erhlich interessieren.
@Vernichter: Ich weiß nicht was an gemeinsamen Streiks von Kommunisten und Nazis immer so Sensationell sein soll und erst recht nicht inwiefern das für eine Sozialfaschismusthese sprechen würde.

Es ist ein Witz gewesen, denn wir halten die ganze Sozialfaschismusthese für Propaganda, zumindest wenn man eine bürgerliche Demokratie nicht für perse latent faschistisch erklärt, wie es die Kommunisten getan haben. Dass die SPD auch die späteren Aufstände der KPD unterdrücken liess kann man ihr nur schwerlich vorwerfen.

Sigmund
07.09.11, 00:51
Das kommt natürlich wieder auf den Begriff der bürgerlichen Demokratie an. Und doch, natürlich kann man es der SPD vorwerfen wenn wie gesagt z.T. friedlich beratende Arbeiter(familien) von von der SPD beauftragten Freikorpslern massakriert werden und die SPD nicht einmal protestiert.
Man sollte bei der "bürgerlichen Demokratie" auch nicht vergessen das die MSPD den Marxismus fest im Grundsatzprogramm hatte. Mit welcher Rechtfertigung will man da auf Arbeiter schießen die genau dies fordern? Das die MSPD koninuierlich Stimmen verloren hat wird heute auch gerne zum abnehmenden Demokratievertrauen gedeutelt. Im Grunde ist es die normale Quittung für eine Politik die sich von der Basis meilenweit entfernt hat (nicht nur in der Marxismusfrage sondern in allen sozialen Belangen).

Vernichter
07.09.11, 01:25
Es erscheint uns immer wieder belustigend, dass die Gegner der damaligen Republik zwar für sich meinten herausnehmen zu können, das "System", abseits von Abstimmungen, gewaltsam und rechtswidrig anzugehen, ähnliche Massnahmen oder bewaffnete Gegenwehr der Gegenseite aber als Verbrechen anprangerten. Wobei wir ehrlich gesagt nicht wüssten, wie man den Wechsel von Kaiserreich zur Republik überhaupt in Rechtskategorien fassen möchte. Anscheinend haben in Deutschland tatsächlich sogar Revolutionen geordnet abzulaufen.

Streng genommen sah die Verfassung des Reiches einen solchen Wechsel nicht vor und somit sind sowohl die Räterepublik Liebknechts, als auch "Weimar" mit einer ähnlichen Legimitätsbasis gestartet. Weimar hat sich anschliessend gewaltsam gegen seine ebenfalls auf Gewalt setzenden Gegner durchgesetzt. Eine Volksabstimmung nach heutigen Massstäben, ist von keiner Seite vorgesehen gewesen. Danach galten die Regeln von Weimar als die Struktur innerhalb dessen Deutschland, gewaltfrei, politisch gestaltet werden sollte. Eine Struktur, dass bei entsprechenden Mehrheiten auch seine faktische Beseitigung ermöglichte. Freilich gab es auch danach keinen Zwang, die Verbindlichkeit dieser Struktur für sich gelten zu lassen, genauso wie es keinen Zwang gibt, heute die Verbindlichkeit des ebenfalls nicht aus einer Volksabstimmung hervorgegangenen Grundgesetzes, anzuerkennen. Der Versuch diese Struktur aber gewaltsam zu beseitigen, muss aber mit Widestand rechnen und man darf dann theoretisch auch keinerlei Pardon oder eine Einhaltung von irgendwelchen Regeln erwarten. Faktisch wird sich das System in der Regel natürlich dennoch an die von ihm selbst gesetzten Regeln halten. Die mögliche Nichteinhaltung ist aber dann kein Beweis gegen das "Struktur", sondern lediglich ein Beweis gegen einzelne Individuen. Mit anderen Worten, nur weil einzelne Vertreter Der SPD gegen die von ihnen selbst gesetzten Regeln verstiessen, ist Weimar als System noch lange nicht de-legitimiert gewesen.

Alamann
07.09.11, 01:51
Doch noch mal interessehalber:
@Alamann: Ruhrarmee und Abweichler? Ein Link würde mich erhlich interessieren.

Das bezieht sich darauf:


Die SPD hat sich dabei nicht grundsätzlich anders verhalten als die Kuomintang, die Nationalsozialisten oder die Leninisten: Abweichler werden nach Möglichkeit erschossen. Die Möglichkeiten der MSPD waren dabei -zum Glück- beschränkt.

Wir nehmen an, dass die Ruhrarmee zu wenig Zeit und Gelegenheit hatten. Mehr Hemmungen als Reichswehr und Freikorps hatten sie aber offensichtlich wirklich.



Dieser Link könnte Euch interessieren:
http://www.triller-online.de/g0265.htm
(Der Autor ist nur leider völlig fanatisch. An anderen Stellen sind die Formulierungen schon recht entlarvend.)


Infolge des überraschenden, spontanen Ausbruchs des bewaffneten Kampfes machten sich diese Elemente frühzeitig bemerkbar. Schon im Zusammenhang mit den Gefechten um Wetter und Herdecke stellte ein Funktionär der USPD fest: „Leider machte sich in diesem Kampf hinter unserer Front bereits ein Marodeurtum bemerkbar, das der Arbeiterklasse später an die Rockschöße gehängt wurde, mit dem sie aber in Wirklichkeit nichts zu tun hatte. Wir mussten damals auf die Marodeure schießen lassen."(56)
Die Rote Armee erkannte die Gefahr, die ihr durch Plünderer drohte, und ging rücksichtslos gegen sie vor. In einem Reglement der Roten Armee lesen wir: „Jedermann, welcher der Roten Armee beigetreten ist, hat sich auf den Boden des revolutionären Proletariats gestellt. Wem nachgewiesen wird, dass es nur aus unlauteren Absichten (geschah - O. H.), die unsere heilige Sache schädigen könnten, (gegen den - O. H.) wird mit der strengsten Strafe vorgegangen (Todesstrafe)."(57) Nach der Erstürmung Essens wurde dort ein Flugblatt der Roten Armee verbreitet, in dem es hieß: „Rauben, Marodieren und Plündern wird mit dem Tode bestraft."(58) Dass diese Warnungen nicht nur auf dem Papier standen, zeigen folgende Beispiele: In einem Falle wurde eine regelrechte Räuberkompanie von revolutionären Arbeitersoldaten aufgerieben. In Essen wurden von der Arbeiterwehr Plünderer niedergeschossen, die versuchten, in ein Geschäft einzudringen. Als Organ gegen solche Erscheinungen wurde an fast allen Fronten eine Rote Feldgendarmerie geschaffen.

Sigmund
07.09.11, 09:42
@Vernichter: es geht mir doch nicht darum die Weimarer Republik zu delegitimieren. Ich wollte nur auf das verlogene Geschichtsbild unserer Sozialdemokratischen Gesellschaft hinaus, wo ihr mir ja im Grunde recht gebt.

@Alamann: Danke. :)

Vielen Dank auch an Preußenhusar für die Mühe des Auslagerns.

Vernichter
07.09.11, 23:40
@Vernichter: es geht mir doch nicht darum die Weimarer Republik zu delegitimieren. Ich wollte nur auf das verlogene Geschichtsbild unserer Sozialdemokratischen Gesellschaft hinaus, wo ihr mir ja im Grunde recht gebt.

@Alamann: Danke. :)

Vielen Dank auch an Preußenhusar für die Mühe des Auslagerns.

Es läuft immer wieder auf das Selbe hinaus, dass man versucht die historischen Fakten an die Theorie anzupassen, häufig genug in das Absurde hinein. Der Gute muss immer absolut gut sein, genauso wie der Böse immer total verkommen zu sein hat. Sicherlich haben die damaligen Sozialdemokraten Gewalt angewandt oder anwenden lassen und auch an bestimmten Stellen die Augen vor Verbrechen zugemacht. Das aufzuzeigen wäre sogar in der Hinsicht wichtig, weil damit der Kontrast zu den heute vertretenen Werten und Haltungen der Verteidiger der Demokratie deutlich werden würde.

Damit würde auch die These, dass Weimar eine Demokratie ohne Demokraten gewesen sei, einen anderen Beiklang bekommen. Momentan klingt es nämlich so, als ob die Republik an einer zu niedrigen Wahlbeteiligung, zu wenigen Demonstrationen und einem Mangel an Sitzblockaden und Lichterketten gescheitert sei. Häufiger kommt die These zusammen mit dem in Bedauern geäusserten Satz, dass der entscheidende Fehler der SPD gewesen sei, den Bruch mit den alten Eliten, den republikfeindlichen Beamtenapparat und Reichswehr nicht gewagt zu haben. Auch nie wirklich zu Ende ausformuliert, als ob man von einer falsch getroffenen Koalitionsentscheidung nach Bundestagswahlen sprechen würde. Ganz so als hätten die Personenkreise, mit denen hätte gebrochen werden müssen, eine solche Entscheidung einfach so akzeptiert.

Manchmal ist es schon verwunderlich, zu welchen Verrenkungen man bereit ist, um das eigene pazifistische Weltbild nicht zerstören zu müssen.

Thomasius
08.09.11, 06:48
Mir fällt zu der ganzen Diskussion nur einer meiner Lieblingssprüche ein(ka von wem der ist).
"Geschichte sind die Lügen auf die man sich 30 Jahre danach einigt"
Das ist sicher übertrieben, aber auch garnicht soweit soweit entfernt von der Wahrheit.

Deswegen schreiben Politiker auch alle noch schnell ihre Memoiren um ihre Lügen zur Geschichte zu machen ehe es die Lügen von anderen werden.

Alamann
26.09.11, 10:13
Wenn manche einen Erfolg von Organisationen wie der Ruhrarmee in Deutschland gern gesehen hätten, darf die militärische Übermacht der Entente nicht vergessen werden.

Wie hätte sich die Entente verhalten, hätten sich USPD und KPD in Deutschland durchgesetzt?
Wir vermuten es wäre nur ein willkommener Anlass gewesen, doch noch nach Berlin zu ziehen und das auch noch mit der Unterstützung eines großen Teils der deutschen Bevölkerung. Deshalb behaupten Wir, je schneller der kommunistische Aufstand niedergeschlagen wurde desto besser. Ein Gewähren lassen hätte die Gesamtsituation und die Folgen wahrscheinlich nur verschlimmert und Aussicht auf mehr als kurzfristigen Erfolg gab's nun mal nicht.
Ob's halt wirklich so "nachhaltig" hat sein müssen? Das Arbeiterabschießen kommt Uns selbst für eine effektive Kriegsführung übertrieben und eher mit reiner Mordlust erklärbar vor.

Vernichter
26.09.11, 11:21
Wenn manche einen Erfolg von Organisationen wie der Ruhrarmee in Deutschland gern gesehen hätten, darf die militärische Übermacht der Entente nicht vergessen werden.

Wie hätte sich die Entente verhalten, hätten sich USPD und KPD in Deutschland durchgesetzt?
Wir vermuten es wäre nur ein willkommener Anlass gewesen, doch noch nach Berlin zu ziehen und das auch noch mit der Unterstützung eines großen Teils der deutschen Bevölkerung. Deshalb behaupten Wir, je schneller der kommunistische Aufstand niedergeschlagen wurde desto besser. Ein Gewähren lassen hätte die Gesamtsituation und die Folgen wahrscheinlich nur verschlimmert und Aussicht auf mehr als kurzfristigen Erfolg gab's nun mal nicht.
Ob's halt wirklich so "nachhaltig" hat sein müssen? Das Arbeiterabschießen kommt Uns selbst für eine effektive Kriegsführung übertrieben und eher mit reiner Mordlust erklärbar vor.

Ist sie ja auch, weil die Freicorps keine regulären Truppen gewesen sind, eher Landsknechte. Nur hatte die Regierung kaum andere "Waffen".

Sigmund
26.09.11, 12:31
Ihr meint die Freikorpsler hätten sich Zweifelsfall mit den Franzacken zusammengesteck? Und davon abgesehen, was hätten die denn in Berlin gewollt? Noch höhere Reparationszahlungen, wo die alten schon nicht geleistet werden konnten? Ich glaube eher bevor sich ein drohendes Bündnis SU-DR angebahnt hätte währen alle Beschränkungen der Reichswehr und Freikorps von alliierter Seite ganz schnell, gestrichen worden.

Das wäre ja wenn ich das so geschmacklos sagen darf ein schönes Szenario für ein was-wäre-wenn Spiel. Statt ewigem 2. Weltkrieg. ;)

Vernichter
26.09.11, 12:45
Ihr meint die Freikorpsler hätten sich Zweifelsfall mit den Franzacken zusammengesteck? Und davon abgesehen, was hätten die denn in Berlin gewollt? Noch höhere Reparationszahlungen, wo die alten schon nicht geleistet werden konnten? Ich glaube eher bevor sich ein drohendes Bündnis SU-DR angebahnt hätte währen alle Beschränkungen der Reichswehr und Freikorps von alliierter Seite ganz schnell, gestrichen worden.

Das wäre ja wenn ich das so geschmacklos sagen darf ein schönes Szenario für ein was-wäre-wenn Spiel. Statt ewigem 2. Weltkrieg. ;)

Die Freikorpsler nicht. Aber die Idee eines Rheinstaates wäre vielleicht Wirklichkeit geworden. Das wäre viel toller als Reparationszahlungen gewesen.

Alamann
26.09.11, 12:59
@ Sigmund
Wir denken schon, dass gegen eine deutsche Räterepublik sogar Franzosen willkommene Verbündete gewesen wären.

Anton
26.09.11, 15:08
Ganz so als hätten die Personenkreise, mit denen hätte gebrochen werden müssen, eine solche Entscheidung einfach so akzeptiert.

Ich glaube nicht, dass Leute wie Groener mit den Sozialdemokraten paktiert hatten, weil sie eine allzugroße Auswahl hatten. Ob es bei einer gemeinsamen SPD-USPD-KPD-Regierung zu einem Bürgerkrieg gegen die konservativen Kräfte gekommen wäre, kann wohl keiner genau sagen. Immerhin lehrt die Erfahrung, dass die Organisation von Widerstand gegen die Regierung etwas Zeit erfordert - und Deutschland ist deutlich überschaubarer als Russland.

Freilich, die "Weißen" in Deutschland hätten von der Entente viel besser unterstützt werden können als die in Russland. Hatte die Entente aber überhaupt noch die Resourcen, um groß einzugreifen? Immerhin konnte man nicht einmal die türkische Republik zu irgendwas zwingen. Und hätten die überhaupt zugunsten der Nationalisten eingreifen wollen? Den Weißen in Russland war man als Verbündeter verpflichtet. Die Roten in Deutschland wären hingegen die Partner für ein deutsches Brest Litowsk.

Vernichter
26.09.11, 23:11
Ich glaube nicht, dass Leute wie Groener mit den Sozialdemokraten paktiert hatten, weil sie eine allzugroße Auswahl hatten. Ob es bei einer gemeinsamen SPD-USPD-KPD-Regierung zu einem Bürgerkrieg gegen die konservativen Kräfte gekommen wäre, kann wohl keiner genau sagen. Immerhin lehrt die Erfahrung, dass die Organisation von Widerstand gegen die Regierung etwas Zeit erfordert - und Deutschland ist deutlich überschaubarer als Russland.

Freilich, die "Weißen" in Deutschland hätten von der Entente viel besser unterstützt werden können als die in Russland. Hatte die Entente aber überhaupt noch die Resourcen, um groß einzugreifen? Immerhin konnte man nicht einmal die türkische Republik zu irgendwas zwingen. Und hätten die überhaupt zugunsten der Nationalisten eingreifen wollen? Den Weißen in Russland war man als Verbündeter verpflichtet. Die Roten in Deutschland wären hingegen die Partner für ein deutsches Brest Litowsk.

Meinen wir ja auch. Man hätte einfach die Rheinlandrepublik ausgerufen und den Rest sich selbst überlassen.

Anton
27.09.11, 23:28
Meinen wir ja auch. Man hätte einfach die Rheinlandrepublik ausgerufen und den Rest sich selbst überlassen.

Wäre wahrscheinlich das Beste gewesen für Deutschland, mittelfristig...

Vernichter
27.09.11, 23:39
Wäre wahrscheinlich das Beste gewesen für Deutschland, mittelfristig...

Würden wir in der Form verneinen, da der Nationalsozialismus auch ab da nicht zwangsläufig gewesen ist. Wenn man so argumentiert, so wäre die Niederlage "langfristig" besser gewesen, bis hin bis zu einem anderen Ausgang der Varusschlacht. Zumal nicht gesagt ist, dass es nicht anders sogar noch "schlimmer" gekommen wäre.

Anton
28.09.11, 14:25
Würden wir in der Form verneinen, da der Nationalsozialismus auch ab da nicht zwangsläufig gewesen ist. Wenn man so argumentiert, so wäre die Niederlage "langfristig" besser gewesen, bis hin bis zu einem anderen Ausgang der Varusschlacht. Zumal nicht gesagt ist, dass es nicht anders sogar noch "schlimmer" gekommen wäre.

Die Weimarer Republik, wie sie kam, musste scheitern. Sie war ein Zugeständnis der Eliten an die aus der Kriegsmüdigkeit geborene, einmalig revolutionäre Situation. Eine stabile Staatsordnung braucht aber Eliten, die an ihrem Erhalt interessiert wären. Wenn man das Gemeinwesen nicht auf Sand bauen will, muss man daher die Eliten ersetzen - durch Sozialisten im Rot-Deutschland und "Weiße" in einer reaktionären Rheinrepublik, meinetwegen. Es wäre ja keineswegs gesagt, dass die Deutsche Räterepublik in Stalin hätte münden müssen.

Auch ist nicht gesagt, dass die Sozialdemokratie sich in Januar 1919 auf Gedeih und Verderb an die Reichswehr gekettet hatte. Sie war an der Macht und wäre wahrscheinlich in der Lage, mitunter auch die Justiz zu reformieren. Wären härtere Strafen für rechte Staatsfeinde wie den Mörder von Eisner, für die Consul-Gruppe, für Kapp, Hitler und Ludendorff nicht durchsetzbar gewesen? Wo der Wille ist, muss auch ein Weg sein. Dadurch aber, dass der Weiße Terror im sozialdemokratischen Deutschland toleriert wurde, ist der Aufstieg der Nazis erst möglich geworden.

Vernichter
28.09.11, 23:47
Die Weimarer Republik, wie sie kam, musste scheitern. Sie war ein Zugeständnis der Eliten an die aus der Kriegsmüdigkeit geborene, einmalig revolutionäre Situation. Eine stabile Staatsordnung braucht aber Eliten, die an ihrem Erhalt interessiert wären. Wenn man das Gemeinwesen nicht auf Sand bauen will, muss man daher die Eliten ersetzen - durch Sozialisten im Rot-Deutschland und "Weiße" in einer reaktionären Rheinrepublik, meinetwegen. Es wäre ja keineswegs gesagt, dass die Deutsche Räterepublik in Stalin hätte münden müssen.

Auch ist nicht gesagt, dass die Sozialdemokratie sich in Januar 1919 auf Gedeih und Verderb an die Reichswehr gekettet hatte. Sie war an der Macht und wäre wahrscheinlich in der Lage, mitunter auch die Justiz zu reformieren. Wären härtere Strafen für rechte Staatsfeinde wie den Mörder von Eisner, für die Consul-Gruppe, für Kapp, Hitler und Ludendorff nicht durchsetzbar gewesen? Wo der Wille ist, muss auch ein Weg sein. Dadurch aber, dass der Weiße Terror im sozialdemokratischen Deutschland toleriert wurde, ist der Aufstieg der Nazis erst möglich geworden.

Die Sozialdemokraten von Weimar sind halt über weiter Stecken Bürgerliche aus dem Kaiserreich gewesen, also Liberale und die sind bekanntlich dafür bekannt, "den Mördern die Tür selbst aufzumachen".

Alamann
07.10.11, 14:48
Freilich, die "Weißen" in Deutschland hätten von der Entente viel besser unterstützt werden können als die in Russland. Hatte die Entente aber überhaupt noch die Resourcen, um groß einzugreifen?
Nein, deswegen haben deutsche Regierung und Militärführung die Versailler Bedingungen akzeptiert :rolleyes:

Immerhin konnte man nicht einmal die türkische Republik zu irgendwas zwingen.
Für griechische Ansprüche ein Land angreifen, das eine Grenze zum damaligen Bürgerkriegsrussland hatte. Warum das? Alexandrette hatte die Türkei an das französische Syrien abgetreten.

Und hätten die überhaupt zugunsten der Nationalisten eingreifen wollen? Den Weißen in Russland war man als Verbündeter verpflichtet. Die Roten in Deutschland wären hingegen die Partner für ein deutsches Brest Litowsk.
Noch besser, dann hätte die Links-Links-Regierung im Restdeutschland sicher eine sehr stabile und befriedigende Herrschaft ausüben können :rolleyes:


Wären härtere Strafen für rechte Staatsfeinde wie den Mörder von Eisner, für die Consul-Gruppe, für Kapp, Hitler und Ludendorff nicht durchsetzbar gewesen?
Die Aktionen von kommunistischen Gruppen, wie eben zum Beispiel der Ruhr-Armee, die in der Bevölkerungsmehrheit die Kommunistenangst gesteigert hat,
hat es bestimmt nicht leichter gemacht gegen Verbrechen von Rechts mit der nötigen Härte vorzugehen. Das Der-Feind-meines-Feindes-bekommt-meine-unhinterfragte-Unterstützungs-Prinzip ist halt ziemlich dämlich ;)

Sigmund
12.10.11, 12:11
Da schmeiß ihr wohl zeitlich was durcheinander. Sinniger könnte man noch sagen: Nachdem bewiesen war das rechte Terroristen keine Gesetze zu fürchten haben erkannte man bei den Kommunisten die Aussichtslosigkeit des Rechtsweges. Ist natürlich polemisch, aber stimmiger als eure Version.

Vernichter
13.10.11, 00:29
Da schmeiß ihr wohl zeitlich was durcheinander. Sinniger könnte man noch sagen: Nachdem bewiesen war das rechte Terroristen keine Gesetze zu fürchten haben erkannte man bei den Kommunisten die Aussichtslosigkeit des Rechtsweges. Ist natürlich polemisch, aber stimmiger als eure Version.

Uns ist keine vorübergehende Zurückhaltung der Linken bekannt. Es sei denn man erkannte die Aussichtslosigkeit schon mit der Gründung der Republik. Aber wie soll die Beseitigung eines Systems aus "Rechtswege" schon funktionieren? Solche Sentimentalitäten sind auch der Linken fern gewesen. Wenn man in Weimar eine Mehrheit im Reichstag errungen hätte, so wäre es auch in diesem Falle die letzte Wahl nach Regeln von Weimar gewesen. Wenn man durch einen Aufstand an die Macht hätte kommen können, so hätte man dann ebenfalls keine nachträgliche Zustimmung der Bevölkerung eingeholt. Wieso auch? Der Wille des Volkes manifestierte sich ja bereits durch die Revolution. Das einzelne Individuum dagegen konnte als durch die Kapitalisten manipuliert betrachtet werden, wenn es nicht gleich ein Klassenfeind gewesen ist.

Die KPD stellte genauso wie die NSDAP von Anfang an die Systemfrage, ansonsten wäre man ja bei der SPD geblieben.

Sigmund
13.10.11, 15:01
Verquere Sicht. Dachte bisher jeder, die KPD stünde für eine Räterepublik, wisst ihr es nun offenbar besser. Und die "Sentimentalitäten", auf deutsch Volksfrontregierungen hat es in der europäischen Nachbarschaft sehr wohl gegeben. Das dies in Deutschland nicht möglich war lag eben in erster Linie an der SPD . Die stalinistische Linie der Partei kam eben erst später, bedingt gerade auch durch die Ermordung der vormals gemäßigteren Führung.

Vernichter
13.10.11, 23:48
Verquere Sicht. Dachte bisher jeder, die KPD stünde für eine Räterepublik, wisst ihr es nun offenbar besser. Und die "Sentimentalitäten", auf deutsch Volksfrontregierungen hat es in der europäischen Nachbarschaft sehr wohl gegeben. Das dies in Deutschland nicht möglich war lag eben in erster Linie an der SPD . Die stalinistische Linie der Partei kam eben erst später, bedingt gerade auch durch die Ermordung der vormals gemäßigteren Führung.

Die Räterepublik ist aber nicht Weimar und in ihre schöne Zukunft hätten nicht alle mitkommen können. Dazu braucht man nicht Stalin, Lenin reicht vollkommen. Die in dem Sinne Gemässigten sind ja die Sozialdemokraten gewesen. Gut wenn man die Ermordung von Luxemburg und Liebknecht als Wendepunkt setzen möchte, so ist Weimar noch weniger schuld zu geben, da sich Weimar da noch nicht etabliert hatte. Und wenn man doch eine Schuld geben möchte, so nur in dem Sinne, dass man die Vertreter eines Konkurrenzentwurfs beseitigt hatte. Wieso sich Liebknecht und Luxemburg auch nach einer Niederlage mit dem Weimarer System hätten abfinden sollen, entzieht sich unserem Verständnis. Es ist ja für beide Seiten kein Spiel gewesen. Aus Sicht der Führer der USPD ist mit einer bürgerlichen Republik kein Sozialismus herbeizuführen gewesen. Sie musste zwangsläufig weg. Jede Zusammenarbeit konnte da nur taktischer Natur sein.

Edith: Die Volksfrontregierungen sind in der Theorie der Zeit als taktisch notwendig erklärt worden. Genauso wie die Kommunisten im russischen und spanischen Bürgerkriegen aus taktischen Erwägungen mit Anarchisten und Sozialdemokraten gegen die Weissen aus taktischen Gründen agierten. Der Bruch des Bündnisses war da schon beim Handschlag zum Pakt, in dem Sinne.