PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mit Byzanz das Imperium Romanum wiederherstellen - realistisch?



JBJ83
29.01.16, 12:49
Hallo!

Ich wende mich an alle Geschichtsexperten hier: Ich habe auf Schwierigkeitsgrad "normal" circa 800 nach Christus mit dem byzantnischen Kaiserreich gestartet und jetzt nach circa 200 Jahren das Imperium Romanum neu gegründet. Jetzt frage ich mich wie das in der Realität ausgesehen hätte: Hat Byzanz in der Realität die Chance gehabt Rom wieder neu ins Leben zu rufen? Wäre das möglich oder total unrealistisch gewesen?

Ich bin kein Geschichtsexperte und mich würde eure Meinung interessieren.

Montesquieu
29.01.16, 13:10
Ist natürlich ein sehr großes Was-Wäre-Wenn.

Sicherlich wäre es nicht möglich gewesen, das Imperium Romanum wieder herzustellen. Dazu waren die die Völkerwanderungsreiche gekommen, um zu bleiben und der Islam hat sich doch noch gehalten.

Was ich eventuell noch für möglich halte, wäre eine mögliche Rückeroberung Italiens gewesen, wenn es das Schisma nicht gegeben hätte, der Papst keine große Rolle gespielt hätte und damit keine Verbindung Italien-Deutschland bestanden hätte. Dazu hatte Ostrom noch genug Power, gerade im 8 Jahrhundert. Aber wollten Sie das überhaupt? Was war denn Rom da noch? Leider nichts mehr großes ...

Aber hätte, hätte Fahradkette ...

Karl Quenzer
29.01.16, 13:54
Mh. Ich antworte mal, nicht als Geschichtsexperte, sondern als leidenschaftlicher Klugscheisser.

Grundsätzlich denke ich das ist eine Zeit, in der an Eroberungen vieles möglich war. Sehr viel hängt von Erbfolgen und der Loyalität einer überschaubaren Anzahl Männer zu einer Herrschaft ab. Die Kreuzfahrer konnten sich zB in der Levante festsetzen, weil die Muslimischen Herrscher untereinander verfeindet waren. Als Saladin wieder eine relative Einheit herstellen konnte hatten die Kreuzfahrer nichts mehr zu lachen. Es hängt also sehr viel davon ab, wer gerade wie viel Unterstützung in seinem eigenen Herrschaftsbereich hält. Im angesprochenen Zeitraum hat auch ein Rurik mit einer wohl überschaubaren Anzahl Kriegern quasi über halb Osteuropa geherrscht. Samo ist ein frühes ähnliches Beispiel.

Das Problem ist da nicht so sehr die Eroberung, sondern die Integrierung der eroberten Gebiete in ein Reich. Nationbuilding, sozusagen. Die Herrschaft müsste so gefestigt sein, dass sie auch mehrere eher schwache Herrscher übersteht. Da sehe ich dann eher schwarz. Der Islam und der Katholizismus waren als gemeinsamer Identifikationsstifter integrierend genug, um einen "heidnischen" Herrscher ziemlich scheisse zu finden. Der Papst hatte sich da schon als religiöser Führer der katholischen Christenheit fest etabliert, jeder Beherrschung Roms durch Heiden hätte da zu einer Reaktion geführt, gegen die die Kreuzzüge wohl eher klein ausgefallen sind. Dazu war der Byzantinische Hof sprichwörtlich intrigant. Inwiefern sich das zugunsten einer nationalen Einheit ändern lassen sollte? Keine Ahnung.

Dann der Druck von aussen. Es müssten ja nicht nur massiv Gebiete erobert werden, sondern auch immer wieder Türken/Mongolen whatever zurückgeschlagen werden. Die Song-Dynastie ist ebenfalls zusammengebrochen, das wäre an Entwicklung und Staatlichkeit vielleicht das passendste Beispiel in der Epoche. Dazu kamen dann die Expansionsgelüste zB Venedigs.

Letztlich ist es aber sehr schwer da Prognosen abzugeben. Um 600 hätte niemand im Reich erahnt, dass bald weite Teile des Reiches von einer noch zu gründenden obskuren Sekte beherrscht werden. Um das Jahr 1000 hätte sich niemand im Reich träumen lassen, dass Zentralanatolien bald von Türken besiedelt ist. Und um 1300 hätte wohl niemand gedacht, dass die Türken Anatoliens bald selbst eine Art Reichsgründung vollziehen. Ich denke die spektakulären Niederlagen hätten mit mehr "Glück" auch in verschmerzbare umgemünzt werden können und das Byzanz letztlich untergegangen ist hätte genausogut anders kommen können. Aber eine Rückeroberung der Römischen Reiches halte ich zu den gegebenen Umständen um 800 für extrem unwahrscheinlich.

JBJ83
29.01.16, 14:03
Vielen lieben Dank dass Ihr mir das etwas näher gebracht habt!

Hjalfnar
29.01.16, 15:12
Als entscheidenderen Faktor hätten Wir weniger das Christentum gesehen (immerhin, Byzanz ist christlich-orthodox) als vielmehr das byzantinische Herrschaftssystem und den Islam. Ein geeinter Islam? Wird nix mit römischem Reich. Permanente Intrigen, gestürzte Kaiser und Mord an den Nachfolgern? Nee, das wird auch nix.

JBJ83
29.01.16, 17:41
Ich hätte noch eine andere Frage: Was sind denn genau die Unterschiede bei den Schwierigkeitsgrade bei Crusader Kings 2? Kann mir das vielleicht noch jemand erklären.

Vernichter
30.01.16, 07:03
Ist natürlich ein sehr großes Was-Wäre-Wenn.

Sicherlich wäre es nicht möglich gewesen, das Imperium Romanum wieder herzustellen. Dazu waren die die Völkerwanderungsreiche gekommen, um zu bleiben und der Islam hat sich doch noch gehalten.

Was ich eventuell noch für möglich halte, wäre eine mögliche Rückeroberung Italiens gewesen, wenn es das Schisma nicht gegeben hätte, der Papst keine große Rolle gespielt hätte und damit keine Verbindung Italien-Deutschland bestanden hätte. Dazu hatte Ostrom noch genug Power, gerade im 8 Jahrhundert. Aber wollten Sie das überhaupt? Was war denn Rom da noch? Leider nichts mehr großes ...

Aber hätte, hätte Fahradkette ...

Byzanz eroberte Italien zurück, konnte es aber nicht halten.

Vorstellbar ist Alles. Die Entstehung des römischen Reichs ist selbst nicht sonderlich realistisch gewesen, wenn man beispielsweise die Situation nach dem Sieg gegen Hannibal anschaut. Die Reiche im Osten waren ebenfalls stark. Ein paar Schlachten, die Anders verlaufen wären oder andere Ausgänge der ständigen römischen Bürgerkriege und das wäre es gewesen.

Das Gleiche gilt auch hier. Byzanz befand sich ständig im Krieg mit den Persern. Der erneute Verlust Italiens rührt auch daher. Spätestens mit der Entfesslung des arabischen Sturms braucht man nicht darüber zu spekulieren. Dieser hatte aber auch seine Vorzeichen. Ägypten und andere wichtige Teile des Reichs hatten eine andere christliche Auslegung als die Hauptstadt und wurden immer wieder dafür verfolgt. Als die Moslems dann kamen, öffnete man in vielen Festungen die Tore ohne Kampf. Konstantinopel ist verhasster gewesen als die neuen Barbaren. War aber auch schon zuvor so: siehe die Eroberung Afrikas durch die Wandalen. Ohne die Entfremdung der Region, auch wieder zum Teil aus religiösen Gründen wäre es für so keine Heerbanner nicht möglich gewesen zu erobern.

Byzanz ist wie jedes Reich der Zeit in einem permanenten Kriegszustand gewesen. Einen technologischen Vorsprung gegenüber den anderen Reichen oder den Barbaren gab es nicht, "nur" einen organisatorischen. Was bedeutet, dass jede innere Unstimmigkeit oder Epidemie den Untergang bedeutete. Wieder ein Beispiel: der Verlust Anatoliens erfolgt nach einer Hauptschlacht gegen die Türken, in der es wohl zu Verrat kam: https://de.wikipedia.org/wiki/Andronikos_Dukas_%28General_unter_Romanos_IV.%29


Ein Motiv für diese Tat war rasch gefunden: Kaiser Romanos IV. verdankte seine Herrschaft einem Staatsstreich gegen die Familie Dukas, indem er nach dem Tod des Kaisers Konstantin X. Dukas im Jahr 1068 dessen Witwe Eudokia Makrembolitissa heiratete und die nachfolgeberechtigten Söhne des Kaisers auf die Rolle von Mitkaisern ohne effektive Macht beschränkte. Von Andronikos – als Vetter der verdrängten kaiserlichen Erben – war daher ein Verrat an dem Usurpator Romanos IV. zu erwarten.

Ein Klassiker der schon so viele Reiche stürzen liess. Man unterschätzt die Barbaren und möchte zuerst die inneren Streitigkeiten gewinnen.

JBJ83
30.01.16, 10:43
Vielen Dank nochmal an alle hier für ihre Antworten!

Eine Frage zum Spiel selbst noch: Um das römische Reich zu gründen muss man ja einige Provinzen erobern. So dann auch Rom. Jetzt frage ich mich was passiert wenn ich diese Provinzen durch Kriege wieder verliere? Wird mir dann das römische Reich wieder aberkannt? Was passiert wenn ich Rom dem Vatikan übergebe? Rom ist aktuell die Hauptstadt meines Reiches, aber es wäre aus verschiedenen Gründen (Finanziell, Zufriedenheit der Vasallen) intelligenter die Hauptstadt meines römischen Reiches wieder nach Konstantinopel zu verlegen. Bleibt dann das römische Reich trotzdem bestehen wenn ich Rom an den Vatikan abgebe?

Vernichter
30.01.16, 10:48
Durch den Verlust von Provinzen verschwindet das Reich nicht. Auch die Verlegung der Hauptstadt hat diese Folge nicht. die Schwierigkeitstufen geben entweder dem Spieler oder der KI Boni.