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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Amerikanischer Bürgerkrieg - Gut und Böse?



Djugard
21.06.19, 10:25
Hallo!

Ich interessiere mich zwar sehr für den amerikanischen Bürgerkrieg, bin aber geschichtlich gesehen alles andere als bewandert.

Was mich schon lange interessiert: Ist es wirklich so einfach, dass man sagen kann, dass die Nordstaaten die Helden waren, die gegen die Sklaverei gekämpft haben und die Südstaaten die Bösen, die für die Erhaltung der Sklaverei gekämpft haben? Ich denke ja nicht, dass es so einfach ist, würde mich aber sehr freuen wenn man mich hier vielleicht ein bißchen aufklären kann. Meine eigene Recherche hat mir bisher nicht den großen Durchblick verschafft.

Ich würde mich über Antworten sehr freuen und wünsche euch allen hier einen schönen Tag!

Montesquieu
21.06.19, 10:42
Südliche Apologeten haben tatsächlich versucht, den Bürgerkrieg vor allem auf Verfassungsfragen runterzubrechen und es als Konflikt darzustellen, der vor allem um die Rechte der Staaten ging und da war irgendwie Sklaverei auch mit verknüpft. So ein bisschen am Rande ...

Dem war aber nicht so. Sklaverei war der Hauptgrund und das Beibehalten dessen das zentrale Streben der Südstaaten. Wird eigentlich auch unisono von allen Historikern so gesehen.

Also ja, wenn man davon ausgeht, dass Sklaverei grundsätzlich böse ist und die Südstaaten ganz klar diese beibehalten wollten, dann ist hier "Gut" und "Böse" klar verteilt.

Möchte da natürlich Keinem seine Stonewall-Jackson-Bet-Stunden-Romantik verbieten. Wir tauchen ja auch mit U-Booten 1941 in den Atlantik oder schießen Soviets in Kursk ab, obwohl hier Gut und Böse noch klarer verteilt sind.

Longstreet
21.06.19, 11:08
Was Monte sagt - zugleich ist es halt wie immer, nicht alle "Guten" waren Helden und nicht alle "Bösen" waren Arschlöcher. Schaut Euch mal die Verteilung der Sklavenhalter im Süden an - wenn da nur Leute gekämpft hätten, die von der Beibehaltung der Sklaverei persönlich was gehabt hätten, dann wären die Armeen deutlich kleiner gewesen. Genauso muss man sagen, wenn in den blauen Armeen nur Leute gekämpft hätten, die gegen die Sklaverei oder besser für die Gleichberechtigung der Schwarzen waren, dann wären auch diese deutlich kleiner gewesen.

Hauptkonflikt war in jedem Fall die Sklaverei und jeder der den Süden verteidigt hat, der hat letzten Endes genau diese Institution verteidigt - egal mit welchem Motiv er sich eigentlich hat aktivieren lassen.

Tex_Murphy
21.06.19, 11:23
Die Sklaverei und deren Beibehaltung ist sicherlich einer der Hauptgründe für den Bürgerkrieg, wobei man die Nordstaaten nicht direkt als "die Guten" hinstellen sollte. So verabscheuenswürdig die Sklaverei auch ist, so ging es doch vielen Sklaven im Süden besser als den freien Arbeitern im Norden. Die waren zwar auf dem Papier frei, mussten aber um überleben zu können, unter schlimmsten Bedingungen für einen Hungerlohn arbeiten und meist noch zur Miete bei ihrem Arbeitgeber in Baracken leben. Klar, wenn sie hätten gehen wollen, dann hätten sie gehen können, aber wohin? Und wovon leben? Außerdem verpflichteten sioch viele Menschen im Norden ihrem Arbeitgeber für eine gewisse Zeit, wodurch sie dann ebenfalls in einer Art freiwilliger Sklaverei lebten.
Dazu kommt, dass man im Norden zwar prinzipiell gegen die Sklaverei war, was aber noch lange nicht heisst, dass die Sklaven im Norden generell willkommen oder als gleichberechtigt betrachtet worden wären. Sklaverei abschaffen? Ja, aber die ehemaligen Sklaven sollen bitte im Süden bleiben.
Auch hatten viele Kämpfer in Reihen der Konföderierten keine eigenen Sklaven und kämpften weniger für die Erhaltung der Sklaverei, sondern vielmehr prinzipiell gegen eine Bevormundung durch den Norden und ihr prinzipielles Recht, Sklaven halten zu dürfen.
Ein weiterer Grund für einen Krieg aus Sicht des Nordens ist die Beibehaltung der Union, was weniger romantische "Wir sind doch ein Volk"-Gründe hat, als vielmehr die wirtschaftliche Macht eines vereinigten Amerikas gegenüber zwei miteinander konkurrierenden Staaten. Übrigens gleichzeitig ein Grund für die Sympathien, die dem Süden durch europäische Staaten entgegengebracht wurden, da diese sich natürlich ein geteiltes Amerika aus wirtschaftlicher Sicht wünschten. Erst als Lincoln offiziell die Abschaffung der Sklaverei als Kriegsgrund angab (bis dahin wollte er lediglich den Austritt der Konföderierten Staaten verhindern, die Sklaverei so glaubte er würde sich irgendwann von selbst erledigen, da etwas wie Sklaverei in einer zivilisierten Gesellschaft keinen Platz hätte), konnten sich die europäischen Staaten nicht mehr auf Seiten des Südens stellen, da das moralisch nicht mehr vertretbar gewesen wäre.

Wir empfehlen dazu das Buch "Für die Freiheit sterben (https://www.amazon.de/Freiheit-sterben-Geschichte-amerikanischen-B%C3%BCrgerkrieges/dp/3866472676/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=37HD26QS5HUGI&keywords=f%C3%BCr+die+freiheit+sterben&qid=1561109161&s=gateway&sprefix=f%C3%BCr+die+freiheit%2Caps%2C145&sr=8-1)". Gibt einen guten Überblick.

Koenigsmoerder
21.06.19, 23:47
Südliche Apologeten haben tatsächlich versucht, den Bürgerkrieg vor allem auf Verfassungsfragen runterzubrechen und es als Konflikt darzustellen, der vor allem um die Rechte der Staaten ging und da war irgendwie Sklaverei auch mit verknüpft.

Ganz falsch ist das auch nicht.
Durch die Aufnahme von neuen Bundesstaaten und deren somit hinzugekommene Stimmen im Senat und im Repräsentantenhaus war klar, dass auf Sicht die "freien" Staaten politisch die Oberhand gewinnen, und die Interessen des Südens mehr und mehr hinten runter fallen würden. Insbesondere in Sachen (Schutz)Zoll, seinerzeit die einzig nennenswerte Einnahmequelle der Bundesregierung, waren diese diametral entgegengesetzt: der Norden wollte seine wachsende Industrie vor europäischer Konkurrenz schützen, der Süden seine Agrarprodukte, allen voran Baumwolle, ungestört nach Europa exportieren.
Langfristig betraf das natürlich auch die Sklavereifrage. Diese war von der Verfassung dort geschützt, wo sie bereits bestand. Aber eine Verfassung lässt sich auch ändern. Man hat sich dann in der ersten Hälfte des 19. Jhdts noch zwei, drei Mal auf Kompromisse geeinigt (Missouri-Kompromiss, Kompromiss von 1850), aber das Pendel neigte sich mehr und mehr zugunsten des Nordens. Spätestens, als mit Kalifornien ein "freier" Staat den Weg zum Pazifik verschloss bzw. sich nun von Westen heranfraß, war die Entwicklung für den Süden nicht mehr aufzuhalten.

Der wirtschaftlichen und politischen Elite des Südens blieb also quasi gar nichts anderes übrig als die Sezession, wollte man seine Interessen wahren.
Aus moderner Sicht mag das natürlich verwerflich erscheinen, wie aber schon von mehreren Regenten richtigerweise ausgeführt, war der Norden (aus heutiger Sicht) auch kein Hort uneingeschränkter Nächstenliebe und humanistischer Moral und ist auch primär für den Erhalt der Union in den Krieg gezogen und nicht für die Abschaffung der Sklaverei.

McPhersons "Für die Freiheit sterben" ist dazu in der Tat eine ganz hervorragende deutschsprachige Buchempfehlung.

Strategienordi
22.06.19, 05:03
Wobei fraglich ist, ob Frage der Staatenrechte nicht eher Mittel als Zweck waren. In New England gab es um 1815 auch einen Sezessionswunsch, weil die damalige Dominanz der Sklavenstaaten (u.a. auf Grund der Anrechnung der Sklaven beim Repräsentatenhaus bei gleichzeitiger Überzahl der Staaten) als schädlich empfunden wurden. Das änderte sich mit der Zeit durch einen Ausgleich der Anzahl von Staaten und dem stärkeren Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum in den freien Staaten (was sich wechselseitig verstärkte, indem in die reicheren freien Staaten auch mehr freie Männer einwandern wollten, was wiederum deren Wohlstand mehrte). Was auch mit der Sklavenhaltung zusammenhing, denn im Süden war eher Landwirtschaft Grundlage während im freien Norden die zur Produktivitätssteigerung fähigen Bereiche des Handels, Handwerks und zunehmend der Industrie den Wohlstand schafften. Das wird deutlich an den sklavenhaltenden Präsidenten: Außer Vater (2.) und Sohn (6.) Adams waren die ersten 12 Präsidenten Sklavenhalter, van Burren (8.) und Harrison (9.) allerdings nicht während ihrer Amtszeit. Mit Taylor endeten dann die Sklavenhalterpräsidenten 1850. Bis zum Ende der Sklaverei folgten dann nur noch sklavenlose Präsidenten. Im Grunde verloren die Sklavenstaaten also nur ihre Vormacht. Die damals jungen Republikaner erkannten dann, dass sie mit einer reinen Nordstaatenstrategie die Präsidentschaft gewinnen konnten, wofür eine Anti-Sklavenhaltung sehr förderlich war (der Nordstaatler konnte sich dem Südstaatler moralisch überlegen fühlen). Damit zerbrach dann aber auch zugleich das jahrzehntelange Kompromissemachen in den USA. Damit konnte aber die aus der Sklavenfrage resultierende Uneinigkeit nicht mehr überbrückt werden, welche dann wiederum den Krieg auslöste.

Der Norden hat nicht primär für die Befreiung der Sklaven gekämpft sondern für die Verfassungstreue der südlichen Sklavenhalterstaaten. Denn die Verfassung, für die der Norden in den Krieg zog sicherte ja gerade den Erhalt der Sklaverei zu. Allerdings stellte Lincoln in seiner A House divided-Rede richtig fest, dass die USA, wenn sie fortbestehen sollen, entweder nur Sklavenstaaten oder keine Sklavenstaaten haben kann. Um diese den Krieg auslösende Uneinigkeit also zu beseitigten blieb dem Norden nichts anderes übrig als die Sklaven zu befreien. Die Befreiung erfolgte daher auch eher als Prozess, angefangen damit, dass man den Südstaatlern ihre Sklaven als Kriegsbeute wegnahm und damit vorallem wirtschaftlich schaden wollte, gefolgt von der Freilassung bzw. Freierklärung der CSA-Sklaven und dann später erst auch derjenigen, die in den Nordstaaten noch Sklaven waren.

Thomasius
22.06.19, 09:41
Aus unserer Sicht ging es in dem Krieg um Grundsätzlicheres als die Sklaverei und zwar darum was für ein Land die USA sein wollen. Ein progressives modernes und liberales Land oder doch eher das Gegenteil davon. Vor allem ging es um wirtschaftliche Interessen, der quasi feudale halb im Mittelalter steckende Süden hatte schlicht und ergreifend andere Interessen als der Norden. Je schneller und stärker die Industrialisierung im Norden voranschritt, desto mehr taten sich Widersprüche, die seit der Gründung der USA bestanden zu Tage. Da der Süden drohte langsam politisch ins Hintertreffen zu geraten und wollte er sich abspalten um seine Art von Gesellschaftsordnung beibehalten zu können.
Der Kampf um die Sklaverei ist dabei nur ein Symbol und mehr nicht, das auch rückblickend größer gemacht wird als es damals war. Stattdessen haben beide Seiten immer versucht es nicht so darzustellen als wenn es um die Sklaverei ging. Was man auch daran sieht wie lange der Norden gezögert hat alle Sklaven für frei zu erklären.
Wenn man "progressiv" für gut hält, dann war der Norden das/der "Gute". Was nicht heißt, dass alles was der Norden tat gut war oder allen Menschen die für den Norden kämpften "Gute" waren. Umgekehrt waren Menschen die für den Süden kämpften nicht automatisch "Böse". Sie kämpften nur für keine gute Sache.

Alith Anar
25.06.19, 13:24
Die Sklaverei war nicht das Hauptthema (ist auch im Nordstaaten Congress und Senat) immer wieder festgestellt worden. Erst ab 1862 wurde es langsam Thema.

Wie Zardoz schon schrieb: Ziel war "War to save the Union" ...

Aber ob jetzt Gut oder Böse: Der Süden bestand nicht nur aus A...löchern und der Norden nicht nur aus Engeln. Ziel im Süden dürfte auch gewesen sein einen zu hohen Einfluss der Zentralregierung in Washington zu verhindern.