PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Empörung



hokaro
09.11.03, 21:52
Ich frische gerade mein Wissen über das hohe Mittelalter mit Hilfe des "illustrierten Ploetz" ein wenig auf. Und da lese ich immer wieder z.B.:


936-973 Otto I. der Große
...
939 Ottos Bruder Heinrich, die Herzöge von Franken und Lothringen empören sich.
...


Was genau ist eine Empörung? Klar, die Jungs regen sich über was auf, aber was verbirgt sich genau dahinter? Also quasi 'formaljuristisch'?

Es würde mich übrigens empören, wenn das hier keiner wüßte!

:prost:

Gruß hokaro

Carl the Great
09.11.03, 23:24
Grundsätzlich ist eine Empörung ein Aufstand gegen den König.
In diesem Fall Heinrich, Eberhard von Franken und Giselbert von Lothringen mit Unterstützung des Westfrankenkönigs Ludwig IV. Während Eberhard und Giselbert in einer Schlacht bei Andernach fallen, wird Heinrich einige Jahre später nach einer weiteren erfolglosen verschwörung Verzeihung gewährt.
Also auch wenn sich "Empörung" mehr oder weniger harmlos anhört, es war schon eine ziemlich ernste Angelegenheit.
Werde morgen nochmal genauer nachschlagen.

hokaro
10.11.03, 06:36
Danke für die prompte Antwort. So einen Ehrenhändel hatte ich schon vermutet. Immerhin der König des Bruders, der Truchseß und der Kämmerer. Aber der Schenk Hermann von Schwaben hat ihnen ja bei Andernach einge'schenkt't. Giselbert soll lt. Ploetz im Rhein ertrunken sein. Vermutlich auf der Flucht in voller Rüstung.

Apropos Schenk.

Truchseß, Kämmerer, Schenk und Marschall. Waren das nur Ehrentitel oder waren damit auch bestimmte administrative Aufgaben verbunden?

Und dann noch was zu Otto II. "Am 12.07.982 vernichtenden Niederlage bei Cotrone gegen die Araber. Der Kaiser entkommt in abenteuerlicher Flucht."

Weiß jemand dazu näheres?

Danke und Gruß hokaro

Carl the Great
10.11.03, 15:30
Zur Empörung habe ich im Lexikon des Mittelalters nichts gefunden. :eek: Es ist also in der Tat eine Umschreibung für: "Sie lehnten sich gegen ihn auf."

Zu Ottos Flucht habe ich im dritten Buch hier im Seminar endlich etwas gefunden und bin nun einmal so frei, den Textauszug hier zu veröffentlichen. Er stammt aus Robert Holtzmanns "Geschichte der sächsichen Kaiserzeit (900-1024)":


Im Juni begann, an der Küste entlang, der Vormarsch gegen Calabrien, wo inzwischen auch Abulkasem wieder erschienen war. Bis Rossano kam man ohne Kämpfe. Das Land konnte bis hierher als unterworfen und sicher betrachtet werden. So ließ Otto in Rossano seine Gemahlin mit ihrem kleinen Kind, dem Bischof Dietrich von Metz und dem größten Teil des Gepäcks zurück und zog mit dem Heere weiter den Sarazenen entgegen. Eine ihrer Burgen fiel in seine Hand, dann erreichte man, schon jenseits von Cotrone, beim Kap Colonne, die Hauptmacht des Emirs, und hier kam es am 13. Juli 982 zu der verhängnisvollen Schlacht. Zwar der Mut und die Gewalt der deutschen Ritter haben sich durchaus bewährt. In seigreichem Vorstoß wurde der Feind geworfen, und Abulkasem selbst ist gefallen. Der Kaiser, allzu vorschnell in seinem Urteil, glaubte bereits, den Sieg errungen zu haben, und ließ sorglos den Vormarsch fortsetzen, ohne zu beachten, daß in den Bergen noch eine starke Reserve der Sarazenen stand, bei der sich auch die geschlagenen Truppen wieder gesammelt hatten. Mit dem Fanatismus des Moslem überfielen die Araber nun das ungeschützte Heer der Deutschen und bereiteten ihm eine furchtbare Niederlage. Fast die ganze deutsche Mannschaft wurde vernichtet, unter den Gefallenen befanden sich Bischof Heinrich von Augsburg, Herzog Udo II. von Rheinfranken, Markgraf Gunther von Merseburg, Graf Dedi von Wettin, der Vater jenes abtrünnigen Plünderers der Stadt Zeitz, von Italienern Landulf von Capua und ein anderer Sohn des Eisenkopfes. Nicht gering war auch die Zahl der Gefangenen. Und beinahe hätte der Kaiser selbst zu ihnen gehört, was nach der politischen wie moralischen Seite hin eine Katastrophe gewesen wäre. und abenteuerlich genug ist die Geschichte seiner Flucht und Rettung, wie folgt, zu lesen.
Der Kaiser eilte nach der Niederlage der Seinen ans Meer und erblickte da zwei große griechische Schiffe, sogenannte Salandrien, die auf der Fahrt nach Byzanz waren. Sie bedeuteten zum mindesten Rettung vor den Ungläubigen. Aber wie zu ihnen gelangen? Da sah er einen Juden, Kalonymus ben Meschullam aus Lucca, der ein Pferd hatte und es bereitwillig dem Kaiser zur Verfügung stellte. Auf diesem Pferd schwamm Otto auf die erste Salandria zu; sie fuhr jedoch vorüber, ohne ihn aufzunehmen. So mußte der Kaiser an Land zurück, wo der Jude noch stand, "besorgt um das Los seines geliebten Herrn"; denn schon nahten sich sarazenische Reiter. Inzwischen kam das zweite Schiff heran, wiederum warf sich der Kaiser auf dem Pferd des Juden ins Meer, und auf dem zweiten Schiff war zum Glück ein in Ottos Diensten stehender Slawe, der Krieger Heinrich Zolunta, der für seine Aufnahme sorgte und ihn auf dem Bett des Kapitäns ausruhen ließ. Der Kapitän hielt seinen Gast anfangs für einen Kämmerer des Kaisers, argwöhnte jedoch bald, wer er in Wahrheit sei, und Otto musste auf seine Fragen sich zu erkennen geben. Damit geriet er in Gefahr, als kostbarer Gefangener nach Byzanz gebracht zu werden, wo man ihn ohne Zweifel als Feind behandelt hätte. Mit großer Geistesgegenwart griff der Kaiser zu einer List. Er erklärte, es sei durchaus sein Wunsch, nach Byzanz zu kommen, nur möge man vorher in Rossano anlegen, damit er seine Gemahlin und seine Schätze dort mit an Bord nehmen könne. Das war dem habgierigen Kapitän nach dem Munde geredet; lüstern nach dem Golde, ließ er so rasch wie möglich nach Rossano rudern. Als man sich dem Hafen näherte, schickte Otto den heinrich von Zolunta zur Kaiserin und ließ sie mit dem Bischof von Metz und vielen, scheinbar mit Gold beladenen Maultieren ans Meer kommen. Die Griechen warfen Anker, der Bischof kam mit einigen Begleitern aufs Schiff, und durch sie gedeckt, sprang nun der Kaiser, auf seine große Körperkraft vertrauend, vom Bug herab ins Meer; ein Grieche, der ihn am Kleid festhalten wollte, wurde durch den Ritter Liuppo (Liubo, Livo), einen der Deutschen, erstochen, worauf die wenigen Byzantiner, die sich auf diesem Teil des Schiffes befanden, erschreckt nach der anderen Seite des Schiffes zurückwichen und dadurch dem Bischof Dietrich und seinen Begleitern die Möglichkeit gaben, rasch auf ihren Booten wieder ans Land zu fahren. Otto, den sie hier bereits wohlbehalten antrafen, wäre gerne bereit gewesen, seinen Rettern einen Lohn in Gold zuteil werden zu lassen; aber die Byzantiner fuhren sehr bestürzt und voll Misstrauen sofort weiter. Mit hellem Jubel wurde der Kaiser, von dem niemand gewußt hatte, ob er überhaupt noch am Leben sei, in Rossano aufgenommen. Jenem Juden Kalonymus hat Otto später seine Dankbarkeit gezeigt, indem er ihn nach Mainz kommen ließ, wo Kalonymus sich als gelehrter Rabbi einen großen Namen erworben hat.

Komisch, dass die Byzantiner nach der Ermordung eines der Ihren bestürzt und voll Misstrauen waren. :D
Und die Beschreibung der Schlacht glänzt auch durch Objektivität ;) , aber immerhin jetzt wissen wir, wie die FLucht von Statten ging.

hokaro
10.11.03, 18:18
Werter Carl,

Euren Beinamen "The Great" habt Ihr Euch redlich verdient, welch angenehme, kurzweilige Geschichtsstunde.

Ich habe gleich versucht bei Amazon Robert Holtzmanns Buch zu suchen. Aber bei fast allen Werken an denen er beteiligt war hieß es:

Führen wir nicht oder nicht mehr

C'est la vie! Dann muss halt wieder der Ploetz dran glauben. Vielen Dank!

Gruß hokaro

PS: Wißt Ihr auch etwas über Truchseß, Kämmerer, Schenk und Marschall?

Carl the Great
10.11.03, 18:45
Habt Dank. Natürlich weiß ich auch etwas zu den Hofämtern zu berichten.

Aus dem Lexikon der Geschichte:


Erzämter, Reichs- und Hofämter (Titularämter) im Hl. Röm. Reich, die seit dem 10. Jh. von den vornehmen Reichsfürsten ausgeübt wurden u. im 14. Jh. an die vier weltl. Kurfürsten übergingen, die sie symbolisch bei den Krönungsfeierlichkeiten versahen (Erztruchseß: Pfalzgraf bei Rhein; Erzmundschenk: König von Böhmen; Erzmarschall: Herzog von Sachsen; Erzkämmerer: Markgraf von Brandenburg). Die drei geistl. Kurfürsten waren Erzkanzler.

Soweit ganz kurz, später mehr. Ursprünglich hatten diese Ämter durchaus Sinn, später dann eben nicht mehr. Welche Funktionen? Ebenfalls später. ;)

Augustus Rex
10.11.03, 19:08
Ca. im 13. Jahrhundert müsste es so ausgesehen haben:

König von Böhmen als Reichsschenk
Herzog von Sachsen als Marschall
Pfalzgraf bei Rhein als Reichstruchseß
Markgraf von Brandenburg als Kämmerer
Erzbischof von Trier als Kanzler von Burgund
Erzbischof von Mainz als Kanzler von Deutschland
Erzbischof von Köln als Kanzler von Italien

Carl the Great
11.11.03, 00:27
Die ursprünglichen Funktionen der Hofämter:

Marschall: Aufseher über Pferde und Stall
Mundschenk: Aufseher über die Weinberge und den Weinkeller
Kämmerer: Verantwortlich für die königliche Hofhaltung
Truchseß: Aufseher über die Tafel

Auf Wunsch auch ausführlicher. Aber dafür müsste ich nochmal im Lexikon des Mittelalters nachschlagen. :)

hokaro
11.11.03, 07:21
Danke, danke, ich würde im Augenblick schon sagen: "Note 1, setzen!"

Carl the Great
11.11.03, 16:20
Beim Mundschenk ist mir ein Fehler unterlaufen, er war lediglich für die Weinberge und den Weinkeller zuständig.