PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Marsz, marsz,..."Der letzte Wille eines sterbenden Volkes"



PanWolodyjowski
04.05.04, 21:12
Stille. Dunkelheit.
Józefs Augen starren den auf dem Bett liegenden toten Vater an.
Die Augen sind nass, dem Weinen nahe. Józefs Hand hält die Hand des Vaters; der Daumen streichelt die Handfläche welche durch die Kälte rauh geworden ist.
Stille. Dunkelheit.
Nur ein einzig kleines Licht brennt auf dem Nachtschrank. Ein sehr schwaches Licht einer alten Wachskerze.
Die Flamme schwindet dahin; Dunkelheit.
Józef starrt wieder seinen Vater an.
Ruhe. Als ob er friedlich schlafen würde, obwohl er krank war.
Graue und einzelne schwarze Haare bedecken das Haupt des Toten; Der Schnurbart ist schwärzer. Das spitze Kinn des Vaters frisch rasiert.
Das weiße Nachthemd sauber; Der Körper nur vor kurzem gewaschen und fast duftend.
Der Duft des Strohs kommt Józef in die Nase; er schaut auf das Bett.

Dunkelheit. Er schaut weg, an das Fenster. Es schneit; Dunkelheit.
Der kurze Moment wird zur Ewigkeit für Józef. Nochmals schaut er zum Vater; er reibt seine Hand.
Er schaut wieder zum Fenster; ein Seufzer.
Plötzliches Knarren der breiten Holztür. Schritte. Licht.
Józef schaut zum Fenster.

"Hast du heute Nacht geschlafen?", fragt die Stimme.
Józef schaut zum toten Vater.
"Józef?", fragt die Stimme erneut.
Józef blickt die Person an: Es ist der Pfarrer der Dorfkirche.
Dann blickt er zum Fenster.
"Es wird bald hell. Du solltest gehen.", spricht der Pfarrer sanft.

Józef blickt nochmals seinen Vater an, packt seine Hand, und legt sich auf seine Brust. Dann die andere. Ruhe. Es ist hell im Raum; die Laterne des Pfarrers brennt.

"Ich gehe nach Wilno...", spricht Józef.
"Gut...", antwortet der Pfarrer.
"...ich schließe mich Kosciuszko an.", fügt Józef hinzu.
"In den Tod?", fragt der Pfarrer. Die Sorgen sind ihm anzusehen.
"Ich weiß nicht."

Stille. Józef verlässt den Raum; er geht ins Esszimmer, füllt sich alles was er noch braucht in einen Beutel und lässt den Beutel an der Seite der Tür stehen.
Im Arbeitszimmer, wie es sein Vater immer nannte, öffnet er eine Schublade der vielen dort stehenden Schränke.
Eine alte schöne Handmuskete. Er nimmt auch Kugeln und Schießpulver in einen Beutel; den Beutel heftet er sich an den Gürtel.
Er nimmt das Gewehr aus der Ecke des Zimmers und hat es sich übergeworfen.
Er packt weitere Beutel mit viel Kleidung und Decken. Er setzt sich seine rote mit Rotfuchs bestückte Pelzmütze auf sein Haupt; Er hat noch etwas vergessen.
Das Bild, dass seinem Vater gehört; der Vater liebte das Bild.
Er geht nochmals in das Zimmer mit den vielen Regalen; Das Bild mit Kosciuszko (http://www.polishamericancenter.org/Pictures/Kosciuszko.JPG) hat Józef gefunden; er packt es ebenfalls in einen Beutel; davor hat er es sich aber nochmal angesehen.

Józef ist fertig, nur noch der Säbel fehlt.
Er verlässt das Haus. Draußen schneit es, es ist dunkel; kalt.
Er betritt die Scheune, es gibt keine Tiere mehr. Er geht zum Strohhügel und gräbt; er zieht den Säbel mit der Scheide heraus.
Józef packt die Scheide, mit der anderen Hand den Griff des Säbels und zieht ihn heraus.
Geknirsche von scharfen aneinanderreibenden Metall durchzieht den Stall; Józef hebt den Säbel empor; eine goldene Schrift glitzert auf der Klinge.
" 1683 - Polska walczy za wolnosc "

´Ja. Polen hat für die Freiheit Europas gekämpft. Doch jetzt muss Polen selber um seine Freiheit kämpfen!´, denkt Józef im Gedanken versunken bevor er den Säbel wieder in die Scheide einführt.
Den Säbel befestigt er ebenso an seinem Gürtel.
Ein letzter Blick; er schlägt das Tor zum Stall wieder zu und geht in das Haus.
Wärme; Licht; rot. Die Laterne des Pfarrers erhellt das Zimmer des Vaters. Józef tritt vor das Bett des Vaters; bleibt stehen, starrt seinen Vater an.
"Vater...noch...ist Polen nicht verloren..."
Dann blickt Józef an die Decke.
"...und Litauen auch nicht, Mutter..."

Gerade will Józef gehen, da steht der Pfarrer in der Tür. Sein Gesicht ist rot; freundlich rot, voller Liebe.
"Keine Zeit, mein Herr Pfarrer für das Vater Unser, es wird langsam hell, ich muss los...", versucht Józef schnell abzulenken.
"Knie nieder mein Sohn..."
Und doch befolgt Józef.
"Józef Maria Zajac, möge der Herr dich beschützen, deine Seele und dein Leib. Möge er dich wohl leiten. Der Herr wird es wissen."
Der Pfarrer nimmt Józefs Mütze kurz ab; er deutet mit der anderen Hand ein Kreuz auf seiner Stirn an bevor er ihm wieder die Mütze aufsetzt.
Józef steht auf, dankt dem Pfarrer nochmals, bevor er an ihm vorbeigeht.
Er packt seine Säcke; er hat alles. Nichts kann ihn jetzt hier mehr aufhalten.
Er schaut dem Pfarrer noch kurz in die Augen, dann verschwindet er...

PanWolodyjowski
11.12.04, 21:57
Wilno!
Józef hat es geschafft an diesem Tag, es ist bereits schon dunkel geworden.

In der Stadt, in den Kirchen und anderen Gebäuden sammeln sich viele Freiwillige vor Zelten; oder taten das schon größtenteils, denn es ist schon dunkel. Józef ging zu einem Zelt vor dem Rathaus.

Mehrere, so scheint es Józef, Offiziere reden miteinander. Er nähert sich.
Die Offiziere unterbrechen ihr Gespräch, als ob sie sich gestört fühlen würden.
"Und was suchst du hier, Junge?", frage ein Offizier mit blondem Schnäuzer.
"Ich will mit euch..."
"Kämpfen?", fragte ein anderer.
"...für die Freiheit..."
"...oder für den Tod...", fügte ein dritter hinzu...
"...das kann ich in Kauf nehmen."
"Aber du bist noch ein Kind! Deine Mutter, dein Vater, sie weinen bestimmt um dich, und werden es noch viel mehr...", spricht wieder der Offizier mit dem blonden Bart.
"Meine Eltern sind tot."
Stille. Die Offiziere blicken sich an.
"Aber du kannst nicht kämpfen, du bist noch zu jung...", sagte der dritte wieder; seufzend.
"Kämpfen, wenn für seine eigene und gemeinsame Freiheit, kann jeder."
Stille; Nachdenken.
"Ich kann auch irgendwie anders helfen...", fügte Józef hoffnungsvoll hinzu.
Nachdenken.

"Nein, so Leid es mir tut mein Junge, es wird nicht gehen."
Für Józef bricht die Welt zusammen.
"Aber wir können ihn jetzt nicht einfach hier so stehen lassen!", spricht der zweite Offizier von vorhin.
"Stimmt. Wie ist dein Name, Junge? Wir werden dich sicher für heute Nacht dabehalten können...", sagt der Offizier mit dem blonden Schnäuzer.
"Józef Maria Zajac, Herr...Danke!..."
"Herr Piotrek Kon...einfach nur Kon...", fügte der Offizier noch freundlich hinzu...

PanWolodyjowski
11.12.04, 22:52
Vor Warszawa erstreckt sich ein ganzes Heer von weißen und bunten Zelten.
Józef schlendert durch diese Lager, dabei erblickt er verschieden uniformierte Soldaten; größtenteils jedoch einfache Bauern und Handwerker mit ncihts weiter als Handwaffen.
Aber alle haben dieses Funkeln in den Augen; Freiheit ist ihre große Sehnsucht.
Józef hat erfahren, dass er sich vor dem Tor auf der Westseite der der Stadt registrieren soll.
Somit durchwandert er Warszawa, überquert die Weichsel, geht von Praga bis in die Altstadt. Überall prüchtige Bauten und hektisches Treiben; strahlende Sonne, strahlender weißer, leichter Schnee überall.

Er durchquert das westliche Tor, welches aus der Neuen Stadt führt, und biegt gleich nach links zu einem großen weißen Zelt vor dem sich eine lange Schlange von Menschen sammelt.

"Name", fragt ein Offizier, der die Neuankömmlinge registriert.
"Józef Maria Zajac...", antwortet Józef blitzartig.
Der Offizier betrachtet den Neuen.
"Wie alt bist du? Schaust ganz schön jung aus."
"Alt genug...", lügt Józef.
Der Offizier denkt nach, schließlich trägt er ihn aber ein; eine Handbewegung zu einem anderen Offizier macht deutlich, dass Józef sich dort hinbewegen soll.
"Sein Name ist Eduard Jakub Oswiecki, Feldwebel...", fügt der Registrator noch hinzu.

Józef stellt sich vor dem Offizier hin.
"Waffen?", ist sofort seine erste Frage. Er scheint sehr beschäftigt zu sein.
"Muskete...Gewehr...Säbel..."
"Wirklich? Gut, begieb dich zu der Gruppe dort hin", der Feldwebel deutet auf eine Gruppe von schwerbewaffneten Männern, welche um ein Lagerfeuer herumsitzen.

Józef stellt sich vor; freundlich wird er aufgenommen. Gemeinsam essen und trinken sie, bis sie sich schlafen legen.
So geht das einige Wochen; tagsüber gibt es immer Übungen, nachts Erzählereien und anderes...
Sobald der Schnee angefangen hat zu schmelzen, ließ Kosciuszko alle Kräfte sammeln. Gemeinsam bereiten sie sich in Sichtweite Warszawas auf den Angriff der preußischen Kräfte vor...

PanWolodyjowski
12.12.04, 00:22
Józef steht in der zweiten Reihe; neben ihm Polen mit Gewehren, Musketen, Pistolen und Bayonetten sowie mit Säbel.
Er sieht wie tausende Preußen in Reih und Glied aufmarschieren. Dahinter, mit der preußischen Verstärkung aus einigen Hundert Reitern die Kanonen; Dröhnen; schwarze Striche durchziehen den Himmel, schwere Luft zum Atmen.
Hinter Józef einige Dutzend Meter höher auf einem Hügel die große Kanone von Kosciuszko; ihr Schuss scheint umso gewaltiger.

Tote; tote Polen hier und dort durch die gegnerischen Kanonen. Doch der Mut verlässt Józef und seine Kameraden nicht; denn der Schuss der einzigen polnischen Kanone scheint mehr Gegner mitzureißen als die Dutzend Kanonen der Preußen.

Schritt. Schritt. Laut; lauter.
Die Preußen marschieren immer schneller; kommen immer näher. Kanonenschüsse durchziehen die schreienden Befehle und Schmerzensschreie.
Angst durchzieht Józef doch er bleibt standhaft.
Näher, die Feinde rücken näher; Leiber werden größer, Gesichter klarer zu erkennen. Fast schon stehen sich beide Seiten gegenüber; die Polen haben schon längst geladen, die erste Reihe geht in die Hocke, die zweite legt die Gewehre an, die dritte ebenso; Józef macht es seinen Kameraden gleich, doch nicht nur er zögert bei den Befehlen; alle zögern.
Angst, Schweiß, Kälte, Schwärze; Übelkeit und doch Klarheit.
Die Preußen legen fast gleichzeitig ihre Gewehre an.
Feuer! Józef feuert.
Preußen fallen; Preußen feuern. Schreie; Zischen in der Luft; Schreie, Qual.
Neben Józef fällt ein Pole um; Blut durchströmt seine Brust. Józef ist geschockt, seine Wahrnehmung ist verschwunden; Stumme Schüsse; Gedämpftes Zischen; Übelkeit. Józef lädt nach.
Zweite Reihe der Preußen schießt; Tod dem anderem Nachbar Józefs.
Schweiß; Angst durchzieht Józef. Hinter ihm Schüsse, er sieht die Gegner zugrunde gehen.
Józef legt an und zielt auf einen Preußen unweit vor ihm; Schuss; Treffer, Blut fliegt aus dem Hinterkopf des Gegners; Józef wird wieder übel, doch er lädt weiter nach; Dritte preußische Reihe schießt während schon die ersten Reihen der Polen an Józef vorbeirennen auf die Preußen zu.
Schüsse; einige Körper sacken zu Boden; Erde trifft Józefs Gesicht.
Józef wischt sich den verdreckten Schweiß von der Stirn und legt an; Feuer!
Klarheit; Józef hört wieder klar die Schüsse der Kanonen, Kampfesschreie, Schmerzensschreie.
Er wirft sich sein Gewehr schnell über, zieht seinen Säbel aus der Scheide; die geladene Muskete nimmt er in die linke Hand; mit einem Kampfesschrei stürmt Józef in die Gegnermassen mit seinen Kameraden.
Preußen schießen abermals, doch nichts trifft ihn; Kanonenschüsse ziehen an ihm vorbei an andere Stellen des Kampffeldes.
Józef sieht das Gesicht eines Preußen; dieser zielt seitlich auf einen Kameraden; Józef rennt auf ihn zu, zielt mit der Muskete und drückt ab; tot.

Józef drückt seine Muskete in seinen Gürtel und packt noch das geladene Gewehr des Preußen mit einer Hand und schnellt in die zweite preußische Reihe rein; hebt das Gewehr mit aller Kraft; Zittern aus Angst; Zittern wegen Schwäche; Schuss! Ein Preuße wurde an den Beinen erwischt; rotes Blut durchtränkt seine weiße Hose; er geht schreiend zu Boden. Ein mit einer Sense bewaffneter Pole stürmt hervor, achtet nicht auf das klägliche Betteln des Preußen; tötet ihn.

Józef stürmt unterdesse weiter vor mit anderen Polen; viele Fallen. Er schaut sich immer wieder um; lädt seine Muskete, schießt auf seine Gegner; und rennt wie ein Husar mit dem Säbel durch seine Gegner.
Siegesschreie, Hufen; Józef blickt auf; seitlich hinter einem Hand stürmen Reiter hervor. Viele fallen, wie Józef sieht, auf dem Weg zu den Gegnermassen, doch als sie die Preußen erreichten war ihr Schicksal besiegelt.
Und es schien, dass viele dieses Spektakel gesehen hätten; ein Jubel bricht aus, den Preußen ist der Sieg nun nicht mehr sicher.

Józef blickt mit einem Lächeln nach hinten zu Kosciuszko mit seiner Kanone; Wütend stürmt er mit erneut geladener Muskete auf die angreifenden Preußen los, welche kurz vor der Kanone schon kämpfen, während sie an anderen Stellen zurückgedrängt werden.
Schüsse; ein Preuße vor Józef ging zu Boden, Józef zielt auf einen zweiten; tot!
Stück für Stück kämpft er sich mit anderen von der Seite vor bis er bei der Kanone angekommen ist.
Siegesschreie; man hört nur noch Siegesschreie von polnischer Seite aus, überall eingekesselte Preußen welche keine eigene Massen mehr bilden.
Etliche Polen stürmen zudem schon auf auf den gegnerischen Hügel und kämpfen an den Kanonen.

"Sieg! Freiheit! Sieg!", schreit Józef, seine Kampfesgefährten schließen sich ihm an.