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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Geschichte des Westfränkischen Reiches und Frankreichs. Bd. 2: Frankreich



Oliver Guinnes
30.09.02, 17:20
Geschichte des Westfränkischen Reiches und Frankreichs


Band 2



Frankreich




Von
Arthur Guinness, Luis Olivèr und Wim van de Witt




Colin: Paris, Genève, Sainte Helene, Chibougameau, Isles Nouvelle, Tokyo, Amsterdam, 1924

Oliver Guinnes
30.09.02, 17:21
Vorwort
I Ein Reich entsteht
I.i Die Wende
I.ii Koloniale Anfänge
I.iii Jahre der Konsolidierung
I.iv Vollendung des Reiches

II Zeit des Friedens
II.i Die Aufgaben
II.ii Der innere Frieden
II.iii Der äußere Frieden
II.iv Die Wirtschaft
II.v Koloniale Expansion
II.vi Das Militär

III Die Kolonialkriege
III.i Der iberische Krieg

Oliver Guinnes
30.09.02, 17:22
BI.i: Kriegsrat, Feldherren und Befehle
BI.ii: Geiseln, Hochzeiten und Diplomatie
BI.iii: Die Weihnachtsschlacht und Europa
BI.iv: Der Schandfrieden?
BI.v: Charles VI - Die wichtigsten Erfolge
BI.vi: Revolten
BI.viii.: Eine Jungfrau, Armeen und Scheiterhaufen
BI.ix.: Belagerungen
BI.x.: Die Krönung

BII.i: Der Schlächter von Holland
BII.ii: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose: Die Rosenkriege
BII.iii: Der Schwarze Tod
BII.iv: De Rais' Ende

BIII.i: Der Anspruch auf Roussillon
BIII.ii: Das Maya Abenteur des Alexios Sorbas
Box III.iii Genua der ungeliebte Partner

Oliver Guinnes
30.09.02, 17:24
Äketirreh, Aristoteles; Ludwig Retzek (1538): Von den Phaenomenen des Himmels und der Erde, der Menschen Glauben über ihrer Ursachen und wie sie von den Priestern hierüber betrogen werden.

Barre, Claude; Luigi Biagi (1819): Ein Geschichte Genuas. Prodina: Rom

Carro, Renè; Torben Johantson (1897): Die Geisel als Instrument der Diplomatie von der Frühgeschichte bis heute. Currie: Paris et al.

Einhart, Paul; Claude Barre (1809): Odo - Ein Mönch zwischen West- und Ostfranken. Faksimiles seiner Schriften mit deutschen und französischen Übersetzungen. Historica: Trier.

Encyclopaedia Catholica (1919): Vatikanischer Verlag: Rom.

Gonzalez, Philip; Ibrahim Medoza (1743): Die christlichen Kaliphen. Cordoba: Estudios.

Guinness, Arthur (1911): How a Brilliant Man Failed Brilliantly. The Reign of Henry the Vth. Edgar Elgar Publishers: London.

Guinness, Arthur (1913): The most unnecessary wars in history. Oxford University Press: Oxford.

Guinness, Arthur (1919): A Rose is a Rose is a Rose: The war of the Roses. Edgar Elgar Publishers: London.

Hall, Oween (1911): Die Französischen Niederlanden. Geschichte einer schwierigen Integration. Nord Holland: Amsterdam.

Hobsbawn, Eric (1899): Beuchamp: The Live and the Doings of a Military Mastermind. Edgar Elgar Publishers: London.

Kles, Peri (1900): Volkslieder – Was sie über die Geschichte zu berichten wissen. Schäffer & Pöschel: Hohenstaufen.

Lang, André (1906): Die Stimmen der Jeanne d’Arc. Sagè: Paris, Amsterdam.

Leinendecker, Robert (1874): Rolin: Abenteurer, Lebemann, Held und Gründer von französisch Afrika. Springer: Berlin.

Lovecraft, Howard P. (1923): Cthulu und die toten Griechen. Hallow: Een.

Loween, Hal (1666): De Rais – Legende und Wahrheit. Ajax: Den Haag.

Madouni (1811): Nation Building in the Late Mediaeval Times: The Kaliphat of Granda. London: Edward Elgar.

Milton, Thomas (1883): The French Witch. Mentor: London.

Olivèr, Luis (1918): Das Horn von Afrika. Die Anfänge des französischen Kolonialreichs. Colin: Paris et al.

Olivèr, Luis; Wim van de Witt (1919): Kampf um die Kolonien - Ein Krieg in Europa. Nordholland: Den Hague.

Pernoud, Régine (1920): Krönungen, Macht und Politik. Colin: Pairs et al.

Talis, Mor (1903): Die Pest und des Volkesgemüt. Vatikanischer Verlag: Rom.

Tenniter, Wolfgang Walter Winfried (1817 ): Geschichte Österreichs. Moik: Wien.

Tenniter, Wolfgang Walter Winfried (1811): Der Schwarze Tod in Europa. Der Einfluss einer Seuche auf die Zeitläufte. Moik: Wien

Thomas, Jean (1911): Krönungen und Krönungsriten. La Touch: Paris.

Trapatoni, Paulo (1888): Eine Handelsrepublik als Verfassungsstaat. Sophia Media: Rom.

Villa, Sergi (1901): Roussillion - Spielball der Mächte. Estudios: Barcelona.

Witt, Wim van de (1911): Das französische Kolonialreich. Bd 1: Von den Anfängen bis zu den ersten Kolonialkriegen. Nordholland: Den Hague.

Witt, Wim van de (1919): Das Ende de Rais - Beginn der französischen Niederlande. Nordholland: Den Hague.

Oliver Guinnes
30.09.02, 17:29
Warum eine weitere Geschichte Frankreichs bzw. des Westfränkischen Reiches, das fragt sich sicherlich nicht nur der Leser, sonder diese Frage mussten wir auch unserem Verleger, dem wir Dank dafür schulden, dass er die schwer Aufgabe auf sich nahm dieses zwei bändige Werk dreier eher undisziplinierter Autoren zu lektorieren und zu veröffentlichen, beantworten.

Wir geben die Standardantwort eines jeden Autoren der versucht eine neue Abhandlung zu schreiben und insgeheim hofft sie möge dereinst ein Standardwerk werden, nämlich: Wir glauben, dass alle bisherigen historischen Werke über die Geschichte einige Mängel enthalten, die behoben werden müssen.

Wie unser Titel schon andeutet und unsere Einteilung (Westfränkisches Reich 843-1424 und Frankreich 1419-1819) untermauert sehen wir die französische Geschichte nicht als einen stringenten Pfad beginnend mit einem bestimmten Zeitpunkt, wie z.B. der Taufe Clodwigs (498), dem Vertrag von Verdun (843) oder der Thronbesteigung Hugo Capets und dem damit verbundenen Ende der Herrschaft der Karolinger (falls davon überhaupt noch zu reden war) in Westfranken bis heute an. Geht die Geschichtsschreibung bisher davon aus, dass „… the treaty of Verdun definitely established the partition of Charlemagne’s empire into three independent, and one of these was France …” (Encyclopaedia Catholica (1919)**; Hervorhebung durch die Autoren), so sind wir der Ansicht, dass es sich um zwei gänzlich unterschiedliche Geschichten zweier unterschiedlicher Reiche handelt, bei der die Westfränkische bis weit ins späte Mittelalter hineinreicht um dann von der Geschichte Frankreichs abgelöst zu werden. Wir denken, dass wir im ersten Band genügend Gründe gegeben haben, warum es eine legitime Sichtweise ist davon auszugehen, dass das Westfränkische Reich bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts reicht (die Capets waren Franken; die Gesellschafts- und Herrschaftsstruktur blieben die alte fränkische). Dabei ist die Westfränkische Geschichte eine Geschichte des Niedergangs und Zerfalls, zwar mit kurzen Unterbrechungen des Erstarkens, aber am Ende, nach der Schlacht bei Agincourt (1415) steht das einst stolze Westfränkische Reich vor der Unterwerfung durch den englischen Thronprätendenten Heinrich den V. Das was nach dem Zerfall in Kleinfürstentümer wie der Provence oder Bretagne übrig geblieben ist, steht kurz davor in England aufzugehen und ein Teil des Reiches Heinrich V zu werden. Wir haben viel Mühe darauf verwand, warum zu diesem Zeitpunkt der Geschichte die einzige realistische Perspektive ein Untergang des Westfränkischen Reiches und die Entstehung eines Anglo-Fränkischen Doppelreiches unter Führung der Angel-Sachsen war. Dieser Band wird zeigen warum dies – wie wir alle wissen – nicht der Fall war. Hier mögen Zufälle und Glück eine Rolle gespielt haben, aber aus den Ruinen des Wesfränkischen Reiches erhob sich Frankreich, die kommende Macht Europas.

Hier wird ein weiterer Unterschied unserer Sichtweise der Geschichte zu der herkömmlichen deutlich. Wir glauben, dass Geschichte nicht stringent verläuft und häufig Zufälle und Glück mehr Einfluss auf die Zeitläufte haben, als die Weitsicht und das Geschick weiser Regenten. Geschichte wir häufig als stringenter und zwingender Verlauf der Ereignisse im Nachhinein und Rückblick rekonstruiert. Aber ist es realistisch zu glauben, dass ein Regent, der zu Beginn seiner Herrschaft ein weitentferntes Fort verbessern lässt, wusste, dass 30 Jahre später gegen Ende seiner Herrschaft dort ein Angriff stattfinden sollte, der nun Dank der verbesserten Festung abgewehrt wird? Ist es realistisch anzunehmen, dass der Großvater, als er noch regierte, wusste, dass sein Enkel einst das Fürstentum XY erben würde, wenn er seine Tochter dem Vater des zukünftigen, noch nicht geborenen aber zeugungsunfähigen Thronfolger dieses Fürstentums zur Frau geben würde?

Wir glauben, dies ist nicht der Fall, daher werden wir auch nicht versuchen die Geschichte in ein Korsett der Finalität und zwingende Abfolge von Ereignessen zu pressen, sondern die Ereignisse aus ihrem jeweiligen Kontext zu dem gegebenen Zeitpunkt zu interpretieren. Wir werden uns auf Frankreich konzentrieren und andere (europäische) Staaten überwiegend nur soweit betrachten wie sie für die französische Geschichte relevant sind. Andere wichtige Entwicklungen, die für das Verständnis der europäischen Politik wichtig sind werden in den aus dem ersten Band wohl bekannten Boxen dargestellt, genauso wie einige interessante aber eher nebensächlichen Ereignisse der französischen Geschichte und andere Hintergrundinformationen.

Sommer 1923, London, Paris und Amsterdam

Prof. Dr. Arthur Guinness
London School of Economics
And Political Sciences

Pof. Dr. Dr. h.c. mult. Luis Olivèr
Sorbonne

Dr. Wim van de Witt
Vrije Universiteit Amsterdam

Oliver Guinnes
30.09.02, 17:31
* Wer das Vorwort des ersten Bandes gelesen hat kann ohne größere Probleme diesen Teil überspringen, da es sich hier im wesentlich um eine Wiederholung des Vorworts handelt.
** Wer denken mag, dass ein Zitat aus einer katholischen Enzyklopädie aus wohl allen bekannten Gründen nicht besonders geeignet sei um für die französische Geschichte zu versprechen, der sei darauf verwiesen, dass dieses Zitat pars pro toto für Myriaden anderer möglicher Zitate aus beliebigen Geschichtsbüchern steht.

Oliver Guinnes
30.09.02, 17:35
I.i: Die Wende

„… Ehrwürdiger Vater, Wir suchen in Verzweiflung Euren Rat, Wir wissen nicht mehr was wir tun sollen. Seit der Schlacht bei Agincourt, wo Uns Heinrich, dieser Dämon in Menschengestalt, schlug und damit Unsere Hoffnungen unter einem Berg toter Ritter begrub, ist alles noch schlimmer geworden!

Die ehrlosen Angelsachsen haben fast fünfzigtausend Mann auf dem Boden des einst stolzen Westfränkischen Reiches unter Waffen, geführt von Bedford und Heinrich selbst, beide würdig mit Hannibal oder Cesar in einem Satz genannt zu werden. Was haben wir? Gerade mal zwei Heere je achtzehntausend Mann stark. Dazu stehen noch mal über zehntausend Mann des gierigen Burgunder an unseren Grenzen, und warten darauf für ihren Herzog über Unser Land herzufallen.

Gibt es denn nur noch dunkel? Haben Wir das Erbe Unseres Vaters, das Erbe Chlodwigs, Karls des Kahlen und Unseres Ahnherren Hugo Capets, verspielt? Sind Wir der Untergang der kümmerlichen Reste des einst stolzen Frankenreiches, sind Wir der Untergang Frankreichs? Gebt uns Licht weiser Vater! Licht und Kraft die Bürde die Uns Gott auferlegt hat zu tragen. …“ (Auszug aus einem Brief von Charles VI an seinen Beichtvater dem Erzbischof von Reims im Dezember 1418)

Diese Worte, mit denen wir ja schon den vorherigen Band beschlossen, beschreiben die Lage gegen Ende des Jahres 1418 recht gut. Alles sah nach dem Untergang des Reiches Charles VI aus. Nicht nur dass seine Feinde doppelt soviel Truppen zur Verfügung hatten, nein sie wurden auch noch von zwei der besten Feldherren des frühen fünfzehnten Jahrhunderts angeführt. Der militärische Untergang schien unausweichlich, und in Ermanglung eines starken Bündnisses oder auch nur eines starken außenpolitischen Freundes bedeutet dies auch den politischen Untergang. War in dieser Situation die Antwort die Joél de Bessé sur Bray – Erzbischof von Reims und Beichtvater des Königs – gab, nicht der beste Rat den man dem verzweifelten König geben konnte?

„ … Mein König, Eure Verzweiflung ist nur zu verständlich, die Lage scheint tatsächlich aussichtslos, und ich weiß Euch auch keinen Rat zu geben, als auf Gott zu vertrauen, und zu beten, dass sich alles zum Guten wenden mag. Ihr wisst, dass Wir kein Mann des Schwertes sondern einer des Glaubens und des Wortes sind, jedoch sprechen Wir hier häufig mit einigen Eurer tapfersten Krieger, und diese Gespräche lassen Uns glauben – verzeiht Unsere brutalen aber ehrlichen Worte –, dass die militärische Situation aussichtslos ist. Auch Wir wissen nicht was angebracht wäre Euch zu raten, zumal Wir keine Erfahrung in militärischen Dingen haben.

Ihr könnt den angelsächsischen Hunden – verzeiht diese unchristlichen Worte einem alten verbitterten Kirchenmann –Widerstand leisten, aber würde das angesichts Ihrer Übermacht nicht Euren Untergang bedeuten? Solltet Ihr nicht versuchen, zu retten was zu retten ist und Frieden machen mit Bastarden von der Insel? Wir wissen, dass ist viel von Euch verlangt, denn Heinrich wird erst Frieden machen, wenn er die Krone Frankreichs auf seinem Haupt trägt. Ich weiß, es sind Männer für Worte, die weitaus weniger von ihrem Herren verlangten, in den Kerker oder zum Henker geschickt worden, aber wenn Ihr Euren rechtmäßigen und von Gott gegebenen Anspruch aufgebt, gebt Ihr dann nicht nur das, was Euch sowieso genommen werden wird? Wenn Ihr jetzt Frieden mit Heinrich macht und Ihm die Krone anbietet, dann könnt Ihr nun noch Forderungen stellen: Ihr könnt verlangen, dass Ihr sein Statthalter werdet und Ihr die Krondomänen als Lehen erhaltet, dann wärt Ihr immer noch der mächtigste Mann auf dieser Seite des Kanals. Wenn Ihr kämpft und untergeht, was Ihr selbst erwartet, bleibt Euch nichts – außer das Exil oder der Henker. …“ (Auszug aus einem Brief des Beichtvaters Charles VI, dem Erzbischof von Reims, an ‚seinen’ König Ende Dezember 1418)

War dies nicht ein kluger Rat? War das nicht mehr als Charles VI in seiner auswegslosen Lage erwarten konnte, wenn Heinrich denn annahm? Zwar würde das Erbe seiner Ahnen an die Engländer fallen, aber er hätte die Krondomänen als sein Lehen, viel weiter reichte seine Macht ohnehin nicht, und er bekäme die Aufsicht über alle Ländereien Heinrichs auf dem Kontinent. Viel mehr Macht als er sich je erhofft hat! Wer ein wenig die europäische Geschichte kennt, weiß, dass Charles dies wohl anders sah. Er entschied sich zum Kampf.

Seine erste Handlung in diesem Kampf war es den Erzbischof unter Hausarrest zu stellen. Charles glaubte wohl, dass Joél de Bessé sur Bray mit dem Engländer gemeinsame Sache machte. Dieser Gedanke ist nahe liegend, die freiwillige Übertragung einer Krone an einen anderen Herrscher wäre ein so ungehöriger, nie da gewesener, ein so einmaliger Vorgang, der so weit aus der reichweite der möglichen Optionen lag, dass Verrat nahe liegend war. Beweise für eine Komplizenschaft de Bessés mit Heinrich ließen sich bisher nicht finden, was zwar auch nicht das Gegenteil – es handelte sich wirklich nur um einen gut gemeinten Rat – beweist, aber wahrscheinlich erscheinen lässt. Aber Charles hat dies wohl anders wahrgenommen, und die Wahrnehmung ist das, was des Menschen Handeln leitet. Und wahrscheinlich war es aus seiner Sicht nur sinnvoll vorsichtig zu sein. Hatte nicht schon einmal ein Bischof von Reims einen König gemacht und Hugo Capet, statt des rechtmäßigen schwächlichen karolingischen Erben, gekrönt und damit die Linie begründet auf die Charles sich selbst berief? Und hatten nicht zuvor ebenfalls die Karolinger – zwar faktisch schon Herrscher des Reiches – nur mit der Hilfe des damaligen Bischofs von Reims auch den Königstitel für sich gewinnen können? Was auch immer ihn leitete, er traute dem Bischof nicht mehr, es gibt keinen einzigen belegten Schriftwechsel oder gar ein Gespräch zwischen den beiden seit diesem Ereignis und seit dem fatalen Brief stand der Bischof unter Bewachung, unter Hausarrest.

Nun sollten wir uns aber Charles Kampf zuwenden. Wie würde er versuchen, sich aus dieser aussichtlosen Lage zu befreien. Der Kriegsrat (siehe Box I.i: Kriegsrat, Feldherren und Befehle) um Charles entschied, dem wirklichen Feind zunächst aus dem Weg zu gehen. Es wurde nicht Heinrichs Heer direkt angegriffen - was konnten sie auch anderes als eine Niederlage von solch einem Angriff erwarten? -, es wurden hingegen die schutzlosen, holländischen Provinzen von Englands Verbündeten Burgund als erstes Angriffsziel ausgewählt. Charles teilte seine Truppen auf, und lies sowohl Flandern als auch Artois von seinen Heeren belagern, während ein drittes Heer südlich von der Burgonge lagerte und auf Verstärkung wartete. Während dessen wurde Burgund von Charles Verbündeten – vor allem Auvergne und Bourbonnais – angegriffen und die Burgonge belagert.

Oliver Guinnes
30.09.02, 17:36
Man darf die damaligen militärischen Strukturen nicht im Lichte der heutigen sehen. Es war alles weitaus weniger stark strukturiert und die Befehlsketten nicht so eindeutig und nicht so lang. An erster Stelle stand natürlich der König, er hatte die absolute Befehlsgewalt, nur schade, dass die entsprechenden Befehle Tage bis Wochen brauchten bis sie dem Befehlempfänger erreichten. Ein Bote musste gesendet werden, der je nach Entfernung von Paris bis zu zwei Wochen reiten musste bis er in die Gegend kam in der das Heer zu dem er geschickt wurde sich aufhalten sollte. Sollte – aber nicht immer tat, denn auch ein Heer konnte innerhalb von zwei, drei Wochen eine erhebliche Strecke zurücklegen. War dies geschehen, musste der Bote den neuen Standort des Heeres ausfindig machen – falls es noch existierte. Endlich angekommen, musste der Feldherr an den der Befehl gerichtet war, diesen in die Situation einordnen, und eine Bericht an seinen König verfassen. Dieser war dann wieder bis zu zwei Wochen unterwegs. Addiert man dies alles zusammen, so konnten gut vier bis fünf Wochen vergehen bis der König eine Reaktion auf seine Befehle und Informationen über die Lage Vorort bekam.

Auf Grund dieses recht großen Zeitabstandes war es gut möglich, dass sich die Situation bei Ankunft des Befehls erheblich von der bei Erteilung unterschied. Es geschah häufiger, dass ein Herr, das den Befehl erhalten hatte an eine bestimmten Ort zu marschieren, um sich dort mit einem zweiten Heer zu vereinigen, nicht auf dieses traf, da es schon vom Feind vernichtet worden war. Im schlimmsten Fall lauerte dieser Feind schon in guter Position um auch noch das erste Heer zu vernichten. Um auf solche Situationen und unvorhergesehene (unvorhersehbare) Ereignisse reagieren zu können genossen die Feldherren der damaligen Zeit extrem große Entscheidungsspielräume, darüber wie sie die Befehle ausführen wollten und wie ihre Aufgaben zu erledigen waren. Die Entscheidungsspielräume über das wie waren oft so groß, dass es auch Entscheidungen über das ob wurden. Zumal der König in solchen Fällen nur selten den betreffenden Feldherren wegen Befehlverweigerung zur Rede stellen konnte, da selten eindeutig zu klären war ob die getroffen Entscheidung nicht auf Grund der Situation gerechtfertigt vom Auftrag abwich.

Der König hatte also zwar die absolute Befehlsgewalt – viel uneingeschränkter als die meisten der heutigen Oberkommandierenden - aber es fehlte ihm die Möglichkeiten zur Überprüfung und Durchsetzung – ganz anders als heutige Oberkommandierende, die über Funk, Fernsprechapparate und Morsegeräte im Minutentakt mit ihren Untergebenen in weiter Entfernung kommunizieren und so ihre Untergebenen an einer viel kürzeren Leine führen können. Folglich kann ein Kriegsrat von damals auch keine Ähnlichkeit mit einem heutigen Generalstab oder Oberkommando haben.

In den Kriegsräten der damaligen Zeit setzten sich aus verschiedenen Leuten zusammen. Alte Feldherren, allgemeine politische Berater des Königs, Vertraute des Königs, manchmal der Kronprinz. Diese Zusammensetzung wechselte häufig, kam ein Feldherr von der Front zu seinem König so war er Bestandteil der Rates, ging er wieder, so verließ er auch den Rat. Zog der König übers Land, sei es um seine Truppen zu besuchen oder um selbst ein Heer zu führen, dann schrumpfte der Rat meist dramatisch, da viele der nicht rein militärischen Berater in der Hauptstadt Funktionen zu erfüllen hatten, die sie unabkömmlich machten. Will man ein extreme Position beziehen, so könnte man behaupten, die Kriegsräte wären nichts weiter gewesen als lose Diskussionszirkel um den König der dann doch entschied wie er wollte – was aber auch nichts machte, da die Feldherren ja auch machten was sie wollten, denn in den Kriegsräten wurden die weiten Linien des Krieges eher grob abgesteckt. Soll man erst Land A, B oder beide angreifen? Hat der Süden oder der Westen Priorität? Sollen feindliche Städte erobert oder die eigenen erst befreit werden? Es wurde eher lose Aufträge verteilt. Im Stile von: Versucht möglicht viel burgundischen nieder Landen zu erobern. Verhindert, dass Glouster den Kanal erreicht. Wie dann dieser Auftrag auszuführen ist entschied, dann der Heerführer vor Ort – mit all seinen Spielräumen. Dies hat zwei Implikationen:

1.) die Besprechungen im Kriegsrat waren nicht so zentral wie heute. Daher wurden sie auch in den seltensten Fällen aufgeschrieben. In schriftlicher Form sind wenn überhaupt Befehle an einzelne Heerführer erhalten. Daher ist es häufig schwer zu identifizieren, ob hinter den Heeresbewegungen ein großer langfristiger Plan steht, oder nur Tagesgeschehen, Zufall und Glück. Wir wissen also nicht, ob Charles – oder andere Heerscher – überhaupt einen Plan mit langfristigen strategischen Zielen hatte, oder nur das tat und befahl, was ihm im betreffenden Augenblick sinnvoll erschien.

2.) Die Bedeutung der Heerführer und ihrer Talente kann gar nicht überschätzt werden! Heute werden Kriege von der militärischen Zentrale aus und durch die dort entwickelten Pläne entschieden. Die Heerführer vor Ort spielen kaum noch eine Rolle. Aber damals gab es keinen solchen Plan – und wenn, dann stimmte er nicht mit der Realität überein. Ob eine Schlacht gewonnen wurde oder nicht, hing nicht davon ab, dass entfernte Truppenteile von denen der Heerführer gar nicht wusste die Befehle in einem größeren Plan ausführten, sondern wie er, der Feldherr, die Lage einschätzte, wie er seine Truppen einsetzte oder gegebenenfalls rechtzeitig zum Rückzug blasen ließ. Ein talentierter Feldherr, konnte ohne weiteres ein zahlenmäßig übergelegenes Heer schlagen und so entscheidend zu Sieg oder Niederlage beitragen. Ein Mangel an solchen Feldherren stellte für das betreffende Reich, einen erheblichen Nachteil dar, der kaum aufzuwiegen war.

Oliver Guinnes
30.09.02, 17:39
Unterdessen versuchte Heinrich mit seinen Truppen Maine einzunehmen. Schnell hatte er die dortigen Truppen zerstreut und mit den seinen die Belagerung begonnen. Jedoch war die Versorgungslage der Engländer recht schlecht, so dass sie wesentlich mehr Leute durch Krankheiten und Hunger verloren als durch gelegentliche Scharmützel. Eine weitre Entlastung trat für Charles unverhofft ein, der Herzog der Bretange bot den Frieden zum Status Quo an – oder bat er um Frieden? –Charles akzeptierte sofort, denn so nahm er mehre Tausende Feinde aus dem großen Kampf.

Der Kriegsverlauf war für Charles recht erfreulich, während seine Truppen bis zum Sommer 1419 sowohl Flandern und Artrois eroberten und mittlerweile Calais, Franche Comté, Zeeland und Holland belagerten verbiss sich Heinrich, nachdem seine Truppen Maine genommen hatten, in Orleans. Jedoch an der ‚Heimatfront’ führte der Krieg zu einer gewissen Unruhe, da Charles zur Finanzierung des Krieges regelmäßig im letzten Quartal des betreffenden Jahres Kriegssteuern erhob.

In der Zwischenzeit hatte eine Reihe von kleineren Fürstentümern – Gelre, Savoyen, Friesland, Münster, Lothringen, Straßburg und Kleve – Burgund nach und nach den Krieg erklärt. Diese würde aller Voraussicht nach die verzweifelten Überfälle kleinere burgundischer Einheiten auf die Belagerungsarmeen Charles’ reduzieren. Jedoch am 25. September 1419 erreicht Charles eine verhältnismäßig schlechte Nachricht: das kleine Königreich Navarra im Süden der fränkischen Besitzungen trat dem Bündnis mit England und Burgund bei und eröffnete eine neue Front. Es war nur ein kleines Land, so dass die zusätzlich Gefahr nicht sehr bedrohlich war, jedoch konnte diese neue Herausforderung zu einer starken Ablenkung der Konzentration der Kriegsaktivitäten führen.

Am 5. November des Jahres 1419 war es endlich soweit: Burgund bat um Frieden und bot Charles sowohl die reiche Provinz Flandern samt Handelszentrum als auch Artois an. Zwar hatte Charles Burgund wesentlich nachhaltiger geschlagen, als es in diesem Friedensangebot zum Ausdruck kam. Jedoch der Frieden würden es erlauben die Kräfte auf England zu konzentrieren und es kam gleichzeitig zu einer Stärkung des schwachen Reiches durch die Einnahmen aus dem flandrischen Handelszentrum. Charles akzeptierte. Der 5. November 1419 war der Tag an dem das Reich nach einer langen Geschichte des Niedergangs wieder wuchs! Das war der Beginn einer der größten Wenden in der europäischen Geschichte.

Um die nun verbesserte Position diplomatisch abzusichern und den Frieden mit den Burgundern zu besiegeln, wurde eine entfernte Cousine des Königs mit einem Vetter des Herzogs verheiratet. Betrachtet man den tatsächlichen Status der beiden, dann war es wohl ehre eine symbolische Geste, als das traditionelle Geiselstellen der Franken (Box I.ii: Hochzeit, Geiseln und Diplomatie). Wenn auch ein wage Sicherheit, dann doch mehr Sicherheit als das Wort des recht kriegstreiberischen Herzogs von Burgund.

Oliver Guinnes
01.10.02, 12:00
Ein recht konstantes Phänomen über Zeit und Raum ist das Stellen von Geiseln zwischen Herrscherhäusern. Nicht nur bei den Kelten, Inkas, Germanen, Schotten, Wikinger, Irokesen, Hutus oder in Japan und China, war dies ein regulärer Bestandteil der Politik, sondern bei fast allen Völkern zu jeder Zeit. Wer wurde wann und weshalb Geisel? Die Urform des Geiselstellens ist die Geisel zur Sicherung eines Friedens. Das unterlegene Volk oder der unterlegene Stamm musste nicht nur Ländereien abtreten oder sich zu Tributzahlungen verpflichten, sondern sie hatten sehr häufig auch Geiseln zu stellen. Diese Geiseln sollten garantieren, dass der untelegene Herrscher sich auch an die Friedensvereinbarung hielt. Tat er dies nicht, wurden je nach Verstoß gegen die Vereinbarung eine, mehrere oder alle Geiseln getötet. Letzteres war dann in der Regel der Beginn eines neuen Krieges.

Damit das Geiselstellen auch die erwünschte Wirkung hat – Einhaltung der Friedensvereinbarung durch die Unterlegenen – war es notwendig, dass dem geiselstellenden Herrscher, Clan oder Stamm soviel an den Geiseln lag, dass er sie nicht leichten Herzens opfern würde. Daher waren diese Geiseln häufig nahe Verwandte des Herrschers – Söhne, Brüder oder eher selten Töchter und Schwestern (Frauen galten in den früheren Zeiten nicht viel) – oder die Verwandten von hohen und wichtigen Adligen bzw. anderen Würdenträgern, die im Zweifel so stark waren, dass sie den Herrscher zur Einhaltung der Vereinbarung zwingen konnten.

Neben dieser klassischen Form gibt es zahlreiche Variationen des Geiselstellens, wobei nicht immer klar ist, ob der ‚Geiseleffekt’ oder andere Beweggründe im Vordergrund standen. So war es unter den keltischen Kleinkönigen im Irland der späten Antike und des frühen Mittelalters üblich, dass ihre Söhne und die ihrer wichtigsten Adligen an die Höfe anderer Herrscher geschickt wurden. Es ist schon insofern nicht mehr das oben beschriebene Geiselstellen, als dass zuvor keine Kriegshandlungen vorgelegen haben müssen und dass es freiwillig und nicht selten wechselseitig geschah. Ein Grund für dieses Verhalten war, dass die Königssöhne an dem fremden Hof das ‚Königshandwerk’ erlernen sollten. Dies ist sehr ähnlich dem, was wir von den Händlern des Mittelalters (z.B. denen der Hanse) kennen. Deren Söhne lernten das Händlerhandwerk nicht im väterlichen Betrieb, sondern bei einem befreundeten Händler in einer anderen Stadt.

Neben diesem Ausbildungszweck erfüllte das irische Geiselwesen aber auch zwei weitere Funktionen. Zum einen die diplomatische Funktion der Friedenerhaltung. Denn wollte ein Kleinkönig einen anderen überfallen an dessen Hof sich sein Sohn befand so war letzterer todgeweiht. Nicht, dass dies Krieg ausschloss, meist hatte der König ja mehrere Söhne, aber es reduziert die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses. Zum anderen gab es noch die Spionagefunktion: Kriegsvorbereitungen – Aufruf an die Adligen zur Heerschau – wurden schnell bemerkt und konnten dann an den elterlichen Hof weitergeleitet werden, falls die Geisel nicht schon präventiv getötet wurde.

Eine andere Variation stellt die dynastische Verknüpfung zweier Staaten durch die Hochzeit von Mitgliedern der Herrscherhäuser oder hoher Adliger dar. Da die Frau immer an den Ort ihres Mannes ging, stellte also der Herrscher die Geisel aus dessen Reich die Braut kam. Dies war eher eine schwache Form des Geiselstellens, denn, wie schon angedeutet, hatten Frauen kaum eine Bedeutung für die Macht des Herrschers, sie kamen i.d.R. weder als Thronerben noch als Heerführer in Frage. Daher war sie abgesehen von einer emotionalen Bindung kaum ein Verlust. Folglich hatten derartige Hochzeiten einen eher symbolischen Charakter. Wobei wiederum zwei Aspekte nicht vernachlässigt werden sollten: Erstens, lieferten die frisch Vermählten häufig Berichte über das Geschehen in ihrer neuen Heimat an den Brautvater, so dass hier auch wieder eine Spionagefunktion vorlag. Zweitens, konnten durch eine geschickte Heiratspolitik und etwas Glück, Thronansprüche und Erbrechte erworben werden, die ein Reich auf ansehnliche Größe wachsen lassen konnten (wie es z.B. die Habsburger sehr erfolgreich taten, hierzu aber später mehr). Diese potenziellen Thronansprüche führten wiederum zu einer Stärkung des Geiseleffekts, denn durch einen Krieg wurde diese eventuell gefährdet. Jedoch, blieb die königliche Hochzeit hauptsächlich ein symbolisches Instrument der Diplomatie, das neue Bündnisse und Friedensschlüsse bekräftigen sollte.

Ein weiter Effekt sei noch erwähnt. Es war nicht nur das Land, das die Braut empfing etwas sicherer gegen etwaige Angriffe des sendenden Reiches, sondern auch umgekehrt. Denn es kam nicht selten vor, dass die Familie in die die Braut einheiratete nun besonders enge Bindungen zu deren Heimaltfamilie entwickelt. Daher lehnte diese dann auch meist einen Angriff ab. Handelte es sich um eine wichtige Familie so konnte ihr Widerstand zu erheblichen politischen Unruhen und ein Verlust an innere Stabilität führen.

Oliver Guinnes
01.10.02, 12:02
* Wir können hier natürlich nur sehr kurz einige Aspekte dieses facettenreichen und komplexen Themas ansprechen. Wer ein weitergehendes Interesse and diesem Thema hat sei das lehrreiche und unterhaltsame Buch von Renè Carrot und Torben Johantson (1897) empfohen. Neben einer scharfen Analyse liefern die beiden Autoren auch zahlreiche Anekdoten, die oft heiter zu lesen sind.

Oliver Guinnes
01.10.02, 18:35
Während dessen waren die Engländer nicht untätig und bauten Ihre Position aus indem sie das kürzlich eroberte Orleanais annektierten. Dies hieß zwar, dass Charles nun einen Vasallen und Verbündeten weniger hatte, aber das war wohl ein Preis den Charles für die Niederwerfung Burgunds und den Erwerb zweier reicher Provinzen sowie die Ablenkung und Schwächung der Engländer durch die Belagerung gerne bereit war zu zahlen.

Die durch den Frieden mit Burgund frei gewordenen Armeen wandten sich nun gegen englische Provinzen. Jedoch versuchte Charles nicht den Feind direkt anzugehen und dessen Truppen im Feld zu stellen, sondern er begann Belagerungen in zahlreichen Provinzen des Feindes. Für eine offene Feldschacht hielt er sich wohl noch nicht stark genug. Die nördlichen Truppen nahmen die Belagerung von Calais, Caux und Orleanais – zwar war er bereit den Preis für einige Vorteile zu zahlen, aber nicht auf Dauer – auf und die südlichen richteten sich gegen Guyenne und Gasgocne.

Die Belagerungsarmee in Calais, ca. 35 000 Mann stark, wurde am 24.12.1419 von etwa 25 000 Engländern unter Herzog Glouster angegriffen. Zwar sprach das Zahlenverhältnis eindeutig für die Franzosen, jedoch wurden solche Zahlenspielereien häufig von einem talentierten Heerführer, wie es Glouster sicherlich war, ins Gegenteil verkehrt. Zumal Charles’ Truppen mit keinem Angriff rechneten, da zum einen der Winter nicht die geeignete Zeit für lange Märsche war und vor allem, weil es unter den christlichen Völkern nicht üblich war sich an hohen christlichen Feiertagen auf dem Schlachtfeld gegenüber zu treten. Daher war der Überfall der Engländer am Heiligenabend und der darauf folgende Schlacht ein äußerst skandalöses Verhalten, das für Aufsehen in ganz Europa führte und der englischen Reputation erheblich schadete. (siehe auch Box I.iii)

Oliver Guinnes
01.10.02, 18:37
„… und, lieber Bruder, was denkt Ihr von den ungehörigen Vorgängen um Calais? Welch ein unchristliches Verhalten! Wir wüssten gern was die Engländer trieb, welch Teufel oder Dämonen in sie gefahren sind. Mit ihrem tun haben sie sich außerhalb der christlichen Familie gestellt. Kein gläubiger Fürst wird mit Ihnen noch ein Bündnis eingehen wollen. Habt Ihr schon was aus Rom gehört? …“ (Auszug aus einem Brief Ernst Augusts, Graf von Hoya an seinen Bruder Georg, Abt von Minden)

„ Lieber Burder,
in der Tat haben die Engländer nicht wie Christen gehandelt, und boten aus Rom berichten, dass der Heilige Vater so auch denkt. Leider sind ihm wohl die Hände gebunden, da Heinrich nicht bei der Schlacht anwesend war und der teuflische Glouster gefallen ist, gibt es niemanden den exkommunizieren könnte. Es bleibt ihm nur die Taten der Engländer in seinen Predigten zu geißeln und als unchristlich zu brandmarken. …“ (Aus der Antwort des Abtes von Minden an seinen Bruder, den Grafen von Hoya)

„Edler Cousin, Herr Kastiliens, Verteidiger der Christenheit,
… Euer Volk wirft sich heroisch gegen die Muselmanen um die Christenheit zu verteidigen und den Berbern den wahren Glauben zu bringen und was tun die Engländer? Sie treten unseren Glauben mit Füßen! Die ganze Christenheit schreit ob dieses Frevels auf! Wenn Ihr die Engländer für diese Ketzerei strafen wollt, so werden Wir, wie es sich für einen Christen gebührt, an Eurer Seite stehen. … (Auszug aus einem Brief des Königs von Portugal an den König von Kastilien)

„… Auch Wir waren entsetzt als Wir die Nachricht erhielten. Und wohl nicht nur Wir, denn Gott strafte diese elenden Häretiker mit Niederlage und Tod. Leider hindert Unser Kampf gegen die Muselmanen Uns daran die Engländer zu strafen …“ (Auszug aus der Antwort des Königs von Kastilien an den König von Portugal)

„… Als das Jahr des Herren 1419 sich seinem Ende zuneigte und die Christenheit sich auf das hohe Fest zu Christiegeburt vorbereitete, geschah in den englischen Besitzungen auf dem Kontinent ungehöriges. Ein englisches Heer unter dem Herzog von Glouster griff am Heiligen Abend ein französisches Heer an und entweihte damit das heilige Weihnachtsfest. Ein Jeder Christ soll es sich eine Lehre sein lassen, dass auf derartigen blasphemischen Taten kein Segen ruht, denn die Engländer wurden bis auf dem letzten Mann von Gottes Zorn und ein paar fränkischen Ritter getötet. …“ (Auszug aus den Annalen der Universität Bologna)

Oliver Guinnes
01.10.02, 18:38
* Ausführliche Analysen der Auswirkungen der Weihnachtsschlacht auf die außenpolitische Situation Englands und der Wirkung nach innen finden sich in Arthur Guinness Werk über die Regierungszeit Heinrich des V (Guinness 1911).

Oliver Guinnes
01.10.02, 18:42
Die Weihnachtsschlacht endet in der totalen Katastrophe für das englische Heer. Es wurde vollständig aufgerieben und Glouster fiel. Nach diesem Sieg stand kein starkes englisches Heer mehr auf dem Kontinent und Charles dominiert die militärische Lage, da das englische Hauptheer versuchte, den französischen verbündeten Schottland in die Knie zu zwingen. Die Engländer führten wohl an zu vielen Fronten Krieg als das sie zu diesem Zeitpunkt noch in der Lage gewesen wären starke Entsatzheere auf den Kontinent zu schicken - sie hatten also genau das Problem, dass Charles für Frankreich vermieden hatte in dem er einen Feind anch dem anderen anging. So vielen der Reihe nach Calais (30.04.1420), Caux (30.10.) und Orleanais (27.11.) an Charles Truppen. Sowohl Heinrich als auch das mit ihm verbündete Navarra realisierten, dass sich das Kriegsglück vorerst gegen sie gewandt hatte und machten Friedensangebote. Die Engländer boten recht stattliche Entschädigungszahlungen an. Doch es war wohl nicht Charles Ziel seinen an sich stattlichen Staatsschatz noch weiter aufzufüllen, sondern er wollte die Engländer vom Kontinent zu vertreiben.

„Königlicher Cousin,
wollt Ihr Uns beleidigen? Ihr bittet Uns für schnöden Mammon mit Euch Frieden zu machen. Haltet Ihr Uns für einen so ehrlosen Verräter am Erbe Unserer Ahnen, dass Ihr meint Ihr könnt Uns für ein paar Silberlinge kaufen, wie die Römer einst den Judas? Oder vielleicht müssen Wir eher fragen, ob Ihr nicht ehrlos seid, wenn Ihr glaubt Wir könnten ein solches Angebot akzeptieren.

Frieden gibt es nur gegen Caux, Calais, die Normandie und Orleanais, sowie Euren schriftlichen und vom Papst bestätigten endgültigen Verzicht auf Unseren Thron. …“ (Auszug aus der Antwort von Charles dem VI auf das erste englische Friedensangebot).

Diese militärischen Erfolge waren teilweise von inneren Problemen begleitet. So war der Adel und insbesondere seine führenden Köpfe sich sehr wohl bewusst, dass Charles für seine Kriegsführung auf sie angewiesen war. Das gab ihnen bei derartig langen Kriegen mit solch starken Gegnern die Möglichkeit sich Privilegien und Rechte zu erstreiten. Insbesondere Vileroy de Senlis, gelang es so nicht nur die Grafschaft Champagne als Lehen zu erhalten, sondern auch für den gesamten Adel weitere Rechte in ihren Lehen durchzusetzen. Es kam zu einer Stärkung des Aristokratie – zumindest für eine gewisse Zeit.

„ … Heute war wieder dieser unsägliche de Senlis, Graf de Champagne geht mir noch nicht von der Hand, beim König und hat wie ein Straßenhändler mit Ihm gefeilscht. Auf was für gar merkwürdig Ideen diese Adligen manchmal kommen: de Senlis bestand darauf, dass nur Adlige rote Schuhe tragen dürften, auf das man sie besser vom gemeinen Volk unterscheiden könne (wohl wahr, so manchem wird es wohl schwer fallen de Senlis ohne rote Schuhe von einem Eber zu unterscheiden). Dies ließ sich ja noch verschmerzen, jedoch haben sie auch eine gewisse Immunität vor dem Gesetz erhalten, was den königlichen Zugriff auf den Adel weiter schmälert. Damit ist wohl unser – mein – Plan gescheitert, de Senlis durch das Lehen der Champagne auf unsere Seite zu ziehen. Der König meinte ich solle mich angesichts des Fehlschlags nicht grämen, es hätte ja auch funktionieren können. Außerdem werde Er nach dem Krieg die Adligen noch einiges erleben können daraufhin begann er zu lachen und ließ Wein und Mätressen kommen. Seinen Optimismus würde ich gerne teilen. …“ (Auszug aus den Aufzeichnungen des Abtes von St. Dennis, enger Vertrauter und Berater des Königs).

In der Zwischenzeit war es Heinrich gelungen wieder ein Heer – unter seiner Führung – auf dem Kontinent zu landen. Es bestand im Wesentlichen aus Kavallerie und war daher kaum für Belagerungen geeignet. Es sollte also aller Wahrscheinlichkeit nach die verschiedenen Belagerungsheere Charles schlagen und so Entsatz zu den englischen Provinzen zu bringen. Den ersten Versuch startete Heinrich am 21.01.1421. Er griff mit seinem Ritterheer die Belagerer von Maine an – und verlor. Auch der zweite Versuch am 19.02. die Belagerung der Normandie zu sprengen scheiterte kläglich.

Da Charles nunmehr die militärische Vorherrschaft auf dem Kontinent nicht mehr gefährdet sah wollte er eine schnelle Entscheidung des Krieges herbeiführen. Zum einen schickte er ein im Süden ein neu formiertes Heer gegen Navarra. Dies Heer traf dort im März ein und wurde von einer dreimal größeren Streitmacht des Gegners empfangen. Die Truppen Navarras waren jedoch recht jung und schlecht ausgebildet, so dass es dem französischen Heer trotz der zahlenmäßigen Unterlegenheit gelang sie zu besiegen. Dies war aber ein klassischer Pyrrhussieg, die Verluste des französischen Heers waren beträchtlich und die Männer Navarras hatten an Erfahrung gewonnen, so dass letztere in ihrem zweiten Versuch erfolgreich waren und das französische Heer vernichteten.

Zum anderen sollte ein waghalsiges Unternehmen den Krieg nach England tragen. Die bis dahin im Atlantik vor sich hindümpelnde Flotte wurde in Kanal entsandt. Dort sollte sie Truppen aufnehmen und nach England bringen, um so den Feind auf heimischen Boden zu schlagen. Auf diese Weise wollte Charles seine Verhandlungsposition stärken, um dann alle Provinzen auf dem Kontinent den Engländern entreißen zu können. Die Flotte unter dem Baron Le Puy traf vor der Cote D’Argent auf eine englische Flotte, die zahlenmäßig, an Erfahrung und technologisch überlegen war. Le Puy hatte keine Chance und verlor.

„… Nehmt Euch diese Niederlage nicht zu Herzen, es war nicht Euer, sondern Unser Fehler. Wir hätten Euch und Eure Männer niemals gegen einen solch überlegenen Feind schicken dürfen. Aber um diesen Krieg – oder den nächsten – wirklich gewinnen zu können, müssen Wir Truppen nach England bringen können. Und so ist Eure Niederlage Euer Sieg – Ihr seid endlich mit Euren Forderungen nach neuen Schiffen und mehr Geld für bessere Ausrüstung zu Uns durchgedrungen. Wir beauftragen Euch hiermit eine Flotte aufzubauen, die zumindest so lange den Engländer widerstehen kann, dass sie 20 000 Mann und 7500 Pferde über den Kanal zu bringen vermag. Anbei findet Ihr weitere Anweisungen …“ (Aus einer Depesche Charles des VI an den Oberbefehlshaber der Flotte, Baron Le Puy).

Augustus Rex
02.10.02, 02:53
Edler OG,
Wir sind schon zu betrunken - aber der Anfang ist KÖSTLICHST!

Morgen gehts weiter....

Augustus Rex
02.10.02, 13:27
Das ist wirklich großartig - eine unglaublich angenehme Lektüre!

Oliver Guinnes
02.10.02, 14:35
** erröt ** (zumal das Kompliment vom Verfasser des berühmten "Scotch please" kam)

Wir werden weiterhin versuchen zu gefallen, soweit es die Zeit zu lässt. Montag ist mein Urlaub zu Ende, und heute kommt Unsere Mätresse von einer längeren Reise zurück, was für mancherlei Ablenkung sorgen mag, so dass die Fortsetzung sich verlangsamen mag.

Dank für die Ermunterung. Aber Wir sind auch für Kritik offen. Uns selbst beschleicht hin und wieder das Gefühl, dass wir etwas langatmig berichten. Das imitiert vielleicht ganz gut den Stil gelehriger Werk, aber wenn Wir ehrlich sind müssen Wir gestehen, dass es wohl in Unser Natur liegt, langatmig zu sein (leider ohne die dazugehörige Gelehrigkeit)

:drink:

Oliver Guinnes
02.10.02, 17:13
Aber bei diesen Niederlagen handelte es sich nur um temporäre Rückschläge; im späten Frühling des Jahres 1421 wurden die Engländer sowohl aus Maine als auch aus der Gascogne vertrieben. Kleiner Schlachten gegen versprengte englische Truppen verliefen siegreich und auf dem diplomatischen Parkett mussten die Engländer eine schwere Niederlage einstecken, als der Herzog der Bretagne sich im Juni aus dem Vasallenverhältnis mit Heinrich löste. Nun standen den Engländern die bretonischen Häfen für die sichere Landung von Truppen nicht mehr zur Verfügung. Ein nicht zu vernachlässigender Vorteil war entfallen. Nur von der Front in Navarra gab es immer wieder schlechte Nachrichten. Das südliche Heer erlitt eine Niederlage nach der anderen und musste immer wieder verstärkt werden. Dennoch erschien die Situation für Charles zur Jahreswende 1421/22 sehr positiv. Alle englischen Besitzungen auf dem Kontinent waren in seiner Hand oder wurden von seinem Heer (Normandie) oder dem des Herzogs der Auvergne (Poitu), einem Verbündeten, belagert.

Trotz dieser Lage lehnten die Engländer immer wieder die von Charles gemachten Friedensangebote ab. Diese Angebote – oder vielmehr Forderungen – entsprachen weitestgehend dem weiter oben zitierten Beispiel: die Übergabe der Kanalprovinzen, eine geringfügige finanzielle Entschädigung und Verzicht Heinrichs auf den Thronanspruch für sich und seine Erben. Die Situation war festgefahren, die eine Seite forderte mehr als die andere zu geben bereit war und die andere bot weniger als die andere haben wollte und zugleich machte keine Seite militärische Fortschritte. Charles hatte keine Möglichkeit seinen Gegner auf der Insel anzugreifen, Heinrich kam nicht mehr auf den Kontinent – zumindest solange nicht, wie er mit den Schotten beschäftigt war. Diese Situation änderte sich auch nicht grundlegend durch die Eroberung der Normandie im Mai 1422.

Es sah also alles danach aus, dass Charles VI und Heinrich V auf ewig weiter miteinander ringen würden in ihrem großen Kampf. Ein Kampf, der ihre Länder erschöpfte und die Leben der edelsten und besten Männer ihrer Reiche forderte. Aber dann nahm die Geschichte eine Wendung, die sich kaum ein Dramaturg hätte besser überlegen können. Im Herbst 1422 starben Heinrich (am 02.09.) und Charles (22.10.) kurz nacheinander und Heinrich (VI) und Charles (VII) folgten ihnen auf die Throne. Diese Pointe der Geschichte, dass die Leben dieser beiden Herrscher, die so eng mit einander verstrickt waren, so kurz nacheinander endeten, lässt Ihr Dasein als eine symbiotische Hassliebe erscheinen, in der der eine nicht ohne den anderen leben konnte. Heinrich V und Charles VI, das große Paar der anglo-französischen Geschichte, vereint im Leben, im Kampf und nun auch im Tod.

Charles VI hatte viel erreicht: nur noch eine Provinz war in englischer Hand und es gab keine englische Truppen mehr auf den Kontinent. Dennoch war dies nur ein unvollständiger und flüchtiger Erfolg, denn formal würden die Provinzen den Engländern bis zu einem Friedenschluss gehören. Von der Fähigkeit seines Sohnes die Engländer weiter niederzuhalten und einen würdigen Frieden zu machen würde es abhängen, ob Charles Herrschaft dereinst als ein neuer Anfang oder doch nur als der Anfang des Endes gelten würde.

Charles VII war jedoch sogleich mit einem Problem konfrontiert worden, dass ihm noch viel Ärger bereiten würde. Der neue Herrscher Englands hatte nicht lange gezögert und sofort gehandelt. Ein kleines – noch? – Heer von 5 000 Mann unter Beuchamp* war in Calais gelandet, und schien als Brückenkopf für eine größer Invasionsarmee zu dienen. Noch Charles VI hatte hierauf reagiert und ein zahlenmäßig überlegenes Heer nach Calais entsandt. Dieses traf am 22.10 – am Tag der Thronbesteigung durch Charles VII – auf die Engländer. Es wurde vernichtet. Was für ein Omen! Der erste Tag seiner Herrschaft begann mit einer Niederlage gegen die Engländer. Der ersten wirklichen Niederlage seit … ja, seit wann? Seit Agincourt! War mit Heinrich VI ein neuer Löwe auf Englands Thron, der den gallischen Hahn zerreißen würde? Waren die Erfolge der letzten Jahre nur ein kurzes Aufflackern vor dem finalen Niedergang gewesen? Der junge König war verzweifelt.

„… Sei nur froh, dass nicht Du diese Bürde tragen musst kleiner Bruder, dass nicht Du Vaters Erstgeborener bist. Seit ich den Thron bestiegen habe, ist nur Missgeschick über das Reich gekommen, das Vater hinterlassen hat. Die Engländer haben am gleichen Tag eines unserer stärksten Heere mit einer unterlegenen Streitmacht vernichtet; wie soll ich nur jemals genügend Männer zusammen bekommen um ein Heer zu haben, das in der Lage ist diesen Beuchamp zu schlagen? Die holländischen Provinzen rebellieren gegen Unsere Herrschaft; Gott hat sich gegen mich gewand.
Die Krone unseres Vaters ist zu groß für mein Haupt, daher werde ich erst die feierliche Krönung vornehmen lassen, wenn ich durch einen respektablen Frieden die Erfolge unseres Vaters gesichert habe. Dies schwöre ich bei Gott dem Allmächtigen. …“ (Auszug aus einem Brief von Charles VII an seine jüngeren Bruder Henry (sic!) kurz nach seiner Thronbesteigung)

Oliver Guinnes
02.10.02, 17:15
* Beuchamp gehört zu den faszinierendsten Personen der Militärgeschichte; von vielen wir er für Genie gehalten. Er hat viele Schlachten in den seine Truppen zahlenmäßig hoffnungslos Unterlegen waren gewonnen. Häufig wurden seine Siege durch die Politik wieder zunichte gemacht. Eine spannende Biographie über diesen herausragenden Mann hat Hobsbawn (1899) verfasst.

Oliver Guinnes
02.10.02, 17:16
Wie schrieb Charles VII noch? „ … wie soll ich nur jemals genügend Männer zusammen bekommen um ein Heer zu haben, das in der Lage ist diesen Beuchamp zu schlagen …“? Die Antwort hierauf war einfach und lieferte die Geschichte: gar nicht! Soviel Mann Charles auch zusammen zog, das langsam verstärkte aber immer noch kleine Heer Beauchamps schlug seine Männer ein ums andere Mal. Nach der vollständigen Vernichtung der in den ehemals burgundischen Provinzen stationierten Truppen kam es zu Anflügen von Panik im Pariser Kriegsrat. Der sofortige Abbruch der Bemühungen des Südheeres in Navarra wurde befohlen und es sollte in Eilmärschen nach Paris verlegt werden, da befürchtet wurde, dass Beuchamp, wenn sein Heer stark genug war auf die Hauptstadt marschieren würde.

In dieser Situation tat Heinrich VI etwas Unerwartetes. Er bot Frieden und die Provinzen Normandie, Caux, Orleanais! Das war weniger als Charles’ Vater immer wieder verlangt hatte. Aber das Land war müde und unweit von Paris lag ein ständig wachsendes Heer unter Beauchamp, das wie ein riesiges Ungeheuer mit unstillbarem Appetit auf Franzosenfleisch schien. Charles VII akzeptiert, obwohl er wusste dass viele mit diesem Sieg unzufrieden sein würden (siehe Box I.iv um nicht nur Belege hierfür zu sehen, sondern auch für Beispiele wie viele versuchten, diesen Frieden zu Ihrem Vorteil zu nutzen). Andererseits war doch auch viel gewonnen: Mit der Normandie und Caux hatte Charles VII nun zwei Kanalprovinzen erhalten, die es erleichtern würden in einer mit Sicherheit kommenden neuen Auseinandersetzung den Krieg nach England zu tragen. Und Orleanais war eine reiche Getreideprovinz, die es gestattete würde größere stehende Heere zu versorgen als bisher. Und nicht zuletzt der symbolische Wert des Friedens: England war nicht unbesiegbar; England wurde zurückgedrängt und musste Land herausgeben damit war der Niedergang des Westfränkischen Reiches beendet. Die Wende war vollbracht.

Oliver Guinnes
02.10.02, 17:19
„… Wie konntest Du diesen Frieden nur annehmen Bruder? Fast alles wofür unser Vater kämpfte hast Du verschenkt! Diese drei kümmerlichen Provinzen, waren wohl kaum die Leben tausender Edler wert; Jahre des Krieges – für nichts! …“ (Aus ein Brief von Henry an seinen Bruder Charles VII)

„… Werter Abt Euch ist wohl bewusst, dass dieser Friedensschluss allgemein als beschämend empfunden wird. Konntet Ihr den König nicht davon abhalten, oder habt Ihr im gar dazu geraten? Wir wissen auch das Beauchamp Paris bedroht, und dass wir auch ohne diese Bedrohung kaum mehr erreichen könnten solllange wir keine starke Flotte haben, um den Krieg nach England zu tragen. Wir denken, dass dies auch für Euch offensichtlich ist, so dass wir Euch gar nicht darum zu bitten brauchen dem jungen König die Bedeutung der Flotte zu erläuten und Ihn an die Zusagen seines Vaters zu erinnern …“ (Aus einem Brief des Baron Le Puy, Oberbefehlshaber der Flotte, an den Abt von St. Dennis, Berater Charles VI und VII)

„… Dieser schändliche Frieden macht einmal mehr deutlich, dass gute Könige zu haben nur ein glücklicher Zufall ist, der unserem Land viel zu selten widerfährt. Das Blut vieler Adliger ist für diesen beschämenden Frieden geflossen, und ohne ihre selbstlosen Opfer wäre nicht einmal dies wenige erreicht worden. Umso wichtiger ist es den Adel zu stärken; das Ansinnen des jungen Königs einen Großteil der neuen Provinzen als Krondomänen zu verwalten ist verfehlt; wie soll so starker Adel für die kommenden Kämpfe entstehen? Er sollte lieber die neuen Ländereien an seinen treuen Adel als Lehen geben …“ (Aus einem Brief von Vileroy de Senlis, Count de Champagne, an Henry, den jüngeren Bruder des Königs)

Oliver Guinnes
02.10.02, 17:23
Zwar ging der Krieg gegen Navarra noch weiter (er endet am 28.02.1425 indem der König von Navarra Charles VII als seinen Lehnsherr akzeptiert und Beran and den Herzog der Provonce abtrat), aber mit diesem Friedenschluss war die Ära Charles VI endgültig vorbei. Bevor wir uns nun einer abschließenden Würdigung seiner Herrschaft zuwenden können, sollten wir im nächsten Kapitel eine anderen Aspekt der Regierungszeit von Charles VI betrachten, den wir bisher vernachlässigt haben, weil der kontinentale Krieg im Fordergrund der Ausführungen stand.

Oliver Guinnes
03.10.02, 14:42
I.ii Koloniale Anfänge

Gehen wir in der Zeit etwas zurück, in das Jahr 1417, also wieder in die Regierungszeit Charles des VIten. Während eines rauschenden Festes im Louvre, der Residenz vieler Könige vor und nach ihm, hatte einer seiner Berater, der Abt von St. Dennis, ihn mit einem Fremden bekannt gemacht.

„… Noch mal Unseren Dank dafür, dass Ihr mich mit diesem Rolin bekannt gemacht habt. Seine Erzählungen über die muselmanischen Länder waren äußerst unterhaltend und faszinierend. Wenn nur die Hälfte stimmt was dieser Abenteurer über deren Reichtum, Gewürze, Seide und Gold zu berichten wusste, dann wäre Handel mit diesen Ländern äußerst ertragreich. Die venezianischen Pfeffersäcke sind wohl nicht ohne Grund so wohlhabend. Was würde die Kirche dazusagen, wenn Wir versuchten diplomatische Verbindungen zu den muselmanischen Herrschern aufzunehmen?“

„Noch eine weitere Frage die kirchlichen Dogmen betreffend: Die Lehre, dass die Erde eine Scheibe sei, wird – wie auch Ihr wisst – von vielen gelehrten Männern in Zweifel gezogen. Was würde die Kirche, der Papst, tun, wenn Wir Uns der Idee anschlössen, dass unsere Erde eine Kugel sei? Würden wir exkommuniziert werden? Oder was würde die Kirche denken, wenn wir Uns dieser Lehre nicht direkt anschlössen, sondern den einen oder anderen Abenteurer unterstützen würden um für Uns einen Seeweg um Afrika herum zu den arabischen Händlern zu finden, auf dass Wir nicht mehr auf die venezianischen Zwischenhändler angewiesen wären? ...“ (Auszug aus einem Brief von Charles VI an den Abt von St. Dennis im Sommer 1417)

Die Antwort des Abtes, die bisher nicht gefunden worden ist, war wohl nicht sehr verheißungsvoll, oder aber Charles war mit dem Fortgang des Krieges mit den Engländern abgelenkt. Wie auch immer, für über drei Jahre war nichts mehr von den arabischen Träumen des Königs zu hören. Doch im Jahr 1420 wurde der im Schreiben erwähnte Rolin zum König gerufen. Über diesen Rolin, insbesondere sein Vorleben, wissen wir sehr wenig. Er war deutscher Abstammung, vielleicht in deutschen Landen geboren oder aber der Nachfahre eines versprengten deutschen Kreuzfahrers und in den muselmanischen Länder aufgewachsen. Auf jeden Fall hatte er viele Jahre bei den Muselmanen oder Arabern verbrachte und kannte deren Gebräuche und Sitten. Daher war er für die Mission, die Charles ihm geben wollte der geeignete Mann. Rolin sollte zu einigen der muselmanischen Herrscher diplomatische Beziehungen aufnehmen.

Dieses tat er dann auch auf mehreren Reisen. Seine ersten vier führten ihn an den Hof des Fürsten von Dulkadir und er überbrachte dem Emir Geschenke Charles’, was die Beziehungen zwischen den beiden Herrschern erheblich verbesserte. Von seiner vierten Reise brachte Rolin ein Gegengeschenk des muslimischen Herrschers mit: Karten; Karten von Ländern deren Namen noch nie in Paris vernommen worden war. Eines dieser Länder nannte sich Hedschas, dem neuen Ziel Rolins.

Hier Verfuhren Charles VI und Rolin wie zuvor am Hofe von Dulkadir: Mit Geschenken wurde der Emir der Hedschas, Herr über die heiligen Stätten der Muslime, zu einem Freund gemacht, der dann, am 13.07.1422, bereit war sein Wissen über die Welt mit dem von Charles zu tauschen. Diese Karten zeigten Land, das weder von den muslimischen noch von den christlichen Nationen beansprucht wurde. Dieses besitzerlose Land umfasst das Horn Afrikas – heute besser bekannt als das französische Horn – die Insel Socortia sowie Bahrein. Socortia und Barhein waren nach den Berichten der Hedschas von friedlichen Stämmen bewohnt; Mocadiscio – eine Reiche Gewürzprovinz am Horn von Afrika – hatte überraschender Weise keine Einwohner.

In den Städten Frankreichs hatten sich viele Menschen versammelt die vor dem Krieg, den plündernden Engländern, geflohen waren. Sie lebt dort besitzlos und im Elend. Charles bot diesen hoffnungslosen Menschen eine neue Zukunft indem er ihnen Land schenkte.

Dieses Land lag in Mogadiscio, Bahrein und Socortia. Die Reise dorthin war äußerst beschwerlich – noch gab es keinen Seeweg um Afrika herum, so dass die Menschen durch das raue Klima Nordafrikas ihren Weg suchen mussten, durch muselmanisches Land. Es kamen viele um, so dass es Charles VI nie erlebte wie in Mogadiscio (11.02.1424), Socortia (27.04.1424) und Bahrein (28.04.1425) die ersten Kolonien gegründet wurden. Sainte Hèlène (Mogadiscio) bereicherte genauso wie die Kolonie auf Bahrein die französische Küche um zahlreiche exotische Gewürze. Brèganzac auf Socortia war nicht so reich sollte aber später als Flottenstützpunkt Bedeutung erlangen.

Auch wenn diese ersten Kolonien erst während der Regierungszeit von Charles VII gegründet worden waren, so hat doch sein Vater – mit Hilfe Rolins, der der erste Gouverneur der afrikanischen Besitzungen wurde – hierfür den Grundstein gelegt.* So dass wir ihn als Gründer des französischen Kolonialreichs sehen. Nun können wir die Regierungszeit von Charles VI abschließend in Box I.v. würdigen.

Oliver Guinnes
03.10.02, 14:43
* Wer sich stärker für die Anfänge des französischen kolonial Reiches interessiert, dem sei Luis Olivèr (1918) empfohlen. Das faszinierende Leben des Abenteurers Rolin wird in der spannend geschriebenen Biographie von Leinendecker (1874) beschrieben.

Oliver Guinnes
03.10.02, 14:47
Charles VI hatte, wie im ersten Band und im ersten Kapitel dieses Bandes ausführlich beschrieben, ein Reich im Niedergang, der sich zunächst auch unter ihm vorsetzte, übernommen. Aber am Ende seiner Regierungszeit gelang es ihm mit Glück und/oder Geschick die Wende herbeizuführen.

In seiner Regierungszeit wuchs das Land zum ersten Mal seit langem wieder durch die burgundischen Provinzen Atrois und Flandern. Die Engländer wurden aufgehalten und zurückgedrängt. Es gelang ihm Heinrich V schwere Niederlagen zuzufügen und auch der Erwerb der Normandie, Orleanais und Caux sind noch seiner Kriegsführung zuzuschreiben.

Neben diesen militärischen Erfolgen war er auch diplomatisch aktiv gewesen und hatte die Beziehungen zu seinen Vasallen und den Adligen der Vasallenstaaten gepflegt. Dies sollte sich später noch als ertragreich erweisen. Hinzu kamen die diplomatischen Aktivitäten, die er mit Hilfe Rolins bei den arabischen Herrschern entfaltete.

Dieses erlaubten es ihm zum Gründer des französischen Kolonialreichs zu werden. Die kolonialen Besitzungen sollten später einmal die Wirtschaft des Reiches erheblich stärken. Zu dieser Stärkung der Wirtschaft trugen nicht nur die reichen burgundischen Provinzen sondern auch die Förderung des Handels durch Charles bei. So war es ihm gelungen starke Präsenz in den Handelszentren in Ligurien, Il de France, Flandern und Veneto zu etablieren.

Alles im allen war dies eine erfolgreiche Regierungszeit, die Charles VI zu einem der großen Königen der Geschichte machte. Er legte eine solide Basis für seinen Sohn der ihm als Charles der VII auf den Thron folgte. Was Charles VII auf dieser Basis erreichen konnte soll Gegenstand der nächsten Kapitel werden.

rolin
03.10.02, 15:33
Originally posted by Oliver Guinnes
* Wer sich stärker für die Anfänge des französischen kolonial Reiches interessiert, dem sei Luis Olivèr (1918) empfohlen. Das faszinierende Leben des Abenteurers Rolin wird in der spannend geschriebenen Biographie von Leinendecker (1874) beschrieben.

Bonjour

Je veux avoir le livre de Luis Olivèr peut-être vous donnez un exemple à moi.

Robert Linécker
un grand fan de monsieur rolin.

Oliver Guinnes
04.10.02, 10:11
Originally posted by rolin


Bonjour

Je veux avoir le livre de Luis Olivèr peut-être vous donnez un exemple à moi.

Robert Linécker
un grand fan de monsieur rolin.


???? Dumm von Uns einen Frankreich AAR zu beginnen ohne auch nur ein Wort französisch zu können.

Ich hoffe dennoch, Ihr seid mit diesem kleinen Abschnitt einverstanden, eigentlich hätten Wir ja erst um Erlaubnis fragen müssen, aber dann wärs keine Überraschung gewesen.

Dies soll daran erinnern, dass Ihr es ward der Uns zeigte wie man auch Dinge über ferne Länder erfahren kann, wenn man keine Entdecker hat.

Der Euch bewundernde,
:drink:

rolin
04.10.02, 10:39
*lol* Ich schrieb nur dass ich gerne ein Exemplar des Buches über diesen großen Entdecker hätte, da ich ein großer Fan dieses Entdeckers bin :D

Oliver Guinnes
06.10.02, 17:50
Originally posted by rolin
*lol* Ich schrieb nur dass ich gerne ein Exemplar des Buches über diesen großen Entdecker hätte, da ich ein großer Fan dieses Entdeckers bin :D


Nun, villeicht findet sich ja ein Exemplar in der nächsten öffentlich Biliothek. Bei Amazon war es leider vergriffen. :D So dass als letzte Alenrative nur bleib, Ihr verfasst diese Beschreibung der Abenteuer Eures Namensvetters selbst. Vielleicht findet Ihr ja auf dem Dachboden alte Aufzeichnungen?

:drink:

Oliver Guinnes
06.10.02, 17:52
I.iii Jahre der Konsolidierung

Mit dem Frieden von 1422 war eine große Auseinandersetzung der Weltgeschichte vorerst beendet oder unterbrochen worden. Zwar ging der Krieg gegen Navarra zunächst weiter, aber dies war nur eine der kleineren Bühnen des großen Weltentheaters, und soll hier nicht weiter beleuchtrt werden. Da wir den Erfolg über England eher noch den Leistungen Charles VI zuordnen wollen, begann die Regierungszeit von Charles VII eigentlich erst nach dem Frieden. Charles selbst sah diese Regierungszeit, wie das obige Zitat deutlich macht, von dem Schandfrieden überschattet. Der nun herrschende Frieden (bis auf Navarra) gab ihm zunächst kaum die Möglichkeit diesen Eindruck zu beseitigen. Daher ließ er sich auch noch nicht, wie schon in seinem Brief angekündigt, krönen. Er nannte sich auch noch nicht König, sondern nur Regent oder Dauphin, als Zeichen dafür, dass er sich noch nicht des Throns als würdig empfand.

Da der Frieden mit England für mindestens fünf Jahre galt, würde es auch noch eine Weile dauern bis er versuchen konnte, einen neuen, würdigern Frieden auf dem Schlachtfeld zu erringen. Zunächst waren seine Fähigkeiten als Befrieder des Landes, als Verwalter und Diplomat gefragt. Aber auch hier gab es gelegentliche Rückschläge. So revoltierten die Einwohner der ehemals burgundischen (oder auch holländischen oder niederländischen) Provinzen immer wieder. Derartige Revolten waren nicht selten in Provinzen, die den Besitzer gewechselt haben (Box I.vi), und banden häufig relativ starke Kontingente der neuen Herren.

Oliver Guinnes
06.10.02, 17:55
Diese Revolten in neu erworbenen oder besetzten Gebieten während des späten Mittelalters darf man sich nicht mit den Vorstellungen des modernen Nationalismus, wie wir ihn heute kennen, nähern. Im Gegensatz zu den modernen nationalistischen Befreiungsbewegungen waren die damaligen Aufstände in den eroberten Gebieten kein vom Volk getragenes Massenphänomen. Was hätte auch ein Bauer, ein Handwerker oder ein Tagelöhner davon wenn anstelle des Burgunder Herzogs, der Graf von Holland, der König von England oder Charles VII über sie herrschen würde?

Nichts. Die Abgaben, die sie fast um den ganzen Ertrag ihrer Arbeit beraubten, blieben die gleichen, und es war unerheblich an wen diese gezahlt wurden. Auch änderte sich äußerst selten etwas an den lokalen Gesetzen und der Rechtssprechung, da diese meist vom niederen Adel vor Ort durchgeführt wurde. Dieser niedere Adel wurde auch nur selten ausgewechselt, solange er bereit war seinem neuen Herren die treue zu schwören.

Es war der lokale höhere Adel der betreffenden Provinz, der am meisten zu verlieren, und daher die größten Neigung zu Revolten hatte. In der Regel wurde das Lehen über die Provinz neu vergeben, so dass der ehemals belehnte allen Grund hatte dem neuen Herrn zu grollen. Eine solche Veränderung zog dann wieder anderen Änderungen und Verschiebungen im lokalen Machtgefüge nach sich. Der neue Herr der Provinz brachte eine Heerschar an niederen Adligen und Günstlingen mit sich, die alteingesessen lokalen Adligen waren nun in ihren Positionen gefährdet, einige stärker als andere, aber fast alle waren von Verlust an Einkommen, Macht und Prestige bedroht.

Es waren diese Angehörigen des mittleren oder niederen Adels, die die neuen Herrscher mit skeptischen Blick und angst um Verlust ihrer Position betrachteten. Es gab zwei Wege mittels derer sie versuchen konnten diesen Verlust zu verhindern: i) Anbiederung an die neuen Herren ii) Widerstand.

Die zweite Alternative wurde meist von denen gewählt, die schon Verluste hinnehmen mussten, die ihrer Besitzung beraubt worden waren, oder denen ein Teil ihre Lehen entzogen worden waren. Meist taten sich dann mehrere solcher Adliger zusammen, und stellten eine Armee bestehend aus ihrem Gefolge oder auch Söldnern auf. Nicht selten war auch der Burgvogt der Provinzhauptstadt beteiligt, so dass diese an die Rebellen viel. Das Ziel der Aufständischen war es dann die alten Verhältnisse in der einen oder andern Form wieder herzustellen. Dies bedeutete entweder die Rückkehr unter die Herrschaft des ehemaligen Lehnsherrn oder aber die Gründung eines neuen unabhängigen Fürstentums.

Um dies und den damit verbundenen Verlust einer oder mehrerer Provinzen zu verhindern war es wichtig, dass die Aufständischen schnell niedergeschlagen und die Provinzhauptstadt zügig zurückerobert wurde. In späteren Jahren gingen solche Revolten auch von bürgerlichen aus. So konnte es durch den Wechsel der Herrscher geschehen, dass wichtige Märkte, z.B. in den Kolonien, verloren gingen, und reiche Händler deshalb vom Ruin bedroht waren. Diese bürgerlichen Aufstände waren vor allem durch den Reichtum der beteiligten Bürger getragen, es wurden also vor allem Söldner verwendet.

Diese Revolten, die dass Ziel hatten die neuen Herren zu verjagen, sollten nicht mit den Volksaufständen auf Grund sozialer oder religiöser Ursachen verwechselt werden. Diese hatten gänzlich andere Ursachen und Ziele, auf die wir noch später zu sprechen kommen werden.

Oliver Guinnes
06.10.02, 17:57
In den ehemals englischen Provinzen, war die Revoltengefahr sehr niedrig bzw. praktisch nicht Existent, da sich die englischen Adligen mit Heinrich zurückzogen, und die Familien im Gefolge Charles’ wieder in ihre alten Rechte eingesetzt wurden. Durch die Vertreibung der Engländer, die schon allein deswegen nötig war um nicht den Feind im eigenen Land zu haben, wenn der nächste Waffengang kam, war viel Land freigeworden, so dass Charles seine Krondomänen ausdehnen und gleichzeitig den Adligen größere Lehen zukommen lassen konnte. In den ehemals englischen Gebieten gab es also nur Gewinner, wenn wir von den Bauern, deren Felder verwüstet wurden, absehen, so dass auch keine Aufstände zu befürchten waren.

Hingegen kam es zu massiven Revolten in Artois und Flandern. Diese warfen eine weiteren Schatten auf den Beginn der Regierungszeit Charles des VIIten und stellten seine administrativen Fähigkeiten in Frage. Zumal es den Aufständischen im Frühjahr 1424 gelang Antwerpen, das Zentrum Flanderns, zu erobern. Wenn er nicht bald in der Lage wäre Erfolge vorzuweisen, würde er eventuell das Vertrauen und schließlich gar die Gefolgschaft einiger Adliger verlieren, was die Bürde des Herrschens für ihn nur noch schwer machen würde.

Am 13.09.1424 bot sich für Charles die Möglichkeit einen solchen Erfolg zu erzielen. Der Herzog der Bretagne erklärt dem Herzog der Provence den Krieg. Die Bündnispartner, bis auf der Herzog der Auvergne, standen zu ihrem Wort. Nun hatten die Verbündeten auch einen legitimen Kriegsgrund gegen die Auvergne. Charles entschied sich jedoch dagegen, er wollte sich nicht in Kleinkriegen gegen (ehemalige) Vasallen verzetteln, sondern ein möglichst starkes Bündnis erhalten. Daher schickte er einige Diplomaten nach Clermont, der Residenzstadt des Herzogs der Auvergne, um über seine Wiedereintritt in das Bündnis und Eintritt in den Krieg zu verhandeln. Was auch ein paar Wochen später erfolgreich war.

Der Krieg gegen die Bretagne verlief ohne bemerkenswerte Höhepunkte. Der Herzog musste einer maßlosen Selbstüberschätzung unterlegen sein, als er dem Bündnis den Krieg erklärte. Charles und seine Verbündeten hatten ein Vielfaches an Männern im Feld, die zudem durch den langen Krieg mit England ein hohes Maß an Erfahrung hatten. Den Veteranen konnten die Bretonen kaum widerstehen.

Das Bemerkenswerteste in diesem Krieg war noch, dass, erstens, ein Heer aus der Provence Antwerpen für Charles von den Rebellen befreite. Zweitens, der Herzog von Savoyen, kurz glaubte, er müsse an diesem Krieg auf Seiten der Bretagne teilnehmen. Leider – aus der Sicht von Charles, denn er hätte diesen gerne in die Knie gezwungen – besann er sich drei Monate später eines besseren und machte Frieden mit der Provence. Und schließlich, ein Ereignis mit eher langfristiger Wirkung, war das Aufblitzen des militärischen Genies eines neuen Befehlshabers. Richemont übernahm Anfang 1425 das Kommando über die in Caux stationierten Truppen und leistete schnell äußerst wertvolle Beiträge in der bretonischen Kampagne. Insbesondere seine Fähigkeiten in der Belagerungstechnik verkürzten den Krieg erheblich, so dass schon im Juni 1426, die gesamte Bretagne von Charles’ Truppen besetzt war. Dem Herzog blieb keine andere Wahl als Charles als seinen obersten Lehnsherren anzuerkennen.

Dies war der erste Erfolg Charles des VIIten, den er allein für auf sein Tun zurückzuführen war. Langsam begann der dunkle Schatten, der über dem Beginn seiner Regierungszeit lag zu weichen. Die folgenden Jahre waren weiter durch den angespannten Frieden mit England gekennzeichnet, in dem sich Charles eher administrativen Tätigkeiten zu wand. Dies war auch notwendig. Durch die Kriege und die große Zahl an Soldaten, die zum Schutz vor einem englischen Überfall nötig waren, wurde der Staatshaushalt stark beansprucht. So konnte z.B. Charles im Jahre 1427 eine Revolte aragonesischer Adliger gegen ihren König nicht unterstützen, weil er nicht über genügend finanzielle Mittel verfügte. Was wiederum deren Verbündete am Hofe in Paris erboste und die resultierende Unruhe die Stabilität des Reiches senkte.

Nichtsdestotrotz versuchte Charles möglichst viele Mittel freizumachen um die Wirtschaft zu stärken. Er ließ die verschiedensten Maßnahmen durchführen. So wurden in vielen Provinzen die Vogteien durch Kanzleien ersetzt. Hierdurch wurde die Provinzverwaltung gestrafft, da ein Kanzler mehrere Vögte ersetzte. Zudem wurden den Kanzlern Truppen an die Hand gegeben um eine verbesserte Steuereintreibung zu gewährleisten. Dies erhöhte das jeweilige Provinzeinkommen, führt aber auch zu verstärkter Unzufriedenheit unter den Steuerzahlern: niederer Adel und Handwerker.

Ein weiterer Schwerpunkt stellte, der Ausbau der Kolonien dar. Es wurden regelmäßig Kolonistentrupps zu den drei Kolonien finanziert, wobei doch zahlreiche von ihnen an dem harten Klima scheiterten. Trotz dieser Probleme wurde im Oktober 1428 die Kolonie Socortia mit der Hauptstadt Brèganzac zur Vollprovinz ausgebaut. Gouverneur Rolin gelang mit Hilfe einiger Priester, die friedlichen Stämme der Insel von den Vorteilen des Christentums und der europäischen Zivilisation zu überzeugen, so dass diese als treue Untertanen dem Reich dienen wollten.

Das dritte Element der ökonomischen Aufbaustrategie, bestand in der Ausdehnung des Handels. Händler wurden in die wichtigsten Handelszentren Europas geschickt. Es gelang in den meisten dieser Handelszentren starke Positionen aufzubauen und große Marktanteile zu gewinnen.

Die Friedensjahre wurden im militärischen Bereich vor allem dazu genutzt, junge und talentierte Offiziere zu schulen. Der Mangel an fähigen Feldherren hatte einen fast fatalen Nachteil im letzten Krieg bedeutet. Charles wollte diesen Nachteil indem er die besten Offiziere den Kriegsverlauf und die Schlachten gegen die Engländer studieren ließ beseitigen. Zum Ausbildungsprogramm gehörten aber auch – wie noch heute – die Feldzüge antiker Feldherren wie Cesar, Hannibal, Pyrrhus oder Alexander. Zwei dieser jungen Offiziere erwiesen sich als besonders talentiert. Dunois und Gilles de Rais. Während Richemont den Oberbefehl über die Nordstreitkräfte behielt, erhielt Dunois den Oberbefehl über die Truppen im Süden. De Rais wurde in die niederländischen Provinzen beordert um dort bei weiteren Revolten die Ordnung wieder herzustellen.

Auch auf dem diplomatischen Gebiet gelangen Charles die ersten Erfolge. Der Herausragendste war wohl die diplomatische Annexion (sieh Box I.vii) des Herzogtums Bourbonnais. In diesen Jahren kam es also zu einer Konsolidierung im militärischen, im wirtschaftlichen und diplomatischen Bereich. Wie würde Charles die resultierende Stärkung des Reiches nutzen. Dies soll Gegenstand des nächsten Kapitels werden.

Oliver Guinnes
07.10.02, 19:40
Die Hauptaktivitäten, die auf eine diplomatische Annexion abzielten, richteten sich meist nicht darauf den betreffenden Herrscher davon zu überzeugen, dass es besser für ihn sei seine Krone aufzugeben, denn dies war es meist auch nicht. Zwar ließen sich gegebenenfalls Argumente finden um einen solchen Verzicht als vorteilhaft darzustellen, wie z.B. in den Eröffnungszitaten des ersten Kapitels, aber tatsächlich würde er immer einen großen Verlust an Macht und Prestige bedeuten. Dieser Verlust hätte vom annektierenden Herrscher kompensiert werden müssen, im dem er den annektierten reich belehnte, mit Titel überhäufte und eine prominente Position im Reich einräumte. Eine derartige Kompensation überschritt in der Regel den Nutzen, den ein Herrscher aus einer diplomatischen Annexion ziehen konnte.

Daher richteten sich die entsprechenden Bemühungen auch nicht den Herrscher sondern dessen Adlige und Gefolgsleute. Durch Geschenke und Versprechungen – Gold, Titel und Lehen – sollten diese angehalten werden den Fürsten zur Abdankung zu bewegen? motivieren? zwingen? Dies war auch Charles Vorgehen im Falle der Bourbonnais:

„… Wenn es uns gelingen sollte den Herzog davon zu überzeugen, dass es zum Wohle des Landes wäre, wenn wir uns Charles anschlössen, so wäre dies auch zu unserem Wohle. Der Dauphin wäre sicherlich äußerst dankbar, und Wir hören aus seinem Reich, dass er Loyalität zu honorieren weiß und dass Dankbarkeit kein fremdes Wort in seinen Ohren ist. Was haben Wir und Ihr denn noch unter diesem Herzog uns seiner Familie zu erwarten? Land? Kaum, militärisch können wir von denen doch keine Erfolge erwarten, der Herzog kann kaum ein Schwert halten und seine Söhne können kaum aufrecht gehen, und so wird es auch kein neues Land geben. Und wenn es welches gäbe würde der Herzog das Land doch unter seiner gierigen Familie aufteilen. Sollten wir dem nicht ein Ende machen? Was haltet Ihr davon werter Graf? Wir brauchen Euch natürlich nicht zusagen, dass dies Schreiben vertraulich bleiben muss. …“ (Aus einem Schreiben des Baron de Marche an den Grafen Puy-de-Dome im Frühjahr 1427)

„Werter de Marche,
Uns ist es gelungen auch die Familie Ferrand für unsere Sache zu gewinnen. Insbesondere ist einer der Brüder des Grafen nicht nur der Abt von Guéret, sondern auch der Beichtvater und Vertraute des Herzogs. Der Dauphin hat ihn mit dem Stuhl des Erzbischof von Reims geködert, der Papst soll schon seine Zustimmung gegeben haben. Unsere schwache Stelle bleibt trotz dieser Erfolge das Heer. Bisher haben sich uns erst zwei Kommandanten angeschlossen, und der Botschafter des Dauphin wünscht Ergebnisse zu sehen bevor er weiteres Geld an uns reicht. Wisst Ihr vielleicht wen aus dem Heer, der für unsere Sache offen sein könnte? Mit den Truppen könnte der alte Mann, all unsere Hoffnungen zerstören. …“ (Aus einem Schreiben des Grafen Puy-de-Dome an den Baron de Marche im Herbst 1428)

„… Da der Herzog versäumt hat die d’Vichys wieder ihre alten Rechte einzusetzen, grollt ihm der junge Graf. Dieser junge Idealist ist ein Mann von Ehre, daher war es für Ihn schwer sich zwischen der Loyalität zum Herzog und seinen treue Eid zum einen oder der Wiederherstellung der Familienehre (und Ländereien, wie er nebenbei erwähnte) durch den Dauphin zum anderen entscheiden sollte. Ihm untersteht zwar nur ein kleiner Teil der Truppen, jedoch liegen sie in Limagne und Clermont, es sind also die Truppen mit der größten Nähe zu der Residenz. Entscheidend ist nicht, dass wir die militärische Kontrolle über das Herzogtum haben, sondern dass der Herzog denkt wir haben die militärische Kontrolle. Wie lange wird es dauern bis der Herzog von seinen treuen Beratern, wie dem Abt, überzeugt worden sein wird, dass der Verzicht zu Gunsten Charles in seinem besten Interesse sei? Zwei Tage? Drei Tage? Wir müssen sicherstellen, dass die loyalen Truppen frühestens fünf Tage nachdem wir begonnen haben in Clermont sein können. Bis dahin hat der Herzog abgedankt, oder wir müssen den Dauphin um Hilfe bitten. Wir beten jeden Abend dafür, dass dies nicht passieren mag. Charles wäre in diesem Fall äußerst erbost, er will Frieden.

Wir haben auch schon Marche über unseren Zugewinn berichtet. …“ (Aus einem Schreiben Puy-de-Domes an Baron Lascaux)

Am 20.041429 traten Lascaux, Puy-de-Dome, Marche und einige andere vor dem Herzog. Sie warfen ihm vor nicht der Lage zu sein das Herzogtum zu führen und seine Pflichten gegenüber dem Adel vernachlässigt zu haben. Daher hätte er den Anspruch auf den Thron verwirkt. Ihr neuer Herr sei Charles VII. Der Herzog war geschockt, jedoch geistesgegenwärtig genug die Palastwachen zu rufen. Diese waren aber schon von den Männern d’Vichys entwaffnet worden. Die Lage war aussichtslos, jedoch waren noch zwei Tage Beratung mit seinem Vertrauten, dem Abt von Guéret, notwendig um ihn davon zu überzeugen, dass es in seinem besten Interesse war abzudanken und sein Schicksal in die Hände von Charles zu legen.

Dessen Hände waren mit dem verteilen von Geschenken beschäftigt: Der Abt von Guéret, Alexander Ferrand, wurde Erzbischof von Reims und später Berater des Königs. d’Vichy erhielt reiche Ländereien in Beauce in der Nähe von Orléans, Marche erhielt die Grafschaft Gent in Flandern, Puy-de-Domes und Baron Lascaux bekamen reiche Ländereien in Caux. Auch die anderen Mitverschwörer wurden reichlich mit Land aus den Eroberungen bedacht. Da es sich bei ihnen aber um keine alten Familien handelte, wäre es Charles ein leichtes gewesen die Lehen jederzeit wieder einzuziehen, was die Loyalität dieser Männer nur beförderte.

Der Herzog durfte seinen Titel, aber nicht die Ländereien, behalten. Jedoch durfte er seine Residenz nie mehr verlassen. Seine Söhne erhielten Grafschaften in Flandern als Abfindung. Was ein recht geschickter Zug war, denn der flanderische Adel würde sich wohl kaum mit den neuen fränkischen Herrschern verbrüdern.

Die anderen Vasallen waren von der Nachricht geschockt und entsetzt. Wenn Charles den herzog der Bourbonnais vom Thron vertreiben konnte, dann konnte er dies auch mit Ihnen tun. Daher beeilte sich Charles damit Diplomaten zu seine Vasallen zu schicken, um diese davon zu überzeugen, dass er mit den Geschehnissen nichts zu tun hätte und es sich um ein Aufstand lokaler Adliger handelt. Sein Vasallen blieben skeptisch, insbesondere wenn sie sahen, wie intesniv die Diplomaten aus Paris mit den lokalen Adligen sprachen …

Augustus Rex
07.10.02, 19:56
Acht Jahre habt Ihr nun geschafft, edler OG!
Wie wollt Ihr diese Klasse über Jahrhunderte halten? Ihr nehmt Euch viel vor und Ihr könnt von nun an viele Menschen mit einem Nachlassen Eurer Kräfte enttäuschen. Seid tapfer und haltet durch!

(Augustus Rex in einem vertraulichen Gespräch zu Oliver Guinness, während dem viel getrunken wurde - selbst wenn man die Berichte quellenkritisch auswertet )

Oliver Guinnes
08.10.02, 10:37
Werter Augustus Rex,

Ihr habt wohl recht, dass es schwer werden wird bis zum Ende zu kommen. Jedoch erlaubt Uns die 'Geschichtsbuchform' Die ereignislosen Jahre zu überspringen. So benötigten Wir im Konsolidieurngskapitel weniger Zeilen pro Jahr, als in den vorhergehenden Jahren. Wir müssen aber gestehen, dass Wir uns offen halten, das Buch der Geschichte for 1819 zu schließen, wobei wir Uns vorgenommen haben, dann einen passend Schluss zu finden.

Dank für Eure Ermunterung.

Euer,
OG
:drink:

p.s.: Ihr lest das wirklich?

rolin
08.10.02, 14:54
Ich wage es zu antworten, gleichwohl ich nicht Augustus bin: "Wer liest dies' nicht?"

Ihr seid wahrlich ein ausgezeichneter Vertreter der schreibenden Zunft. Würde mein Stil nur annähernd dem Euren das Wasser reichen können, so wäre es nur eine Frage der Zeit um auch solch vortreffliche Lektüre publik zu machen, und bei Eurem Onlinemagazin anzuheuern. Aber selbst aller Musenkuss der Welt könnte den Unterschied zwischen meinen buchhalterisch-tablellarisch-nüchternen Stil zu eurem lebhaft-anschaulichen Stil nicht Wett machen. Ich liebe es solche Geschichten zu lesen, egal ob gedruckt oder im Internet, zumal ich in Gedanken mich gerne in den Welten bewege, in die mich dieses Gerät welches Computer genannt, zu führen vermag. Auch wenn Ihr mit Eurer Geschichte nicht die gesamte Spanne dieses Spieles in diesem Bericht führen wollt, so ist dies ein schönes Zeugnis der Facetten unseres wunderschönen Spieles welches da Europa-Universalis zwei heißt. Ich freue micht auf weitere Kapitel, ganz gleich ob 1428, 1500 oder 1650.

In diesem Sinne
Euer
rolin

Oliver Guinnes
08.10.02, 16:19
Habt Dank, insbesondere für das Senken Unserer Stromrechnung, da Wir nach Eurem lob so erroöted sind, dass wir den ganzen heutigen abend ohne elektrisches Licht auskommen werden.

Aber Wir denken, dass in diesem Forum schon bessere und spannendere Geschichten zu lesen war, und Reihen Euch, erfürchtig in die Galerie Unserer Lehrmeister ein.

:drink:

Oliver Guinnes
08.10.02, 20:39
I.iv Vollendung des Reiches

Charles VII war entschlossen die neue Stärke zu nutzen, um die Engländer vom Kontinent zu vertreiben und so die Erinnerung an den Schandfrieden zu tilgen. Zu Beginn des Jahres 1429 war alles vorbereitet. Die drei Feldherren hatten ihre Truppen in Stellung gebracht, als im Mai ein junges Mädchen vor Charles trat und ihm mitteilt, Gott hätte durch Engel zu ihr gesprochen und sie beauftragt dem König bei der Vertreibung der Engländer zu helfen. Jeanne d’Arc hatte die Bühne der Geschichte betreten (siehe auch Box I.viii).

Ihre Visionen, ihre jungendliche Begeisterung und die schnell um sie entstandenen Legenden, führten zu einer nationalen Begeisterung für die Sache des Königs. 5 000 Mann aus dem Volk nahmen Waffen auf um in der Il de France Jeanne d’Arc und ihrem König zu dienen. Die inspirierende Kraft der Jungfrau führte ebenfalls zu einer Steigerung der Moral im Heer. Durch diese zusätzliche Unterstützung konnte Charles in größerer Unabhängigkeit von Adel und de Senlis’ Hilfe agieren, was es dem König erlaubte eine Zentralisierung der Verwaltung durchzusetzen.

Oliver Guinnes
08.10.02, 20:41
Jeanne d'Arc wurde 1412 kurz bevor Heinrich V Charles VI den Krieg erklärte in dem kleinen Dorf Domrémy an der Grenze zwischen der Champagne und Lothringen geboren. Im Dezember 1428 verlässt Jeanne ihr Elternhaus. Ihren Eltern erzählt sie, sie würde nach Burey-le-Petit zu einem Onkel gehen. Zunächst tut sie dies auch, jedoch ist eigentliches Ziel ist Vaucouleurs. Dort bittet sie den Stadtkommandanten von Vaucouleurs, Robert de Baudricourt, sie zum Dauphin zu schicken, der aber erst ablehnt. Schließlich gelingt es Ihr doch ihn zu überreden und man rüstet einen kleinen Trupp aus, der sie nach Chinon zu Charles führen soll. Zu diesem Trupp gehören auch ihre späteren Begleiter, Bertrand de Poulengy und Jean de Metz, welcher den Trupp anführt. Jeanne bekommt ein eigenes Pferd, ein Schwert und legt zum erstmals Männerkleidung an.

Nachdem der Trupp Chinon erreichte, ba sie Charles um Audienz, die er schließlich gewährte. Sie erklärt dem Dauphin, sie sei von Gott gesandt, der ihr befohlen habe Frankreich von den Engländern zu befreien und ihn nach Reims zu führen, damit er zum König von Frankreich gekrönt werden kann.

Der Dauphin sieht in dem jungen Mädchen vor allem die Gelegenheit, seine Armeen zu stärken und seine eigene Position im Reich zu verbessern. Viele Männer seiner Umgebung sehen Jeanne sehr skeptisch. Der neue Erzbischof von Reims, Alexander Ferrand, zweifelt am göttlichen Auftrag des Mädchens, und hielt sie für besessen. Vileroy de Senlis und die von ihm geführte Adelsfraktion lehnt Jeanne ab, weil sie es Charles ermöglichte neue Truppen auszuheben, ohne auf den Adel angewiesen zu sein.
„… Nun seid Ihr erst ein paar Wochen in Amt und Würden werter Ferrand und schon haben wir einen theologischen Disput? Wegen eines kleine Mädchens? Wir wollen nicht, dass unsere Zusammenarbeit hiervon überschattet wird. Ihr müsst aber auch sehen, dass dies Mädchen nützlich für Uns ist. Ich weiß nicht ob Gott mit Ihr gesprochen hat. Dies ist aber auch unerheblich. Das Volk glaubt es, und sie glaubt an ihre Mission. Wir haben durch sie schon neue Truppen gewonnen, und damit de Senlis das Druckmittel genommen, das er solange gegen Uns verwand hatt. Sie mag keinen Auftrag von Gott haben, aber erfüllt sie nicht auch einen göttlichen Auftrag, wenn sie dem von Gottesgnaden herrschenden König dient? “
Dennoch mögen Eure Zweifel berechtigt sein, daher werden wir sie einer Prüfung unterziehen lassen. …“ (Aus einem Brief von Charles VII an Alexander Ferrand den neuen Erzbischof von Reims)

Diese Prüfung fand an der Universität von Poitiers statt. Die dortigen Doktores befragten sie äußerst ausführlich. Den Hofdamen kam die delikate Aufgabe zu die Jungfräulichkeit Jeannes zu untersuchen. Nach einem weit verbreiteten Aberglauben konnten Jungfrauen nicht vom Teufel besessen sein. Diese Prüfungen führten zu einem positiven Urteil, was wenig überraschend war, denn Charles hatte den Doktores und Hofdamen deutlich gemacht, welches Ergebnis er wünschte.

Nach diesen Prüfungen nahm Jeanne d'Arc an vielen kämpfen Teil und hob durch ihren Kampfgeist die Moral der Soldaten. Sie lässt es sich nicht nehmen die Truppen von vorderster Front an zu führen, sogar als sie der Pfeil eines englischen Bogenschützen verwundete kämpfte sie weiter.

Jeanne gewinnt nicht nur die Anerkennung und den Respekt der Soldaten und einiger Feldherren, sie wird vom Volk verehrt und geliebt. Der Kult um la Pucelle – die Jungfrau – erregt nach und nach Besorgnis bei den Beratern des Königs.

„… Wir machen Uns langsam Sorgen, dass diesem Weib der Ruhm zu Kopfe steigt. Das Volk liegt Ihr zu Füßen. Die einfachen Soldaten halten sie selbst für göttlich. Was wird geschehen, wenn dieses Kind sich ihrer Macht über die Menschen bewusst wird? Sie könnte Euch gefährlich werden! Der Pöbel würde ihr auch gegen Euch folgen. Dann wären wir wieder auf Senlis und seine Leute angewiesen, der alte Eber würde sich eine solche Occasion kaum entgehen lassen. …“ (Aus dem Schreiben des Abtes von St. Dennis an Charles VII)

„… Werter Abt Eure Besorgnis ehrt Euch, jedoch haben Wir schon Vorbereitungen getroffen, um eine derartige Eventualität nicht entstehen zu lassen. …“ (Aus dem Antwortschreiben Charles VII, Winter 1429)

Im November wäre es Jeanne fast gelungen Chàtilton-sur-Seine zu erobern, was den Weg nach Dijon dem Herz der Bourgogne geöffnet hätte. Jedoch kurz bevor sie triumphieren konnte, schloss Charles, überraschend und verwirrend für alle, einen einmonatigen Waffenstillstand mit dem Herzog von Burgund. Letzterer nutzte die gewonnene Zeit um Verstärkung herbei zu führen. Als der Waffenstillsand auslief befahl Jeanne einen Angriff den sie selbst anführte. „… The assault which was made on the city on 8 December was not seriously supported, and Joan, while heroically cheering on her men to fill the moat, was shot through the thigh with a bolt from a crossbow. The Duc d'Alençon removed her almost by force, and the assault was abandoned. The reverse unquestionably destroyed Joan's prestige …” (Encyclopaedia Catholica (1919)). Der König blieb erstaunlich unbeeindruckt von dieser Niederlage, jedoch war Jeannes Nimbus der Ubesiegbarkeit zerstört…

Drei Wochen später kam es zu einem weiteren Aufeinandertreffen von Burgundern und Franzosen unter Jeanne d’Arcs Führung: „…It seems that she had thrown herself into Compiègne on 24 May at sunrise to defend the town against Burgundian attack. In the evening she resolved to attempt a sortie, but her little troop of some five hundred encountered a much superior force. Her followers were driven back and retired desperately fighting. By some mistake or panic of Guillaume de Flavy, who commanded in Compiègne, the drawbridge was raised while still many of those who had made the sortie remained outside, Joan amongst the number. She was pulled down from her horse and became the prisoner of a follower of John of Luxemburg. Guillaume de Flavy has been accused of deliberate treachery, but there seems no adequate reason to suppose this. He continued to hold Compiègne resolutely for his king. …” (Encyclopaedia Catholica (1919)). Wir finden es recht überraschend, dass es den katholischen Geschichtsschreiben entgangen sein soll, dass de Flavy kurz nach diesem Ereignis von seinem König reichlich mit neuen Lehen und auch Titeln ausgestattet wurde. Charles schien auf jeden Fall an de Flavys Loyalität zu ihm keine Zweifel gehabt zu haben.

Nach zwei misslungenen Fluchtversuchen wird Jeanne gegen ein Lösegeld von 10 000 Dukaten an die Engländer ausgeliefert. Diese wiederum überstellen sie der Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche. Jeanne d’Arc wurde am 9. Januar 1431 der Prozess gemacht wegen Verstoßes gegen mehrere Gesetze der Kirche. Der Vorsitzende Richter war Pierre Cauchon, der Bischof von Beauvais. Das Urteil der »heiligen Inquisition« stand wohl von vornherein fest. Jeanne d'Arc wurde am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Calais bei lebendigem Leib verbrannt.

Oliver Guinnes
08.10.02, 20:42
* Dieser Abschnitt orientiert sich stark an Lang (1906). Wer sich über die Sicht der englischen Geschichtsschreibung informieren möchte sollte bei Milton (1883) nachschlagen.

Oliver Guinnes
09.10.02, 19:41
Zwar ist die Geschichte um Jeanne d’Arc an sich äußerst interessant und ihr Erscheinen führte auch zu einer Stärkung der Kampfkraft der Truppen des Königs, jedoch hatte sie nicht wirklich Einfluss auf den Ablauf des Krieges. Charles hatte den Waffengang trefflich vorbereitet, drei starke Heere unter den jungen Feldherren waren in der Nähe der englischen und burgundischen Besitzungen in Stellung gebracht worden. Die Verbündeten waren auf diplomatischem Wege auf den Waffegang eingestellt worden, und versicherten ihre Unterstützung. Insbesondere Schottlands Teilnahme an dem Feldzug war zentral für das gelingen der Unternehmung. Schottland sollte das Hauptkontingent der Engländer auf der Insel binden und – noch wichtiger – zumindest einen Teil der Flotte vom Kanal weglocken. Angesichts dieser Vorbereitungen waren die zusätzlichen 5000 Mann, die die Jungfrau für das Heer begeisterte eher ein Marginale. Ihr Einfluss auf, oder vielmehr ihre Instrumentalisierung durch Charles für, die Innenpolitik hatte wesentlich mehr Bedeutung.

Am 09.06.1429 war es soweit, Charles VII fordert Heinrich VI auf den kontinentalen Boden zu verlassen und ihm alle englischen Besitzungen zu übergeben oder die Konsequenzen – Krieg – in Kauf zu nehmen. Der Engländer lehnte, wie erwartet, ab; es herrschte Krieg zwischen Heinrich und Charles. Die Bündnispartner der beiden Regenten hielten ihr Wort, so dass nun Frankreich, Auvergne, die Provence und das Königreich Schottland auf der einen Seite mit England, Burgund und Navarra auf der anderen im Krieg lagen.

Während de Rais mit seinen Truppen im Norden auf keinen Widerstand traf sollte Richemont mit 43 000 Mann gegen 37 000 Engländern unter Beuchamp – Charles Angstgegner aus dem letzten Krieg – in Poitou marschieren. Beuchamp reagierte schneller als Richemont es antizipierte, so dass er mit der Reiterei, die den Großteil seiner Truppen in Poitou stellte, in die Gascogne entkommen konnte. Mit den verbleibenden Truppen hatte Richemont leichtes Spiel, und begann am 02.07. die Belagerung.

Für Dunois und sein 30 000 Mann war der erfolgreiche Rückzug Beuchamps ein weitaus weniger glücklicher Zustand. Die beiden Heere trafen am 05.07. in der Gascogne aufeinander. Charles’ Männer wurden geschlagen, die Hälfte gar erschlagen. Sie zogen sich nach Guyenne zurück, wo sie durch frisch ausgehobene Rekruten verstärkt wurden.

Trotz dieser Anfangsniederlage verlief der Krieg wie von Charles geplant. Es gelang in einer Folge von Schlachten – von denen einige gewonnen wurden, andere verloren gingen – die Engländer aufzureiben und schließlich in einer erbitterten Schlacht und anschließend Scharmützeln vom 03.09-09.09.1430 die verbleibenden englischen Truppen samt Beuchamp zu vernichten. Charles’ Truppen beherrschten den Kontinent und begannen sofort mit der Belagerung der Städte, die unter englischer Kontrolle verblieben waren.

Oliver Guinnes
10.10.02, 19:13
Mit der Beherrschung des Kontinents durch die Truppen Charles VII trat nun eine Art Routine ein – falls man dieses Wort angesichts der Schrecken des Krieges überhaupt verwenden kann. Eines der Heere zog zu einer Stadt die unter englischer oder auch wahlweise burgundischer Kontrolle war; ein Belagerung begann; die Stadt wurde von jeglichen Nachschub an Nahrung, Truppen und sonstigen Dingen abgeschnitten; in unregelmäßigen Abständen versuchten die Belagerten Ausfälle, die brutal zurück geschalgen wurden; nach einer Vielzahl von Monaten marschierten die Truppen von Charles in die betreffende Stadt ein und ließen sich von den Einwohner als Befreier feiern. Dann zog das Heer zu der nächsten Stadt, die noch nicht befreit aber frei war – es zogen ja drei Heere durch die englischen und burgundischen Besitzungen um die Demütigungen der Vergangenheit zurückzuzahlen; die nächste Belagerung begann.

Gerade bei diesen Belagerungen (Belagerungen werden in Box I.ix genauer beschrieben), und weniger bei offenen Feldschlachten, die noch oft genug verloren gingen, zeigten die Feldherren ihren Wert für ihren Herrscher in diesem Krieg. Alle drei – Richemont, Dunois und de Rais – hatten ein besonders Talent dafür, Schwachstellen in den Festungsanlagen zu entdecken. Sie hatten ein Gespür dafür oder sie sahen, wo Minengänge besonders effektiv wären, wo die Minengräber besonders geschützt arbeiten konnten oder wo Katzen am schnellsten zum Ziel führen würden und wie die Besatzungen der Städte besonders effektiv demoralisiert werden konnten.

Oliver Guinnes
10.10.02, 19:17
Da die Festungsmauern der Burgen und Städte im Allgemeinen einander gleich waren, gestalte auch eine Belagerung sich im Wesentlichen bei beiden gleich. Nur waren für die Belagerung einer Stadt mehr Krieger und Belagerungswerke erforderlich; das Bild einer belagerten Stadt war darum ein unendlich viel lebendigeres. So berichtet der Händler La Forge nach Hause:

„Wir fanden die Stadt von Feinden umringt; die Zelte der Fürsten und Edlen waren an herausragenden Stellen aufgeschlagen, und stolz flattern überall die vielfarbenen Banner. Der gemeine Krieger hatte sich aus Brettern, Stroh, Buschwerk und Ästen, wie er den Stoff gerade finden mochte, eine notdürftige Hütte erbaut. Einzelne Führer ritten gegen die Stadtmauer, um einen schwachen Punkt zu erspähen; sie nahmen sich aber in acht, auf Schussweite nahe zu kommen; sie wissen gar wohl, was für scharfe Grüße von der Mauer fliegen. Unterdessen rüstet der Anführer alles zur förmlichen Belagerung; mancherlei Sturmzeug hatte er auf Heerwagen mitgeführt, und anderes wird an Ort und Stelle gefertigt. Viele tausende Hände zimmern, bohren, nageln, von kundigen Werkmeistern geordnet und befehligt. ...“

Die erste Aufgabe des Belagerers war, die Zugänge zu der Stadt zu sperren auf das Nachschub, seien es Krieger, Lebensmittel oder anderes Material, nicht in die Stadt gelangen konnten. Denn aushungern war eine der effektivsten Belagerungsstrategien, insbesondere wenn der Feldherr über wenig Männer aber viel Zeit verfügte. Zwar hatten die Belagerer genauso viel oder gar mehr Menschen und Tiere zu versorgen als die Belagerten, jedoch war es für sie auch wesentlich leichter möglich diese zu versorgen, da sie auf die umliegenden Felder, Ortschaften und Gehöfte zugreifen konnten. Zudem konnte das Heer von weit her Nahrung heranschaffen lassen, während die Eingeschlossenen nur auf die Vorräte, die sie zu Beginn der Belagerung hatten, zurückgreifen konnten.

Die eigentliche Bestürmung der Festung geschah auf mancherlei Weise, je nach Lage und Beschaffenheit des Bodens und der Werke. Oft grub der Feind einen unterirdischen Gang in die Stadt und wartete die Nacht oder einen allgemeinen Sturm ab; dann öffnete sich plötzlich der Stollen, und die Krieger stiegen mit wildem Geschrei aus dem Schoße der Erde. So drangen Kaiser Friedrichs I. Krieger in das lombardische Alessandria; so untergruben die Türken die Mauern Konstantinopels. Gewöhnlicher war es jedoch, den Stollen nur bis unter die Grundfesten der Mauer zu treiben; diese stützte man mit Balken, damit sie die Grabenden nicht erdrückte, füllte dann die Höhle mit Torf und langsam brennenden Stoffen, zündete diese an und wartete, bis die verkohlten Stützbalken vom Gewichte der Mauer zusammenbrachen; die Mauer stürzte nach, und die Bresche oder Sturmlücke war geöffnet. Oft entdeckten aber die Belagerten die Mine; sie gruben entgegen und trieben den Feind mit Rauch oder Feuer aus der Höhle.

Damit aber hatte die Not der Stadt noch kein Ende; der Feind versuchte es auch mit anderen Werkzeugen: er rückte mit Katzen gegen die Mauer. Dies waren Schirmdächer, aus starken eichenen Balken zusammengefügt, und zwanzig bis hundert Mann hatten Platz unter ihnen. Eine solche Maschine nahte langsam und schwer auf Rollen, von der darunter befindlichen Mannschaft vorwärts geschoben; auf der Mauer der bedrängten Feste lagen indessen große Blöcke bereit, zu denen die Kirchen selbst die Altarquadern hergeben mussten; auch hatte man Fässer mit Steinen gefüllt, die auf das Ungetüm hinuntergestürzt wurden, dass es knirschte und stöhnte. Aber es wurde nur selten gebrochen, weil es zu feste Eisenrippen hatte. Auch Feuer wollte nicht dagegen helfen; den die Katze war mit frischem Weidengeflechte überzogen und dies wieder mit ungegerbten Fellen überspannt. Unter der Katze arbeitete der Sturmbock; dies war ein langer, fester und wuchtiger Balken, vorn mit einer starken Eisenspitze versehen, der gewöhnlich die Form eines Widderkopfes gegeben wurde; er hing in Ketten, wurde von den Soldaten im Takte der Sturmlieder oder unter wildem Kriegsgeschrei in Schwung gesetzt und stieß gegen die Mauer, dass diese zitterte und die stärksten Steine zermalmt wurden.

Doch die gewaltigste aller Maschinen war der Turm; er wurde der Höhe der zu bestürmenden Mauer gleich gemacht, weshalb er in Oberdeutschland Ebenhöchin genannt wurde. In den unteren Stöcken arbeiteten die Krieger mit Sturmböcken oder mit Keilhauen und Brecheisen; im oberen standen Bogenschützen und schwerbewaffnete Streiter. Auf Rädern oder Walzen wurde die ungeheure Last gegen die Mauer geschoben. Ist die Maschine trotz aller Anstrengungen der Belagerten dicht an die Mauer gerückt, so ist die Zeit der höchsten Not gekommen, denn jetzt wird der Feind einen allgemeinen Sturm wagen
.
Aber auch die Verteidiger wussten sich in der Regel zu rüsten. Sternschnuppen ähnlich fliegen geräuschlos in langsameren Bogen die Feuerpfeile. Die Schützen haben ihre Posten an den Schießscharten eingenommen; ein tödlicher Pfeil liegt auf der Rinne der Katapulte, einer großen Armbrust, die auf einem Gerüste steht und durch eine Maschine gespannt wird; die Männer auf der Mauer haben große Steinhaufen neben sich, und gewaltige Balken ragen über die Brustwehr, zum zerschmetternden Falle bereit gelegt. Auch große Haken, wie man sie bei Feuersbrünsten gebraucht, waren manchenorts verteilt; daneben dampfen Gruben, in denen Kalk gelöscht wird, und die Weiber heizen mit unermüdlicher Hast unter Kesseln, in denen Wasser oder Öl siedet.

Von solch einer Szene berichtet ein Zeitzeuge: „... Da plötzlich schmettern die Trompeten, die Harsthörner gellen, und himmelan schallt das Schlachtgeschrei des anstürmenden Feindes. Die Ebenhöchinnen und Katzen zerreißen die Mauern; große und kleine Steine, aus Blyden und Männerhänden geschleudert, Bolzen und Pfeile fliegen hin und her. Kühne Feinde nahen unter der Tartsche, einem großen geflochtenen Schilde, der mehrere Mann deckt; andere tragen Sturmleitern herbei und legen sie an, wo die Mauer am schwächsten zu sein scheint. Am gefährlichsten ist der Angriff der Ebenhöchin; gegen sie werden die schwersten Steine geschleudert, Pechfackeln und Feuerkugeln geworfen, auch Bienenkörbe, mit Linnen umwickelt, damit die zornigen Insekten, wenn sie ihre Umhüllung los sind, ihren eigenen Rachekrieg gegen die Männer im Streitturm beginnen.“

Und von der Belagerung der Feste Innsbruck berichtet Julius Landsperger, ein Leitermacher im Lager des Fürstbischofs von Freising: „... Unt allsda Mann unt Knecht auf Geheissen Seyner Fürstpischoefflicher Genaden gegen die Veste stürmeten unt die Leytern anlegten, da prasselten Bech unt Schwefäl und Eyffeler Karbitum auf uns hernieden, daßs eynem des Hören und Seh'n verganget, unt gar manch arm' Christenseele zum Himmel fuhr!“

Gelang es den Verteidigern, die Fallbrücke zu zerschmettern, die vom obersten Stockwerke des feindlichen Turmes auf die Mauer niedergelassen wird, dann war die größte zunächst Gefahr abgewendet, und wird das oberste Stockwerk vom Feinde gesäubert, so ist der Streitturm verloren, den die Belagerten dann mit Haken fassen, zerreißen und verbrennen. Gegen Katze und Tartsche wird ebenfalls der Feuerhaken angewendet, um sie umzuwerfen und die Mannschaft mit Steinen und Balken zu zerschmettern. Die aber mit Leitern die Mauern ersteigen oder einander emporhelfen, werden mit jedem möglichen Geschosse begrüßt, mit heißem Kalk und siedendem Wasser, mit allem, was zur Hand ist, und bald stöhnen zerschmetterte und verwundete Männer am Fuße der Mauer.

Misslang dem Angreifer auf diese Weise jeder Versuch, so musste er am Ende vom Sturme ablassen, und er hat nun kein anderes Mittel, als die Stadt auszuhungern, vorausgesetzt, dass er sich selber Lebensmittel zu verschaffen weiß. So wurden z. B. Mailand, Tortono, Faenza, Viterbo und andere italienische Städte, nachdem sie der Kriegskunst der Hohenstaufenkaiser tapfer und glücklich Widerstand geleistet, am Ende durch Hungersnot gezwungen, sich zu ergeben. Dagegen fiel Jerusalem durch Sturm in die Hände der Kreuzfahrer, als es den Männern eines Streitturmes gelungen war, die Fallbrücke auf den Mauerkranz niederzulassen; Konstantinopel nahmen die Kreuzfahrer 1204 durch einen Leitersturm. Indessen wird kaum ein Beispiel angeführt werden können, dass eine bedeutende französische Stadt vor der Anwendung des Schießpulvers durch Sturm in Feindeshand gefallen wäre, wenn sie nicht durch Verrat geöffnet wurde, oder wenn nicht innere Zwietracht die Bürger an rüstiger Verteidigung hinderte.

Oliver Guinnes
10.10.02, 19:18
* Da wir der Ansicht sind das man Dinge, die andere besser können, nicht selbst machen sollte, haben wir diesen Abschnitt aus der immer noch lesenswerten Geschichte Österreichs von Tenniter (1817) übernommen.

Oliver Guinnes
14.10.02, 19:25
Durch dieses besondere Talent der drei Feldherren zur Belagerung, verlief der Krieg zügig und ohne nennenswerte Höhepunkte. Die gelegentlichen Entsatzversuche durch feindliche Heere scheiterten kläglich. Mit dieser Routine war es im Winter 1431 plötzliche vorbei. Es war den Engländern gelungen ein starkes Heer in der Gascogne zu landen. Dort trafen sie auf Richemont mit zahlenmäßig unterlegenen Truppen. Die Engländer griffen am 24.10. an – es kam also 12 Jahre nach der ersten Weihnachtsschlacht zur zweiten in der gemeinsamen Geschichte der beiden Länder. Die überlegene Taktik Richemonts – er hat die leichte Kavallerie in einem kleine Wäldchen im Rücken des Feindes ein Hinterhalt legen lassen, um die englischen – genauer walisischen – Langbogenschützen, die gefährlichste Waffe der Engländer, nieder zu mähen – würde, wenn es gelänge sie umzusetzen, den Feind nicht nur verwirren und abgelenken, was ein erheblicher taktischer Vorteil wäre, sondern auch der Waffe beraubt, die schon so viele englische Siege ermöglichte. Der Rest der Schlacht würde dann in einen Kampf der Infanterie übergehen, wo die Truppen Richemonts einen erheblichen Vorteil hatten. Gelang es also der leichten Kavallerie ihre Aufgabe zu erfüllen, so würde Richemonts einen weiteren Sieg für seinen König erringen und seinen eigenen Ruhm mehren können.

Der Plan ging auf, die Engländer wurden vernichtet. Nur Richemont erlebte diesen Triumph nicht mehr. Einem Kavallerie Trupp unter Hastings – einem jungen aufstrebenden englischen Grafen – war es gelungen Richemonts Truppen zu umgehen, und plötzlich vor dem nur von wenigen Männern geschützten Feldherren aufzutauchen. Trotz seiner auswegslosen Lage ergaben er und seine Männer nicht, und kämpften bis zum letzten Atemzug. Als dieser getan war, halte der Ruf „Richemont ist tot“ über das Schlachtfeld. Wie oft hat ein solcher Ruf, der vom Tod des Feldherren kündete, das schon siegreiche Heer in Verwirrung und Auflösung gestürzt, so dass aus dem eigentlich sicheren Sieg eine Niederlage wurde?

Diesmal war dies nicht der Fall. Der Tod ihres geliebten Feldherren, der sie von Sieg zu Sieg geführt hatte, entfesselte Zorn, Wut und eine grenzlose Kraft in seinen Männern. Sie verfielen in Raserei, und töten jeden Engländer dessen sie habhaft werden konnten. De Vichy, der die leichte Kavallerie gegen die Bogenschützen geführt hatte, schrieb „… Wir erreichten das Schlachtfeld auf dem sich die Hauptteile getroffen hatten gegen Mittag. Welch Bild bot sich uns! Unsere Truppen hatten den Feind weit zurückgedrängt und sie rannten immer wieder mit voller Wucht gegen die Engländer. Sie drängten den Fein immerweiter gegen die hinter ihm aufragenden Felsen. Zuvor mussten die Engländer durch einen Fluss waten; rückwärts gingen sie dabei, da sie sich gegen unsere in wilder Raserei befindenden Männer zur wehr setzen mussten. Der Fluss färbte sich rot vom Blut erschlagener Engländer; Leichen, zu viele zum Zählen, trieben flussabwärts und würden noch in fernen Orten von der Schlacht künden.

Eine Stunde, oder auch zwei, später war der Feind gegen die Felswand gedrückt und das Heer der Engländer konnte sich nicht mehr bewegen. Sie waren gefangen und hoffnungslos unterlegen. Das sahen wohl auch die englischen Führer so. Sie sandten einen Unterhändler nach dem anderen zu uns. Unser neuer Feldherr wollte die englische Kapitulation auch annehmen, jedoch hörten die Männer nicht auf seine Befehle. Sie gingen zu den sich ergebenden Engländern und erschlugen sie, egal ob bewaffnet oder nicht ob noch kämpfend oder um Gnade bettelnd. Verwundeten, die sich nicht mehr wehren konnte, weil ihnen die Hand fehlte mit der sie ein Schwert hätten führen können, rammten unsere Männer noch die Lanze in den Bauch. Männer die angesichts der Übermacht die Waffen niederlegten wurde einen Atemzug später der Kopf mit eben dieser Waffe abgeschlagen. Es war schrecklich, eines Christen nicht würdig, unsere Männer waren Tiere. Sie ließen keinen Engländer am leben. Diejenigen Engländer, denen der Kopf abgeschlagen worden war, war noch die glücklicheren unter ihnen. Das schlachten dauert bis weit in die Nacht unter dem fahlen Licht des vollen Mondes…“

Trotz dieses Rückschlags den Richemonts Tod ohne Zweifel für Charles bedeutete verlief der Krieg recht gut. Die burgundischen, navarraschen und englischen Städte fielen in regelmäßigen Abständen, dank der Talente der beiden verbliebenen Feldherren. Am 06.08.1432 viel die Bourgogne, damit war ganz Burgund unter der Kontrolle des Königs. Angesichts dieser Situation willigte der Herzog, wenn auch erst nach langen und schwierigen Verhandlungen, in einen Frieden ein, bei dem er Franche Comtè, Brabant, Zeeland und Holland an Charles abtrat. Damit war der Herzog von Burgund auf lange Zeit, wenn nicht für immer als Gefahr ausgeschaltet. De Rais erhielt den Befehl, in den holländischen Gebieten zu bleiben und für Ordnung zu sorgen falls es zu Revolten kommen sollte.

Im Winter 1432 viel auch Navarra, und der König dieses kleinen Reiches war wieder bereit sein Knie vor Charles zu beugen und dessen Vasall zu werden. Der gesamte Kontinent wurde jetzt von Charles Truppen kontrolliert, und keine Stadt war mehr im Besitz seines letzten verbleiben Kriegsgegners: England. Es war also Zeit, den lag gehegten Plan, den Krieg nach England zu tragen, endlich umzusetzen. Die Invasion begann …

Oliver Guinnes
15.10.02, 19:21
„13. November
Dunois hat in Caen das Hauptquartier einrichten lassen. Ich selbst bin beim Heer, das zwischen den sanften Hügeln der Normandie lagerte, untergebracht und teile mir ein Zelt mit einem jungen Baron aus der Champagne. So schön die Normandie auch ist, realisieren die anderen eigentlich auch die Ironie, die in der Tatsache liegt, dass unser Versuch zur Unterwerfung der Nachfahren der Normannen genau an dem selben Punkt beginnen soll, von wo diese einst die Unterwerfung der Angelsachsen unternahmen?
In einer Woche oder noch spät soll die Flotte in Caen ankommen. Ein Woche in Untätigkeit, da wir die Zeit wohl kaum vergehen.

23. November
Nun sind schon zehn Tage seid dem letzten Eintrag vergangen, und ich muss gestehen wie töricht dieser war. Die zehn Tage kommen mir vor als ob es weniger als einer war. Dunois hatte wohl auch befürchtet, dass sich seine Männer langweilen könnten; klug wie er ist hat er dagegen vorgesorgt und ausführlichstes exerzieren befohlen. Es werden ohne unterlass Angriff, Rückzug, Zangenbewegungen, Schwertkampf, Reiterangriffe, Belagerungstechniken und alles andere was zum Kriegshandwerk gehört geübt. Ich war jeden Abend so erschöpft, dass ich wie ein Stein ins Bett fiel. Unser Feldherr denkt wohl, wir können uns noch auf den Schiffen erholen. Daher auch keine Einträge.

26. November
Heute war ich in Caen, und als ich im Hafen war kam tatsächlich gerade die Flotte an. Als erstes gleitete ein Kriegsschiff majestätisch in die Hafeneinfahrt; getrieben von seine Rahsegeln. Dahinter folgten drei weitere, die in einer Dreiecksformation segelten. Welch anmutiger Anblick wenn sich die drei Schiffe synchron bewegten. Zudem wurden ihre Segel von der untergehenden Sonne glühend rot gefärbt. Dahinter, ebenfalls in das Rot des Sonnenuntergangs getaucht, erschienen zwei der an ihren Lateinersegeln zu erkennenden Transportschiffe. Ich hätte noch Stunden zuschauen mögen, wenn nicht die Nacht hereingebrochen wäre, und ich nicht zum Lager zurück gemusst hätte.
Die Flotte – eine maßlose Übertreibung angesichts der Übermacht des Feindes – besteht wohl aus acht bis zwölf Kriegsschiffe sowie drei bis fünf Transportschiffen. Hoffentlich kommen die Engländer nicht auf die Idee in der nächsten Zeit eine größere Flotte in den Kanal zu schicken. Morgen beginnt die Einschiffung.

12. Dezember
Die Einschiffung bis zum letzten Mann (und Pferd), dauert länger als ich erwartet habe, obwohl das Heer, das transportiert werden kann, gar nicht so groß ist, vielleicht 12 000 Mann und 4 000 Pferde. Diejenigen, die zuerst an Bord gingen, mussten recht lange Warten bis es losging. Nun stechen wir aber in See, und ich bin voll freudiger Spannung; dies ist meine erste Seereise, falls man die kurze Fahrt über den Kanal so nennen kann.
Hoffentlich lenken die Schotten die Engländer nur genug ab. In einer Seeschlacht hätte auch der tüchtige Le Puy kaum eine Chance zu gewinnen, zu wenige, zu alte Schiffe und unerfahrene Matrosen. Träfen wir auf die Engländer auf See wäre unsere Unternehmung schon gescheitert bevor sie überhaupt begonnen hätte.

14. Dezember
Die Überfahrt hat nicht lange gedauert. Wir ankern nun vor einer flachen Stelle der Küste, eine Landung wäre bei der Steilküste, den faszinierenden, hell scheinenden Klippen, kaum möglich. Wir alle hoffen, dass nicht irgendwo, etwas weiter landeinwärts englische Truppen liegen und nur darauf warten uns bei der Landung abzuschlachten.

18. Dezember
Dunois hat keine Zeit verschwendet. Die ersten Truppen die landeten, schwärmten zu Erkundungsritten aus. Als klar war, dass die Überraschung gelungen war und die Engländer mit unserer Landung nicht gerechnet hatten zogen die ersten Truppen sofort nach Portsmouth und begannen mit den Vorbereitungen der Belagerung.
Dunois legt wert darauf, dass wir schnell mit der Belagerung vorankommen. Er will den Hafen so schnell wie irgend möglich kontrollieren, damit das Ausschiffen des Nachschubs, den die Flotte beständig heranbringen soll, im sicheren Hafen erfolgen kann, und Le Puy nicht der Gefahr ausgesetzt ist von einer englischen Flotte überrascht zu werden.

15. Januar 1433
Die Flotte ist wieder angekommen und hat weitere zwölftausend Mann gebracht. Damit können wir gegen die Engländer wohl auch in einer Feldschlacht bestehen.

Oliver Guinnes
15.10.02, 19:28
Diese Feldschlacht kam schneller als von David de Senlis, der der dritte Sohn von Vileroy de Senlis, der von der Erbfolge ausgeschlossen war und sich daher beim Militär eine Karriere aufbauen wollte, vermutet. Drei Tage nach dem obigen Eintrag griffen die Engländer mit einem schwachen Heer an – einem viel zu schwachen. Es war binnen eines Tages vernichtet.

Charles Plan sah vor, Wessex mit dem Hafen Portsmouth, so schnell als irgend möglich zu erobern. Wessex sollte als Brückenkopf fungieren, bei dem neue Truppen gelandet und von dem Angriffe auf weitere Provinzen Südenglands vorgenommen werden sollten. Im Februar 1433 gelang es zwar weitere 12 000 Soldaten zu landen, so dass jetzt mehr als 30 000 von Charles Männern auf englischen Boden standen. Jedoch wurde die Flotte auf der Rückfahrt nach Caen von starken englischen Verbänden gestellt und geschlagen. Le Puy gelang eine schnelle Flucht nach Caen, so dass seine Schiffe fast ohne Schäden ankamen. Für einen solch stolzen Mann waren die Niederlagen gegen die Engländer und die ständige Flucht sicherlich nicht leicht zu ertragen. Jedoch wusste er, dass Charles von ihm kein heroischen Taten auf See – bei dem er unter hohen Verlusten vielleicht mal die Engländer schlug – erwartete, sondern dass er die Flotte intakt hielt, damit die Truppentransporte vorangehen konnten. Wenn die Schotten ihre Versprechen halten würden, dann wäre die englische Flotte auch bald wieder abgelenkt, und er könnte dann wieder Truppen über den Kanal schaffen.

Die Niederlage zu See war nur ein kleiner und auch eingeplanter Dämpfer in der gesamten Kampagne. Zwei Tage später viel Portsmouth. Ein Hafen stand für weitere Invasionstruppen zur Verfügung und ein Stützpunkt von dem weitere Angriffe ausgehen konnten.

Dunois wollte nun die Engländer dort schlagen, wo es sie wirklich hart traf und wo es ihre Moral zerstören würde: London! Er ließ eine kleine Garnison zurück und rückte mit dem ganzen Heer nach Anglia vor. Dort wartete schon ein englisches Heer auf Dunois und seine Männer. Zwar waren die Engländer zahlenmäßig unterlegen, jedoch musste Dunois’ Heer erst die Thames über- oder durchqueren. Während dieses Übergangs gaben sie treffliche Ziele für die walisischen Langbogenschützen ab. Als sie das Ufer erreichten standen sie am unteren Ende des Hangs während die Engländer höher positioniert waren. Zudem waren Dunois Männer, die durch das kalte Thameswasser waten mussten, steif vor Kälte und klamm vor Nässe. Für die Engländer war es ein leichtes die Angreifer zurückzuschlagen. Die Eroberung Londons war gescheitert – vorerst.

Augustus Rex
15.10.02, 19:34
Nur weiter, nur weiter!

Basileios II
15.10.02, 20:28
Herr, Eure Erzählung ist gar wunderbar, doch hättet ihr nicht ein anderes Land wählen können?:D Trotzdem: Nur weiter so!

Dr. w.c. Gerland
15.10.02, 20:37
Ah Frankreich ist ganz nach meinem Geschmack. Auch wenn nicht jeder meine Meinung teilen wird. Ich stimme überein. Ein hervorragender Report.

Ich bin auf eine Fortsetzung mehr als gespannt.

Oliver Guinnes
16.10.02, 12:01
Dank für das Lob werte Herren, auch wenn Wir es nicht verdient haben.

Mit Schrecken mussten wir feststellen, dass die Bedenken einiger Herren betreffend des Tempos dieses Berichtes durch aus berechtigt waren. Wenn es so weiter geht wie bisher, werden wir wohl nicht vor dem Jahr 2347 den letzten Satz schreiben können. Aber es werden noch ruhigere Zeiten kommen, in denen es wohl nicht soviel zu berichten gibt.

@ Basileios

Seid beruhigt, mit der Bretagne wird über lang Zeit recht gnädig verfahren werden.

:drink:

Oliver Guinnes
17.10.02, 19:32
Nicht nur der Vorstoß nach Anglia war gescheitert, sondern die Engländer unter Talbot setzten den sich nach Wessex zurückziehenden Invasoren nach und schlugen sie dort erneut. Jedoch gelang es den kurze Zeit später ausgeschifften Nachschubtruppen die Engländer aus Wessex zu vertreiben. Dunois schien seine Strategie zu ändern. Er teilt sein Heer in mehrere Armee, um wohl soviel Provinzen als irgend möglich zu gleich zu belagern.

Da es Le Puy gelang, die englische Flotte immer wieder zu umgehen und Nachschub auf die Insel zu bringen, war diese Strategie im Großen und Ganzen erfolgreich. Zwar kam es immer mal wieder zu Niederlagen gegen die Engländer und den damit verbundenen Unterbrechungen von Belagerungen, aber in der Summe verloren die Engländer häufiger als sie gewannen.

Im Herbst 1433 erhielt Charles eine Nachricht die sowohl Gefahr als auch ein Chance bedeutet. Die holländische Grafschaft Geldern schloss sich dem englischen Bündnis an und trat auf deren Seite in den Krieg gegen Frankreich an. Die Gefahr bestand darin, dass die neue Front die Kräfte des Reiches aufteilen und so die Bemühungen in England untergraben würde zumal das Heer der Holländer groß und modern war; die Chance bestand darin, dass Charles sein holländischen Besitzungen mit der wohlhabenden Provinz Geldern konsolidieren könnte.

Für De Rais war dieser neue Kriegsgegner eine Befreiung: „… Endlich! Eine Aufgabe! Dies elende Bewachen der holländischen Bauern hat nun ein Ende! Ich Dank Gott für die Dummheit dieses Grafen, der es wagt meinem König die Stirn zu bieten. Nun kann ich mich auszeichnen; wie elend war mir zumute diesem unfähigen Dunois zuzusehen müssen wie er die englische Kampagne verstümpert. Mein Heer ist wohl gerüstet, zwar habe ich weniger Männer als die Holländer, aber ihr Führer wird sich wohl kaum mit meinen Fähigkeiten messen können. Der Sieg über ein überlegenes Heer könnte den Blick des Königs auf mich lenken und unserem Familiennamen zu der Anerkennung zu verhelfen den er schon lange verdient hat. …“ (Aus einem Brief von Giles de Rais an seine Schwester Charlotte)

De Rais’ Hochmut schien zwar begründet, da er die erste Schlacht gegen die Holländer in Zeeland gewann, jedoch verlor er die zweite bei seinem Vorstoß nach Geldern. Die Holländer konnten sogar eine Belagerung in Zeeland errichten, die von den Rebellen gewonnen wurde, die eigentlich de Rais niederwerfen sollte.

Im Frühjahr 1434 riss der Strom schlechter Nachrichten für Charles nicht ab. Der Herzog von Savoyen erdreistete sich ihm den Krieg zu erklären. Dessen Verbündeter, der Herzog der Bretagne, hielt seine Bündnispflichten gegenüber dem Savoyer für wichtiger als die Vasallenpflichten gegenüber Charles und trat ebenfalls auf der Seite Savoyens in den Krieg ein. Charles’ Bündnispartner standen zu ihrem Wort. Er würde fürs erste ihnen überlassen mit diesen neuen Kriegsgegner fertig zu werden.

Während dessen gelang es De Rais die Rebellen niederzuwerfen und die Kontrolle über Zeeland zurückzugewinnen und danach auf Geldern vorzustoßen, die Holländer zu vertreiben und eine Belagerung zu beginnen. Auch die Bretagne hatte nicht viel Glück mit ihrem Eintritt in den Krieg. Schon nach einem halben Jahr schloss sie Frieden und wurde nun Vasall Schottlands.

Währen dessen war es Dunois gelungen, durch Aufteilung seine Heers in mehre Armeen die Engländer abzulenken und mit seiner Hauptstreitmacht von Norden her – also unter Vermeidung des Thamesübergang – nach Anglia vorzustoßen.

„…
10. Oktober 1434
Was für ein Tag! Wie haben unsere Männer gejubelt, als Dunois in seiner über und über mit Gold besetzte Prachtrüstung, die in der Oktobersonne hell leuchtete, in London einritt um die Kapitulation des Stadtkommandanten entgegenzunehmen.
Wir haben es geschafft! Es ging viel schneller als ich – und auch die anderen – erwatet hatten. So beeindruckend die Stadtmauer war, so schnell hatte Dunois die Schwachstellen gefunden. Als an einem Tag fast ein Drittel der Stadtmauer über unsern Minengängen einbrach, fiel uns London zu wie ein reifer Apfel …“ (Aus dem Tagebuch von David de Senlis)

Damit lag der Feind der fast Charles Krone an sich gerissen hätte danieder. Zwar war England noch nicht vollständig geschlagen, jedoch fuhr der Schock über den Fall Londons wie ein Sturm durch das Land und das Heer des Feindes. Dunois hatte zwar noch viel Arbeit vor sich, aber es waren nur Aufräumarbeiten. Der 10.10.1434, fünfundachtzig Jahre nachdem der erste Engländer – Edward III – nach der Krone des Westfränkischen Reiches griff, war durch den Fall Londons dieser Anspruch für immer zurückgewiesen.

Perikles
18.10.02, 00:00
ein ungläubiges Staunen.

Also um der Wahrheit Ehre zu geben - ich komm nicht mehr hinterher mit lesen - uff

Also mir hat man mal schreibwut vorgeworfen, aber ihr stellt alles in den schatten. Ich werd mir wohl ein Wochenende reservieren müssen um Euren AAR vollständig zu lesen.

Ja, das werd ich tun. Mir eine Flasche Rotwein schnappen und Euren AAR nehmen und mir ein gemütliches Wochenende machen.

Oliver Guinnes
18.10.02, 09:38
Werter Perikles,

Wir schreiben ja schon etwas länger an diesem Bericht, so dass er nur auf Grund Eurer etwas längeren Forumsabwesenheit nun soviel auf einmal ist.

Betreffend Eurer Wochendplanung: Gegen eine gute Flasche Rotwein ist ja nie etwas einzuwänden, jedoch denken Wir, dass es Euch ein leichtes sein wird eine spannendere Lektüre als unseren Bericht zu finden. Daher solltet Ihr Euren Plan noch einmla überdenken.


:drink:

Oliver Guinnes
21.10.02, 19:26
Trotz dieser Niederlage waren die Engländer viel zu stolz – oder überheblich? – als dass sie einem Frieden mit Charles zustimmen wollten. Dies obwohl recht moderate Forderungen stellte. Er wollte einige Ländereien, weitaus weniger, als seine Truppen zu diesem Zeitpunkt besetzten, insbesondere sollten die Engländer ihre kontinentalen Besitzungen aufgeben. Für diese Verweigerung des Friedens sollten die Engländer einen hohen Preis zahlen.

Das durch den Fall geschockte englische Heer war für Charles Männer kein ernst zunehmender Gegner mehr. Dunois hatte die Invasionsarmee in mehrere kleine Heere aufgeteilt von dem jedes die Treffen mit den Engländern gewann, zumindest meistens. Jedoch war die Hauptaufgabe dieser Heere nicht das Jagen von Engländer, sondern das Belagern von deren Städten. Weil Heinrich VI – bzw. diejenigen, die für den Unmündigen regierten – kaum noch eine nennenswerte Streitmacht aufstellen konnten, verliefen die Belagerungen ohne große Unterbrechungen. Folglich begannen im Spätsommer 1435 weitere englische Städte zu fallen.

Ein diplomatischer Coup, der Charles gelang, sorgte für eine weitere Schwächung der englischen Position. Im September hatte er sich für drei Tage im burgundischen Städtchen Arras mit Phillip (dem Guten), Herzog von Burgund und langjähriger Rivale Charles, getroffen und verhandelt. Beide kamen zu einer Einigung. Phillip befürchte wohl, er könne die kümmerlichen Reste seines einst stolzen Reiches verlieren, wenn er zu keiner Verständigung zwischen den beiden käme, während Charles wohl die Position Englands schwächen und anderen Mächten ein mögliches Einfallstor in sein Reich verwehren wollte. Wie auch immer, die beiden Herrscher einigten sich darauf, dass Charles den Besitzstand Phillips garantieren würde und dieser hingegen die Thronansprüche Charles akzeptieren sowie auf militärische Unterstützung für die Engländer unterlassen würde.

Aber auch dieser diplomatische Rückschlag brachte die Engländer nicht zum Einlenken. Sie lehnten wiederum ein Friedensangebot ab. Während dessen machten die Belagerungen weitere Fortschritte. Jedoch führte der sich in die Länge ziehende Krieg und die damit verbundene Belastungen für Bauern, Handwerker und niederem Adel zu Unmut unter diesen Bevölkerungsgruppen. Die Stimmung war mittlerweile so angespannt, dass es zu spontanen Revolten der niederen Stände kam. Vor allem in den niederländischen Provinzen, weil hier der Adel (vgl. Box I.vi) häufig eine führende Rolle übernahmen. Auch revoltierte die Bevölkerung in einigen der englischen Provinzen gegen die Besatzer vom Kontinent, was die Gefahr mit sich brachte, dass die entsprechenden Städte wieder an England fielen. Diese zunehmende Kriegsmüdigkeit machte einen baldigen Friedenschluss nötig.

Obwohl Charles Truppen fasst ganz England besetzt hielten, gab er sich im Ersten Frieden von London (Januar 1438) mit Calais, Poitou, Wessex, Kent und Wales zufrieden. Damit verblieb als englischer Besitz auf den Kontinent nur noch die Gascogne, was vielen zuviel war, zumal er Wales als eigenständiges Fürstentum, wenn auch nur als Vasall, wieder herstellte.

„Lieber Bruder,
wie konntet Ihr nur diesen englischen Bastarden noch Land auf unserem geheiligten Boden lassen? Was wollt Ihr denn mit dem englischen Land? Ihr braucht zwei Armeen um den Frieden aufrecht zu erhalten, während Ihr in der Gascogne als Befreier gefeiert worden wärt. …“ (Aus einem Brief von Charles Bruder Henry an Charles)

„… Konntest Du glauben, welch Frieden Charles abgeschlossen hat? Reichlich englische Felsen und Schafe, statt die reichen Gascogne! Er hatte die Chance die Schmach von seinem ersten Frieden vergessen zu machen! Und was macht dieser Stümper auf dem Thron? Er fordert paar Fischerdörfer! Der Adel sollte mehr Verantwortung übernehmen und sich an der Führung des Landes beteiligen, wann sieht der König dies endlich ein? …“ (Vileroy de Senlis an seinen Sohn Phillip)

„Werter Abt,
Wir wissen Eure Sorge wie immer zu schätzen, zumal Unser Bruder schon die gleichen Bedenken geäußert hat. Aber Eure Besorgnis ist unbegründet. Wir haben doch Unsere Ziele erreicht. Die Engländer liegen am Boden und werden lange keine Gefahr für Unser Reich sein können. Wenn sie etwas unternehmen wollen, stehen wir mit Unseren Truppen direkt vor ihrer Hauptstadt, und können sie jederzeit dort angreifen, wo sie es an meisten trifft. Und was nützt Uns die beste Ausgangsposition für eine Krieg, wenn wir keinen Grund haben mit dem wir ihn öffentlich begründen können? Ihr seht, Wir hatten schon Unsere Gründe Ihnen die Gascogne zu lassen. Und um den umtriebigen de Senlis und seine hochnäsigen Anhänger braucht Ihr Euch keine weiteren Sorgen zu machen, für den Eber stellen Wir gerade eine angemessen Jagdgruppe zusammen. …“ (Aus einem Brief von Charles an seinen Berater den Abtes von St. Dennis)

Charles war also trotz zahlreicher Bedenken und Kritik an dem Frieden, mit dem Verhandlungsergebnis mehr als zufrieden. Und gemäß seinem Schwur konnte er sich nun zum König krönen lassen.

Oliver Guinnes
21.10.02, 19:28
Charles wollte mit seiner Krönung ein neues Zeitalter beginnen lassen, und um dies zu betonen brach er mit der alter Tradition nach der die Krönung fränkischen Könige in Reims zu erfolgen hatte. Er befahl, dass die Krönung in Paris, seiner Hauptstadt, vorgenommen werden sollte.

Die Krönung selbst fand am 17. Juli – einem strahlenden Sommertag – in der Kathedrale von Notre-Dame statt. Die Vorbereitungen waren von erheblichen Umfang. Hier war die Verlagerung der Krönung nach Paris von erheblichen Vorteil, denn der Großteil der königlichen Insignien lagerten in St. Dennis vor den Toren der Stadt. Und der alte Abt und Berater des Königs brachte sie voller Stolz in die Hauptstadt – er würde erleben wie aus seinem Schüler und Schützling der König werden würde. Jedoch mindestens genauso wichtig wie die Insignien war für die Krönung und die Anerkennung der Legitimität des Königs das Öl der Heiligen Ampulla.

„... the use of the oil from the Sainte Ampoule, an oil which according to universal belief had been miraculously brought from heaven by an angel, or a dove, was a privilege of the Franconian kings since the baptism of Clovis. This oil was kept in the Abbey of St. Remigius. The abbot brought the Sainte Ampoule to the coronation. … (Encyclopaedia Catholica (1919)) Geschützt wurde der Abt des ebengenannten Klosters Sankt Remigius von drei der Edlen aus dem Gefolge des Königs: den Herren de Rais, de Grandville und dem Admiral le Puy. Die Edlen, die sich für die Rückkehr der Reliquie in gutem Zustand eidlich verbürgten, trugen den Namen „Geisel der Heiligen Ampulla“.

In der Kathedrale hatten sich die Edlen und Mächtigen – und die, die sich dafür hielten – schon früh versammelt. Jeder an dem, seinem Rang oder seiner Funktion entsprechenden Platze. Alexander Ferrand, Erzbischof von Reims, erster Pair von Frankreich, leitet die Zeremonie assistiert durch Reginald von Chartres, Bischof von Paris, und dem Abt von St. Dennis. In einer großen und feierlichen Prozession holen zwei kirchliche Pairs den zukünftigen König in seinem Palast ab. Als Charles, gekleidet in seiner prächtigsten Rüstung, die Kathedrale erreicht bricht das Volk in Jubel aus. Er schreitet unter einem von zwei Geistlichen und zwei Adligen gestützten Baldachin durch die Kathedrale und nimmt die Freudenrufe der Anwesenden huldvoll entgegen.
Während der nun folgenden fünfstündigen Zeremonie, wird Charles mit dem heiligen Öl gesalbt. Auch legte er ein feierliches Gelübde ab dem Reich und Volk zu dienen und es vor allem Unbill zu bewahren. Seine Insignien (Krone, Zepter, goldene Sporen, Hand der Gerechtigkeit) wurden gesegnet und er legte einen Ring als Symbol der Einigkeit des Königs mit seinem Volke an.

Zu einer weiteren Abweichung von der Tradition kommt es als der Erzbischof von Reims dem vor ihm knieenden Charles die Krone aufs Haupt setzen will. Anstatt, wie alle seine Vorgänger, sein Haupt in Demut vor Gott zu senken, erhebt er beide Hände um die Krone von Ferrand zu empfangen. Dieser wirkte nach einer Vielzahl von Augenzeugenberichten, ob dieser Handlungsweise verwirrt und lies sich die Krone abnehmen. Darauf hin erhebt sich Charles die Krone in beiden Händen über sein Haupt haltend und wendet sich der Versammlung in der Kathedrale zu. Er hält einen kurzen Augenblick inne, kein Laut ist aus der Versammlung zu hören, alle Augen sind auf ihn, Charles, den zukünftigen König, gerichtet. Als er nun sich selbst dir Krone auf das eigene Haupt setzte, brach ein grenzenloser Jubel aus wie er noch nie in Notre-Dame zu hören gewesen war. So heißt im Tagebuch eines Augenzeugen: "Und als der König gesalbt war und auch als er sich die Krone aufs Haupt setzte, taten alle lautstark ihre Freude kund, (...)"

Was war geschehen? Charles hatte mit der Jahrhunderte alten Tradition gebrochen, dass der König seine Krone und damit seine Regentschaft von Gott – sprich der Kirche, dem Papst – empfing. Spätestens seit König Karl am 25. Dezember des Jahres 800 in der Peterskirche zu Rom zur Feier der Messe erschien und sich vor dem Altar zum Gebet neigte, und Papst Leo III. ihn überraschte indem er Karl eine Krone aufs Haupt setzte - wie Karls Sekretär, der Mönch Einhard, berichtet, "unter dem lauten Zuruf des ganzen römischen Volkes: Dem erhabenen Karl, dem von Gott gekrönten großen und friedebringenden Kaiser der Römer Leben und Sieg"! – war es Tradition und das Vorrecht der Kirche, dass Geistliche die Monarchen krönten und ihnen so die Regentschaft erst ermöglichten. Dies verlieh der Kirche und ihren Vertretern eine erhebliche macht, wie schon Karl dem Großen wohl bewusst war, so soll er nach Berichten des schon eben erwähnten Einhard sich nach der überraschenden Krönung gewünscht haben die Peterskirche nie betreten zu haben. Nicht zu letzt dieser Einfluss und der daraus resultierende Konflikt mit dem Papst, führte zu der kontinuierlichen Schwächung der Ostfränkischen Reiches, das die Kaiserwürde errungen hatte.

"Werter Ferrand,
seid nicht erbost über Unser Handeln während der Krönung, Wir taten nur was getan werden musste im Interesse des Reiches und des Königtums. Es war nicht gegen Euch als Person und auch nicht gegen Euch als Bischof gerichtet. Die Krone verdanken Wir, Charles VII, nur Uns selbst und der Gnade Gottes und nicht irgendwelchen Pfaffen, Rittern, Edelmänner oder gar Bauernmädchen. Zu lange haben Eure Vorgänger versucht Ihr Amt zum persönlichen Vorteil zu nutzen. Zwei von ihnen hatten einst neue Könige auf den Thron gehoben und die rechtmäßigen Erben dem Vergessen anheim gegeben. Ja, sogar Euer direkter Vorgänger plante dies auch mit Unserem Vater zu tun! Nicht das wir Euch so eine schändliche Tat zu trauen würden wie diesem elenden Bessé sur Bray, aber könnt Ihr Euch auch für Eure Nachfolger verbürgen?
Werter Vater, Ihr seid weiterhing ein willkommener Gast an Unserem Hofe, und Wir werden noch häufig Euren Rat benötigen, so dass Eure Stellung im Reich noch die gleiche ist, wie vor der Krönung. Auch seid Ihr immer noch der erste Kirchenmann im Lande, wie es sich für den Erzbischof von Reims gebührt. Dies ändert auch der neue Krönungsort nicht, da Reims die größte, reichste und wichtigste Diözese bleibt. Auch wenn dereinst einer Unser Nachfolger entscheiden sollte, dass der Bischof von Paris oder der Abt von St. Denis die Krönungszeremonie leiten sollte, so ändert dies nichts an der Rolle, die die Erzbischöfe von Reims im Reich spielen, denn die Bedeutung der Kirche für die Bestimmung der zukünftigen Könige ist durch Unsere Selbstkrönung, wie Ihr es nanntet, zu vernachlässigen." (Aus einem Brief von Charles VII an Alexander Ferrand, Erzbischof von Reims, kurz nach der Krönung)

„... Wir haben wohl Charles all die Jahre unterschätzt, dabei hätte uns doch auffallen sollen, wie er dies Bauernmädchen gegen uns benutzte. Nicht nur, dass er im Handstreich der Kirche ihre gewichtige Rolle bei der Krönung aus der Hand nahm, er hat auch ähnlich dreist die Akklamation von uns Adligen übergangen und uns so die letzte Einspruchmöglichkeit bei der Thronfolge genommen. Wie kurzsichtig sind diese landgeilen Knechte des Königs eigentlich? Überglücklich mit ihren neuen Ländereien und voller Hoffnung auf noch mehr lassen sie sich alles gefallen, und sehen nicht, dass Charles immer Macht auf sich vereint. Bald wird er uns adlige kaum noch benötigen, wie er jetzt schon die Kirche nicht mehr braucht um zu regieren. Die Engländer geschlagen, die Versammlung der Adligen ignoriert, wie sollen jetzt noch Einfluss gewinnen, welches Druckmittel haben wir noch? Zumal die meisten dieser Gecken vor ihm kriechen und seine Schuhe lecken in der Hoffnung möglichst viel von dem neuen Land zu bekommen, und sie sehen nicht mal, dass er sie nur mit Krumen von seinem reich gedeckten Tische abspeist, und statt dessen dir Krondomänen wachsen lässt. Was wir unter seinem Vater gewinnen konnten, haben wir an ihn mehr als doppelt verloren. ...“ (Aus einem Schreiben von Vileroy de Senlis, Count de Champagne)

Oliver Guinnes
21.10.02, 19:29
* Weiterführende Literatur über die französischen Krönungen finden sich bei Thomas (1911) oder Pernoud (1920).

Oliver Guinnes
21.10.02, 19:32
Mit diesem Frieden und der Krönung hatte Charles VII in unserer Sicht der Dinge das zu Ende gebracht was sein Vater begonnen hatte und aus den Trümmern des alten ostfränkischen Reiches ein neues Reich – Frankreich – entstehen lassen. Die Entstehung eines Reiches, die wir über die letzten 20 Jahre begleitet haben, ist nun vollendet. Im nächsten Kapitel wollen wir beobachten wie dieses Reich langsam wächst, gedeiht und erstarkt.

Perikles
21.10.02, 22:46
Oh, peinlich, mein lieber Oliver Guiness ich muß Euch etwas gestehen. Bei mir kam etwas feucht fröhliches dazwischen und ich bin nur bis zu Hälfte gekommen. Und nun habt ihr Euer Meisterwerk schon wieder fortgesetzt.

Aber ich werde es so schnell als möglich weiterlesen.

Es ist wirklich gut geschrieben und macht Spass zu lesen.
Und ich hab ein gutes Gefühl dabei. Das ist nicht irgendsowas.
Das ist eine wissenschaftliche Arbeit. Richtig bildend.

Oliver Guinnes
21.10.02, 23:26
* erröt *

Dank für Euer Lob. Aber verdient ist es dennoch nicht. Wir haben sowohl in diesem Forum als auch im angelsächsischen Berichte von weitaus höhere Qualität gelesen. Zudem befürchten Wir, dass Wir hin und wieder dir goße Linie verloren haben.

Uns komt auch des häufigeren etwas feucht fröhliches dazwischen, und dann das ewige Leid mit Unseren Mätressen, die auch betreut sein wollen. :D

:drink:

Oliver Guinnes
23.10.02, 20:38
II: Zeit des Friedens
II.i: Die Aufgaben

Nun nach 99 Jahren war der Krieg der 1339 begann – der hundertjährige Krieg – zu Ende, zumindest in unserer Sichtweise, andere halten den endgültigen Verzicht der englischen Könige auf den französischen Thron 1453 für das wirkliche Ende des Krieges wieder andere die Rückgabe der Gascogne durch die Engländer. Wie auch immer, das lange Ringen war faktisch vorbei, England war kein Gegner mehr für das gewachsene Frankreich – außer es fand einen starken Bündnispartner.

Jedoch war das Reich ausgezerrt und ausgelaugt, die Staatskasse war leer, das Heer viel zu groß, viele Felder verwüstet und in den neuen holländischen und englischen Provinzen kam es regelmäßig zu Aufständen. Charles stand vor der Herausforderung sein neu geschaffenes Reich wiederaufzurichten, die Verwaltung straffen und die Wirtschaft zu stärken. Es war nicht so, dass er in dieser Hinsicht während des Krieges vollkommen inaktiv gewesen wären – es wurden weiter Händler gesandt, Kanzleien geschaffen und auch Diplomatie betrieben – jedoch lag das Hauptaugemerk von Charles und seiner Berater auf dem Krieg. Unter diesen Beratern fanden sich immer mehr Männer ein, die einst in der Bourbonnais lebten und an der Absetzung des Herzogs beteiligt waren.

„Mein König,
warum versammelt Ihr so viele Männer um Euch deren einzige Auszeichnung es ist, dass sie ihren früheren Herrscher verraten haben? Wir versichern Euch, wir schreiben Euch nicht aus verletzter Eitelkeit oder aus Eifersucht, sondern nur aus Sorge um Euch, zumal Ihr mich noch häufig zu Euch ruft, häufiger als es eigentlich meine Pflichten hier als Abt zulassen. Aber wie könnt Ihr diesen Männern vertrauen? Fürchtet Ihr nicht, dass sie Euch auch dereinst verraten werden? Ja, auch Wir halten einige von ihnen für fähig und kompetent – Wir erfreuen Uns an jeder Unterhaltung die wir mit Ferrand führen dürfen –, vielleicht sogar Euch ergeben, jedoch lassen mich ihre Taten an ihrer Vertrauenswürdigkeit zweifeln …“ (Der Abt von St. Denis im Frühjahr 1434 an Charles).

„Werter Abt,
Wir versichern Euch, Eure Stellung ist durch niemanden und kein Ereignis gefährdet. Ihr seid immer um Uns gewesen, und Ihr gabt Uns und Unserem Vater (© AR) immer guten Rat. Vielleicht habt Ihr recht und diese Männer sind nicht vertrauenswürdig, aber wie sollten sie Uns denn jemals gefährlich werden? Alles was sie haben, haben sie von Uns, und der alte Adel neidet es ihnen. Senlis und seine Männer sähen sie lieber tot oder fern abgespeist mit Land in Unseren afrikanischen Besitzungen. Der französische Adel ist durch Familienbande, Freundschaften Tradition und der stärksten aller Fesseln, einem gemeinsamen Interesse, aneinander gebunden – alles was Senlis und seine Mannen gewinnen geht auf Unsere kosten. Alles was d’Vichy, Lascaux, Puy-de-Dome oder Marche gewinnen können, können sie nur durch Uns gewinnen, sie sind durch ihr Interesse an Uns gebunden, ohne Uns sind sie nichts – dies sind die besten Adligen, die ein Monarch als Berater, Helfer oder Vertrauten haben kann.

Und Ihr wisst, wir vertrauen nicht nur Euch sondern noch anderen Männern, die schon immer Frankreich gedient haben. Dunois oder de Rais dürfen Uns dienen, obwohl letzter mit Senlis sympathisiert. Oder ein Mann, wie de Flavy, kann sich immer das Vertrauen und der Dankbarkeit seines Monarchen sicher sein, so wie er sich um das Mädchen gekümmert hat. …“ (Aus Charles Antwort)

Ein wesentliches Aufgabenfeld für Charles würde die Aufrichtung der Wirtschaft sein, denn nur ein wirtschaftlich starkes Frankreich, hätte auf die Dauer die Ressourcen um seine Feinde auf Dauer abwehren zu können. Eine wesentliche Vorraussetzung für diesen Aufbau war die Herstellung des inneren Friedens, vor allem in den neuen und reichen holländischen Provinzen. Aber nicht nur der innere Frieden war wichtig, sondern auch der äußere. Die Eroberungen und die Entstehungen eines neuen Reiches, das wenn es seine Ressourcen entfalten würde stark sein würde, hat in den europäischen Höfen Besorgnis erregt. Viele der Nachbarn, vor allem die Kleinstaaten des Deutschen Reiches, das nur noch dem Namen nach ein Reich war, hatten vor dem neuen, großen Nachbarn Angst. Charles Aufgabe im diplomatischen Bereich war es also, diese Sorgen zu zerstreuen, um zu verhindern, dass sich halb Europa gegen Ihn zusammen schloss. Zugleich war der beste Garant für äußere Sicherheit ein starkes und modernes Heer. Ein Heer, das nur durch eine starke Wirtschaft finanziert werden konnte.

War das erste Kapitel durch den Zweikampf mit den Engländern strukturiert, so wollen wir dies Kapitel stärker an den Aufgaben, denen sich Charles VII gegenüber sah, ausrichten. Wir werden also über das gesamte Kapitel nicht mehr chronologisch vorgehen, sondern nur noch in den Unterkapiteln, der Zeitlinie folgen, und in jedem Unterkapitel neu beginnen. Wenden wir unser Augenmerk auf die Erlangung des inneren Friedens, vor allem auf die Befriedung der neuen Provinzen.

Oliver Guinnes
30.10.02, 20:50
II.ii: Der innere Frieden

Direkt nach dem Krieg war der innere Frieden vor allem durch zwei Probleme gefährdet. Zum einen hat der lange Krieg, die damit verbundene Kriegsmüdigkeit und regelmäßig erhobenen Kriegssteuern für Unruhe unter den Adligen, Handwerkern und Bauern gesorgt, so dass das Reich eine gewisse politische Instabilität aufwies, die zu Unruhen und Revolten führen konnten. Zum anderen gab es in den neuen englischen und niederländischen Provinzen starke Vorbehalte gegen die neuen Herren, was regelmäßig Revolten nach sich zog (vgl. Box I.vi).

Das erste Problem versuchte Charles vor allem mit Geld und Land zu lösen. Diejenigen, die berechtigte Ansprüche auf Grund von Kriegsschäden hatten, erhielten Entschädigungszahlungen; Frauen von Gefallenen erhielten Geld; Männer, die sich im Krieg ausgezeichnet hatten erhielten Land. Diese Maßnahmen stellten zwar in relativ kurzer Zeit die politische Stabilität wieder her, beanspruchten aber auch ein Großteil des Budgets, so dass in dieser Phase kaum Geld für andere Dinge zu Verfügung stand.

Das zweite Problem, die ständigen Revolten in den englischen und holländischen Provinzen, ging Charles VII militärisch an. Dunois stand mit seiner Invasionsstreitmacht noch in England, diese war noch der Demobilisierung eines Teils der Truppen und der Entsendung eines anderen Teils nach Geldre mehr als ausreichend um mit den Revolten fertig zu werden. Die Truppen, die nach Geldre entsandt worden waren, sollten de Rais in seinen Bemühungen zur Niederschlagung der diversen Revolten in den holländischen Besitzungen unterstützten. Der Nachdruck mit dem sich Gilles de Rais um die Niederschlagung der holländischen Aufstände bemühte brachten ihm einem Ehrennamen ein, wie er lange es erstrebt hatte um endlich mit Dunois ‚dem Bezwinger Englands’ gleichzuziehen. Ein Ehrennamen, der ihn in die Geschichtsbücher brachte; ein Ehrenname der jeden anderen beschämt hätte; ein Ehrenname den de Rais mit stolz trug (siehe Box II.i).

Perikles
31.10.02, 10:41
Staun !!

Euerer Kreativität scheint kein Ende gesetzt zu sein !

Meine Bewunderung.

( In der Zwischenzeit habe ich es geschaft Euch lesenderweise einzuholen. Aber wenn ihr so weitermacht, dann hängt ihr mich bald wieder ab. )

Oliver Guinnes
31.10.02, 14:36
„Lieber Vater,

wie könnt Ihr nur mit diesem Mann sympathisieren, wieso wollt Ihr nur diesen Mann zum Freund gewinnen? Es war vor fünf Tagen als meine Männer und ich auf Arnheim zuritten. In der Nähe der Stadt war de Rais vor etwa zwanzig Tagen auf ein Rebelleheer getroffen und hatte es geschlagen, er sollte daher in der Nähe von Arnheim lagern, so dass dies der beste Weg war auf ihn zu treffen.

Wir waren noch über fünf Meilen von Arnheim entfernt als uns der faulige Geruch verwesenden Fleisches Übelkeit erregend in die Nase drang. Zunächst dachten wir, es sei das nahe Schlachtfeld von dem der Duft des Todes aufstieg. Wir konnten nicht falscher liegen. Als wir ein kleines Stück weiter geritten waren hing ein menschlicher Kadaver in einem Baum am Wegesrand. Von ihm kam der Geruch. Von ihm und den tausend anderen die alle zehn Meter in den Bäumen hingen. Sie waren halbverwest, von Fliegenschwärmen umkreist, von Maden, die sich von ihnen nährten, übersät. An einigen saßen Krähen und Raben, und hielten ihr grausiges Festmahl, verspeisten eitrige Augen, und zogen das Gedärm heraus. Einige der Leichen waren so verfault, dass die ersten Gliedmaßen zu Boden gefallen waren, und alles was schnell genug war labte sich daran – Füchse, Hunde, Ratten und andere. Und immer und überall der Geruch des Todes, des verfaulten Fleisches, der zerfallenden Kadaver. Wir ritten durch ein Schlachthaus, durch die Hölle.

Als wir das Lager erreichten erfuhren wir, dass de Rais, befohlen hatte an alle Straßen die auf Arnheim wegführten auf fünf Meilen alle zehn Meter einen Gefallen oder Gefangenen in die Bäume zu hängen, als Warnung an all die, die über Aufstand nachdachten. Versteht Ihr Vater? Er ließ nicht nur die Rädelsführer töten, wie es jeder täte, sondern all die, die ihm während und nach der Schlacht in die Hände fielen. Er ließ Leichen in die Bäume hängen, er schändete ihre Totenruhe, er frevelt vor Gott. …“ (David de Senlis an seinen Vater Vilerroy im Sommer 1438)

„17. Juli 1438
… Vielleicht habe ich mich doch in diesem Mann geirrt. Heute hatte er mich und zwei meiner Offiziere zum Essen geladen. Eine Ehre die jemand meines Ranges nur zu Teil wurde, weil wir erst vor kurzem hier ankamen. Jedoch erzählten die anderen, dass sich de Rais weitaus mehr um die unteren Ränge kümmert, als sie es von anderen Feldherren kannten.
Dies war das erste Mal, dass ich ihn sah. Er ist so unauffällig, ja durchschnittlich. Nicht klein, nicht groß; nicht dick, nicht dünn; nicht Muskellöß, nicht sehnig; nicht elegant, nicht plump. Hätte man uns nicht vorgestellt, ich hätte ihn nicht erkannt. Und wie gebildet er ist! Wir sprachen über Sokrates, Aristoles und Plato. Er rezitierte lange Passagen aus Caesars De Bello Gallico und Ciceros De Re Publica. Dabei hatte er die feinsten Tischmanieren. Auch in der Scholastik zeigte er sich äußerst bewandert, und bewies dem anwesen Priester schlüssig, dass es Gott nicht geben könne. Wie gebildet, wie scharfsinnige, wie feinsinnig dieser Mann ist.
Die Offizier, die schon länger unter ihm dienten, berichteten, dass dieser Mann, der nie ein Weib hatte und auch keins will, sich gegenüber Frauen verhält wie der ideale Kavalier, er tanzt wie es sie noch nie gesehen hätten. Zu seinen Männern sei er wie ein gütiger Vater. Nach Schlachten und auch sonst zeigt er sich häufig bei den Verwundeten und erkundigt sich nach ihrem Befinden. Wenn er keine Gäste hat, ist er das was seine Männer bekommen, und häufig taucht er unerwartet, manchmal gar unerkannt, an den abendlichen Lagerfeuern auf, um die Gedanken seiner Männer zu erfahren. Dieser Mann ist so, so …“ (Aus David de Senlis Tagebuch)

„… so grausam, Vater! Ihr habt sicherlich gehört, dass zu Beginn des Novembers Holland samt Amsterdam an ein Haufen Rebellen viel. Nachdem wir die Schlacht bei Delft – es war ein Gemetzel, der wilde Haufen hatte uns nichts entgegenzusetzen und war schnell geschlagen; wir machten sie nieder, ich schlitzte Bäuche von sich ergebenden Männern auf, auf dass sich ihr Gedärm auf den Boden ergoss; wir hackten die Beine, Arme von Männern ohne Waffen ab; es geschahen Dinge, die ich mich Schäme Euch zu schreiben; dies alles nur, weil uns de Rais, befohlen hatte keine Gefangenen zumachen, damit dies die Männer auch taten hatte er sie in einer von dämonischer Kraft getragener Rede aufgehetzt; sie waren keine Menschen mehr, sie waren wie Tiere und ich war mit ihnen. Die wenigen Gefangenen die wir machten, waren unglücklicher dran als die auf dem Schlachtfeld getöteten. De Rais befahl einigen, der öffentlich ausgestellten Gefangenen, nach und nach Finger, Ohren, Zehen, Nase, Zunge, die Genitalien abzuschneiden, sie bekamen bei all dem nichts zu essen oder trinken, diejenigen die hiernach noch lebten wurden arme und Beine abgetrennt, dann hatte ihre Qual ein Ende, da sie verbluteten. Andere bekamen Ratten auf dem Bauch, um die Tiere war ein Käfig. Oben in diesem Käfig brannte ein Feuer, welches die Ratten in Panik versetzte, so dass sie sich auf ihrer Flucht durch die Körper der Gefangenen fraßen. Ich höre in meinen Träumen noch immer die Schreie der so getöteten Männer. Er ließ mit den anderen Männern noch grausamere Dinge tun, die ich Euch nicht berichten mag. Nach diesen Tagen des Blutrausches gingen wir an die Belagerung Amsterdams, bald ergab sich die Stadt, und die Dinge wurden noch schlimmer.

Die Gefangenen Landsknechte und Rebellen wurden auf dem Markt zusammengetrieben und de Rais richtete am Morgen das Wort an sie. Da sie die Stadt so schnell übergeben hätten werde er gnädig sein, ihr Tod solle nur einen Tag dauern. Daraufhin versuchten zahlreiche zu fliehen; wir hatten Befehl diese Männer nicht zu töten, das hätte sie ja erlöst, sondern sie zu ihren Anführern und einem schlimmern Los zu treiben. Denjenigen die nicht flohen wurden die Beine gebrochen, die Augen ausgestochen, Löcher in die Bauchdecke geschnitten und Salz hineingestreut und andere grausame Dinge angetan. Als der Abend herein brach, zeigte sich de Rais gnädig und befahl uns die zuckenden Klumpen Fleisch endlich zu töten. Das Sterben der Anführer und derer die versucht hatten zu fliehen dauert sieben Tage, und de Rais wurde nicht müde sich immer neue Grausamkeiten auszudenken.

Als dieses Morden, das eines Menschen nicht würdig war, zu Ende war und ich dachte, dass nun endlich das Ende der Teufeleien erreicht sei, Befahl de Rais seinem Heer und den Bürgern sich auf dem Markt zu versammeln. Er sei enttäuscht von den Bürgern Amsterdams, es reiche für einen treuen Bürger des Königs nicht, sich nicht an Rebellionen zu beteiligen, er hat sie zu bekämpfen. Jedoch hätten die Bürger Amsterdams sich nicht gegen die Rebellen gewehrt, sie haben versagt. Gnädig wie er sei, wolle er keine weiteren Hinrichtungen befehlen, jedoch müsse er eine Strafe verhängen, damit das schlechte Beispiel keine Schule mache. Die Stadt solle eine Woche lang seinen Männern gehören, in den sie plündern könnten wie sie wollten. Jegliches Eigentum der Bürger gehöre seinen Männern, genauso die Weiber und Töchter der Bürger, wenn es seinen Männern danach gelüstete. Wenn ein Bürger auch nur eine Hand gegen einen seiner Männer erhebe, wäre dies gleichsam als ob sie ihre Hand gegen den König erheben würden, und somit mit dem Tode zu strafen. Welch Jubel unter den Männern. Sir brandschatzten und vergewaltigten eine Woche lang. Manch Weib starb an Erschöpfung, denn war einer gegangen kam schon der nächste. Die Männer machten keinen Unterschied; jedes Weib, ob nun sechzig oder zehn Jahre alt, wurde ihr Opfer. Durch die Stadt zog der Geruch des Todes, überall lagen verwesenden Leichen, zerfressen von Ratten und überseht mit Maden, ein Anblick des Grauens.

Vater, ich kann unter diesem Mann kein Soldat mehr sein. …“ (Aus einem Brief David de Senlis an seinen Vater Ende 1438)

„02. Januar 1439
Heute, als mich verabschiedete, war es das erste Mal, dass ich de Rais in die Augen blickte. Was für Augen, so kalt, so klar, grün-blau; blickt man in diese Augen, laufen einem kalte Schauer und Gänsehaut über den Körper; ich hatte Angst; es war ein Dämon dem ich die Hand gab; wie im Rausch sah ich Totenköpfe in sein Augen einen grausamen Tanz aufführen. Ich will diesem Mann nie wieder sehen. …“ (Aus dem Tagebuch de Senlis)

Bis heute streiten sich Gelehrte darüber, ob de Rais Vorgehen der richtige Weg war die heftigen Aufstände niederzuschlagen, oder ob er so die heftigen Aufstände erst auslöste. Es ist jedoch unzweifelhaft, dass er heute von jedem Kriegsgericht, zur Höchststrafe verurteilt werden würde. Bei Hall (1911) finden sich ausführliche Darstellung des Verlaufs der holländischen Aufstände und der Rolle de Rais bei deren Niederwerfung. Bei Loween (1666) findet sich eine frühe Betrachtung des Wirkens de Rais’ auf die volkstümliche Gedankenwelt. Darunter auch folgendes Volkslied, das bei Kles (1900) auf faszinierende Weise analysiert und auf die realen Geschehnisse bezogen wird:

Refrain: Schlaf, mein Kind, schlaf leis',
dort draußen geht de Rais.

1. Deinen Vater hat er umgebracht,
deine Mutter hat er arm gemacht,
und wer nicht schläft in guter Ruh',
dem drückt de Rais die Augen zu.

Refrain: Schlaf, mein Kind, schlaf leis',
dort draußen geht de Rais.

2. De Rais hat eine blutige Hand,
die streckt er über das niedrige Land,
und alle müssen wir stille sein,
wie dein Vater unterm Stein.

Schlaf, mein Kind ...

3. Zu Delft auf der Schanze,
da spielt er auf zum Tanze,
da spielt er auf mit Pulver und Blei,
so macht er alle Holländer frei.

Schlaf, mein Kind ...

4. Gott aber weiß, wie lang er geht,
bis dass die Freiheit aufersteht,
und wo dein Vater liegt, mein Schatz,
da hat noch mancher Franzos Platz.

Schrei's, mein Kindlein, schrei's,
da draußen liegt de Rais.

Aus de Rais, dem mittelmäßigen Feldherren, der Geldre für Frankreich gewonnen hat, wurde so, de Rais der Schlächter von Holland, oder auch kurz nur der Schlächter.

Perikles
31.10.02, 14:56
Sag ichs nicht - kaum hab ich einmal gleichgezogen, dann legt Ihr schon wieder vor.

Aber ich werde nicht wanken und weichen. Sobald ich etwas Zeit habe werde ich auch dies neuste Werk Eurer nimmermüden Feder lesen.
Und das mit Freude.

Moment :-) was hab ich da beim ersten überfliegen gesehen :-)
Ja, jetzt bin ich neugierig und werde es so schnell wie möglich lesen :-)
Das Gedicht kommt mir doch irgendwie bekannt vor :-)

Nun, die genauere textliche Analyse und Interpretation muß bis heute Abend warten.
Jetzt habt ihr mich aber wirklich neugierig gemacht.

rolin
31.10.02, 15:28
Originally posted by Oliver Guinnes

...Bei Hall (1911) finden sich ausführliche Darstellung des Verlaufs der holländischen Aufstände und der Rolle de Rais bei deren Niederwerfung. Bei Loween (1666) findet sich eine frühe Betrachtung des Wirkens de Rais’ auf die volkstümliche Gedankenwelt...

Happy Halloween, was für eyn Beitrag für diesen Tag, mögen die Geister des Blocksbergs es euch vergelten. http://www.plaudersmilies.de/tales/vampy.gif

Perikles
31.10.02, 15:35
Hall und Loween :-) wie rolin bemerkte

und Kles :-) wie mir grade auffiel.

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"Darunter auch folgendes Volkslied, das bei Kles (1900) auf faszinierende Weise analysiert und auf die realen Geschehnisse bezogen wird:"
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Ich glaub wirklich ich muß doch mal zum Hilfsmittel der Textexergese greifen und Eure gesammelten Werke einer ernsthaften Analyse unterziehen.

Was habt Ihr denn noch alles für nette Dinge versteckt :-))

Oliver Guinnes
02.11.02, 12:49
Werte Herren,

Dank für Eure Ermunterungen.

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Was habt Ihr denn noch alles für nette Dinge versteckt :-))
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Wir versuchen nur Unsere Quellen korrekt anzugeben, wenn Wir die Worte anderer benutzen.

:drink:

Oliver Guinnes
02.11.02, 15:00
Wie auch immer man das Wirken de Rais’ bewertet, so gelang es Ihm doch, genauso wie Dunois in den englischen Provinzen, mittelfristig die holländischen Provinzen zu befrieden. Während dessen versuchte Charles das Land weiter zu stabilisieren, in dem er auf eine alte römische Tradition zurückgriff. Versuchten der alte Senat und später die Imperatoren, das Volk mittels ‚panem et circenses’ bei Laune zu halten, so verzichtete Charles auf das Brot, sorgte jedoch für Unterhaltung. Hierfür gründete er im Jahre 1439 die Akademie der Schönen Künste zu Paris. Dort werden seitdem nicht nur die berühmtesten Maler und Bildhauer ausgebildet, sondern Charles bestand auch auf einer Abteilung, die sich um die Ausbildung von Schauspielern und Tänzerinnen, die dann das Volk unterhielten, bemühte. Diese Maßnahme stabilisierte nicht nur Charles Herrschaft, in dem es das Volk in seiner Hauptstadt bei Laune hielt, sondern führte auch durch die Einnahmen aus den Theatern zu einer Verbesserung des Haushalts. Diese Erfolge veranlassten Charles in den kommenden zwanzig Jahren weitere Akademien in Orleanais und Maine zu errichten

Durch diese Maßnahmen stabilisierte sich die politische Situation in Frankreich zusehends, hin und wieder durch kleinere Rückschläge unterbrochen. Einer davon war mit Gilles de Rais, dem Schlächter von Holland, verbunden. Der wohlhabende französische General wurde mit einer unglaublichen Anschuldigung konfrontiert: Satanismus, Entführung, Kindes- und Ritualmord. Nicht nur de Rais wurde dieser taten beschuldigt, sondern auch einige seiner Offiziere sowie andere Adlige.

Der Fall war für Charles VII und die Stabilität des Reiches eine Belastung. Da es sich bei de Rais um einen hohen Adligen handelte, konnte Ihn nur der König richten. De Rais hatte viele Freunde unter den Adligen, zwar handelte es sich meist um die Anhänger de Senlis, so dass eine Verurteilung diese Fraktion schwächen, jedoch auch gleichzeitig zu massiver Unruhe führen würde. Zudem bestand Reginald von Chartres, Bischof von Paris, darauf, dass die Frevler wider Gott gestraft werden sollten. Er sah darin eine Möglichkeit die Inquisition in Frankreich einzuführen und die kirchliche Macht auszudehnen.

Eine Verurteilung de Rais’ würde jedoch Charles eines Feldherrn berauben. Zudem legte Charles viel Wert auf Loyalität – von beiden Seiten. Nur wenn Charles zu seinen Männern loyal war, konnte auch er von ihnen Loyalität erwarten. Außerdem würde eine Verurteilung die Position Reginalds, eines religiösen Fanatikers, innerhalb der französischen Kirche stärken und damit Charles Bemühen um mehr Toleranz untergraben. Charles entschied sich für seinen Feldherrn, was zu einiger Unruhe unter der Kirche und den Gläubigen und in den holländischen Provinzen, in denen de Rais verhasst war (sie Box II.i), führte.

Bis heute ist nicht abschließend geklärt, ob de Rais unschuldig war, oder ein psychopathischer Mörder. Jedoch weist Kles in seiner Analyse daraufhin, dass das Kinderlied aus Box II.i, vor dem Prozess und den damit verbunden Anschuldigungen auftauchten, was er als Hinweis darauf wertet, dass tatsächlich Kinder verschwunden sind, wenn de Rais in der Nähe war.

Die Unruhe die auf den Prozess folgte, war nur ein kurzer Rückschlag. Die folgenden Jahre waren von einer hohen politischen Stabilität geprägt, die nur gelegentlich fiel wenn Charles versuchte die Verwaltung zu zentralisieren oder das Heer zu reformieren und dessen Qualität zu verbessern. Auch als Charles VII, Gründer Frankreichs und Bezwinger Englands, 1461 starb bestieg Luis XI den Thron, ohne das es zu stärkeren Unruhen kam. Und dies obwohl er die von seinem Vater begründet Tradition der Krönung in Paris und dessen Politik der zunehmenden Zentralisierung fortsetzte.

Die Regierungszeit von Luis verlief in der Innenpolitik ohne wirklich bemerkenswerte Ereignisse. In den 70er Jahren kam es durch die Beförderung eines unfähigen Günstlings des Königs durch die daraus resultierende schlechte Regierungsführung zu einer Destabilisierung. Zumal der Günstling, nachdem Luis seine Unfähigkeit erkannt hatte und ihn schasste, eine Revolte in Dauphinè organisierte. Diese wurde aber schnell niedergeschlagen. Als nach über zwanzigjähriger Regierungszeit Luis XI starb übergab er seinem Sohn Charles VIII ein stabiles Reich.

Auch Charles setzte in der Innenpolitik keine weiteren Akzente. Sein wichtigstes Ziel war die Aufrecherhaltung der inneren Stabilität, damit er seine außenpolitischen Ziele ungestört verfolgen konnte. Hierfür gab er auch die Politik seines Großvaters und Namensvetter Charles VIII, der möglichst großen Toleranz gegenüber neuen Gedanken, auf und ließ einige Philosophen einsperren. Welche außenpolitischen Ziele es waren denen Charles VIII die Innenpolitik unterordnete werden wir im Verlauf des nächsten Kapitels betrachten.

Der Zarewitsch
02.11.02, 15:40
Saubere Arbeit,Sir Oliver!!! Bin sehr stolz auf Euch!! :)
Gehet zum "Pour le Mérite"- thread...

Oliver Guinnes
09.11.02, 20:21
II.iii.: Der äußere Frieden

Wie zu Beginn des Kapitels II angesprochen rief das Ergebnis des letzten Krieges, die starke Expansion des Reiches sowie seine nun offensichtliche Stärke, Besorgnis an den europäischen Höfen hervor. Insbesondere bei den kleinen Fürstentümern des Deutschen Reiches die sich in der Nachbarschaft oder Nähe Frankreichs befanden. Welcher Fürst würde der nächste sein der vor Charles das Knie zu Beugen hätte? Wie könnten die Fürsten diesem Schicksal entgehen? Ein Bündnis der Kleinstaaten des Reiches gegen Frankreich? Ein Bündnis mit dem habsburgischen Kaiser? Ein Bündnis mit einer andern Großmacht? Diese Sorgen und Ängste der anderen Fürsten musste Charles VII ernst nehmen, denn sie könnten sich in einem starken Bündnis gegen ihn vereinigen. Zumal auch größere Staaten auf das neue Reich mit Sorge blickten. Hatte Frankreich nicht das einst so mächtige England und das aufstrebende Burgund niedergerungen? Hatte es nicht weit über seine legitimen Ansprüche hinaus gegriffen und sich englischen und holländischen Boden angeeignet? Wer sollte das neue und mächtige Reich aufhalten? Kastilien? Portugal? Habsburg? Die Skandinavier? Alle zusammen? Frankreich war aber noch in einem Bündnis mit der Auvernge, Provence und Schottland, das für Charles zwar seinen Nutzen hatte, aber kein wirklich starkes Bündnis war und kaum gegen eine starke Anti-Frankreich-Allianz bestehen könnte. Daher machte es Charles zu seiner obersten Priorität die Entstehung einer solchen Anti-Frankreich-Allianz zu verhindern.

Ein erstes Signal, das es Frankreich nicht auf Expansion um jeden Preis, ankam, sondern nur auf die Durchsetzung der legitimen Ansprüche und Schutz gegen neuerliche englische Aggression, sendete Charles direkt nach dem Londoner Frieden, indem er Wales in die beschränkte Freiheit der Vasallenschaft entließ. Frankreich war also bereit, einmal erworbenes Land auch wieder aufzugeben, und Charles hoffte, dass dies die anderen Fürsten beruhigen würde. Um den neuen Vasallen Schutz gegen englische Angriffe zu gewähren, wurde Wales 1444 in das französische Bündnissystem integriert.

Ein weiteres und keineswegs unwichtiges Instrument der neuen französischen Appeasement- oder Beschwichtigungspolitik waren Hochzeiten, die die verschiedenen Fürstenhäuser mit Frankreich dynastisch verknüpfen sollten. Diese Hochzeiten sollten, die Fürstenhäuser auf zwei Wegen beruhigen: Erstens, würde bei bestehender familiärer Verknüpfung ein Krieg zur Destabilisierung bei dem Aggressor führen. Zweitens, verbesserten diese Hochzeiten, die Informationen, die die jeweiligen Länder übereinander hatten, so dass eventuelle Kriegsvorbereitungen rechtzeitig erkannt werden konnten (weitere Informationen über politische Hochzeiten finden sich in Box I.ii). Auf Grund der durch die Expansion erodierten Reputation Frankreichs, war es gelegentlich notwendig, den Bräuten und Bräutigamen stattliche Mitgiften mit auf den Weg zu geben. Mit reichlichen Staatsgeschenken wurden auch die Vasallen Provence und Auvergne, bzw. Adlige, Kleriker und andere Mächtige in diesen Vasallenstaaten, sowie Portugal bedacht.

Mittels dieser Geschenke an Würdenträger des Vasallenstaates gelang es Charles wie schon im Falle der Bourbonnais den Herzog der Provence im März 1440 davon zu überzeugen seinen Titel und Ansprüche aufzugeben, und sein Herzogtum in Frankreich aufgehen zu lassen (für diplomatische Annexionen siehe auch Box I.vii). Anders war das Vorgehen bei der diplomatischen Annexion des Herzogtums Auvergne im April 1441. Als 1439 das Eheweib des schon alten Herzogs starb ohne ihm einen direkten Erben geschenkt zu haben, sah Charles seine Chance gekommen. Er erklärte sich bereit, die pompöse Hofhaltung des Herzogs finanziell zu unterstützten, wenn dieser im Gegenzug in einen Erbvertrag einwilligte, der beim Ableben der Herzogs Charles oder dessen Nachfolger als Erben einsetzte. Zwar war dieser Erbvertrag in der Auvergne nicht unumstritten – zwei Seitenlinien der herzoglichen Familie machten sich gerechtfertigte Hoffnungen auf die Nachfolge –, jedoch machte Charles, nachdem er vom Tod des Herzogs erfahren hatte, deutlich, dass er über die Interpretation des Vertrages nicht mit sich diskutieren lassen würde. Zum einen entsandte er sofort Truppen in die beiden Provinzen um sie so schnell als irgend möglich unter Kontrolle zu bringen. Zum anderen schickte der König seinen treuen Gehilfen Guillaume de Flavy zu den Oberhäuptern der beiden Seitenlinien der Herzogsfamilie, wohl mit dem Auftrag diesen zu erläutern welche Konsequenzen die Beanspruchung des Herzogstitels für sie und ihre Familien hätte. Ob nun die Truppen oder de Flavy ausschlaggebend waren, lässt sich nicht mehr feststellen; auf jeden Fall ist festzuhalten, dass die Integration der Auvergne in Charles Reich ohne Problem verlief.

Nun mag der geneigte Leser denken, dass diese beiden diplomatischen Annexionen die von uns weiter oben Charles unterstellte Beschwichtigungspolitik untergruben. Dies mag zu einem geringen Teil der Fall gewesen sein, jedoch ist zu bedenken, dass Frankreich legitime Ansprüche auf die beiden Herzogtümer hatte, und dass diese Vasallen waren, also dass die Herzöge Charles als ihren Lehnsherren anerkannten. In diesem Sinne waren diese beiden Fürstentümer eigentlich Teile Frankreichs, zwar mit großer Autonomie, die nun eingeschränkt wurde, jedoch Bestandteile Frankreichs. Daher wurden diese Annexionen verhältnismäßig wohlwollend an den europäischen Höfen aufgenommen. Nichtsdestotrotz bemühte sich Charles, die neuen Erwerbungen durch eine Forcierung der Appeasementpolitk zu unterstützten. Diverse Staatsgeschenke an andere Fürsten und Hochzeiten folgten.

Während dieser gesamten Zeit war die Verbesserung der Beziehung zu Portugal ein wesentliches Anliegen von Charles und seinen Beratern gewesen. Durch beständige finanzielle Zuwendungen an die aufstrebende Kolonialmacht hatte sich freundschaftliche, ja fast herzliche Beziehungen, zwischen den beiden Staaten und ihre Herrschern entwickelt. Um diese Freundschaft zu unterstreichen tauschten die beiden Könige im Dezember ihr Wissen über die Welt, also die Karten über die dem anderen jeweils nicht bekannten Teile der Welt, aus. Das neue geographische Wissen ermöglichte eine neue Phase in der französischen Kolonialpolitik, hierzu aber mehr in Kapitel II.v. Diese neuen kolonialen Möglichkeiten wurden noch durch die im März 1445 von Portugal gewährten Durchmarschrechte für französische Truppen unterstützt. Am 02. November 1445 wurde Charles’ Portugalpolitik mit dem Beitritt des iberischen Königreichs zum Bündnis gekrönt.

Damit hatte Charles den starken Bündnispartner gefunden den er lange gesucht hatte. Zwar hatte Portugal in Europa nur wenige Provinzen, jedoch war darunter das durch sein großes Handelszentrum reiche Tago und, wesentlich wichtiger, ein Kolonialreich bestehend aus einer Vielzahl reicher Provinzen Afrikas und Südamerikas. Durch dieses Kolonialreich hatte Portugal Zugang zu wesentlichen und wichtigen Ressourcen, die es zu einem der reichsten Staaten Europas machten; und Reichtum bedeutet Macht und die Möglichkeit Soldaten zu kaufen. Zudem besaß Portugal zum Schutz seines Kolonialreiches eine große und starke Flotte. All diese Stärken Portugals wurden nun durch die Aufnahme in das französische Bündnis zu den Stärken Frankreichs hinzugefügt, und so ein Allianz begründet die in Europa ihres Gleichen suchte.

Oliver Guinnes
10.11.02, 19:11
Dieser Erfolg wurde aber schon im Jahre 1447 relativiert:
„… Werter Baron Lascaux,
der König war außer sich als Wir ihm Eure Vermutungen vortrugen. Es wäre ja auch tatsächlich eine erhebliche Verschlechterung unserer Lage sollte Kastilien sich wirklich dem englischen Bündnis anschließen. Durch diesen Schachzug würden die Engländer Frankreich einkreisen: Burgund im Osten, Kastilien und Navarra im Süden und England selbst im Norden und Süden. Sollte wieder ein Krieg mit unseren alten Feinden ausbrechen so müsste sich ein jeder gegen mehrer Angreifer verteidigen, wir gegen England, Burgund, Navarra und Kastilien; Kastilien gegen uns und Portugal; Burgund ist von uns eingekreist und England müsste sich gegen Schottland, Wales und uns wehren. Der Sieger dieses großen Kampfes wäre nicht vorherzusagen. Lasst uns also alle dafür beten, dass Eure Vermutung doch falsch war, und Kastilien sich nicht mit England zusammenschließt. Seid beruhigt, der König glaubt nicht, dass es Euer Fehler war. Zwar schimpfte er auf Euch in seiner ersten Wut – auch mehrere Weinkrüge ging bei dem Wutanfall drauf und einige Wandteppiche aus den Werkstätten des Jean Gobelin erhielte hübsche Verzierungen aus Rotweinflecken -, aber ihr kennt ja unseren gnädigen Herrscher, bei schlechten Nachrichten ist seine erste Wut immer etwas stärker als er es später meint. Er denkt genauso wie Wir, dass Ihr vorzügliche Arbeit in Madrid leistet.
Noch ein Wort zu Euren Dankesworten aus Eurem letzten schreiben. Diese sind wirklich nicht notwendig, zumal sich herausgestellt hat, dass weniger Wir Euch einen Freundschaftsdienst erweisen indem Wir Euren Sohn bei Uns aufgenommen haben, sonder vielmehr Ihr Uns. Er ist eine wirkliche Hilfe und hat für politische Dinge ein großes Talent. Er durchschaut jetzt schon mit seinen noch nicht mal vierzehn Lenzen mehr Dinge als so mancher 40-jährige. Seid versichert lieber Baron, Pierre hat noch ein große Zukunft vor sich.“ (Auszug aus einem Brief des Erzbischofs von Reims und ersten Ministers Charles VII an Baron Lascaux Botschafter am kastilianischen Hof im April 1447)

Zum Leidwesen von Charles und seinen Beratern trat Kastilien tatsächlich am 05. Mai 1447 der englischen Allianz bei. England und Frankreich hatten sich nun gegenseitig eingekreist und ein Krieg zwischen diesen beiden Ländern würde sich zu einem großen europäischen Brand ausdehnen. Aber es gab in den folgenden Jahren noch mehr schlecht Nachrichten. Als im Jahre 1448 die französische Allianz erneuert werden sollte, willigten zwar Portugal, Friesland und Wales unverzüglich ein, jedoch Schottland wollte nicht mehr Bestandteil der Allianz sein. Noch schlimmer, die Schotten traten der englischen Allianz bei.

Die Frustration des Königs und seines Beraterstabs über diese Entwicklung der Bündnisarchitektur, wurde durch Erheiterung über eine andere Nachricht aus England in 1453 abgelöst. „Wir, Heinrich VI, König von England, Lehnsherr der Irischen Insel und Schottlands, Herzog der Normandie sowie wahrer König Frankreichs, erklären hiermit, dass Wir auf Unsere rechtmäßigen Anspruch auf die Krone Frankreichs verzichten. Wir tun dies, obwohl unser rechtmäßiger Thron von einem Bastard usurpiert wird, um Europa Frieden zu geben, und nicht eine weiter Generation junger französischer Adliger dem Tod zuzuführen. …“ Diese Erklärung des englischen Königs ist eines der bedeutendsten unbedeutenden Dokumente der europäischen Geschichte. Der englische König, gab nur noch mal bekannt, was seit dem Londoner Frieden längst Fakt war. Daher halten wir es, wie schon erwähnt, für falsch, 1453 als das Jahr zu sehen in dem der Hundertjährige Krieg endete. Wie auch immer, Charles sah sich nicht veranlasst auf dieses eher lächerliche Dokument in irgendeiner Form zu reagieren.

Wesentlich wichtiger für die Entwicklung des europäischen Bündnissystems war es, dass es Charles gelang mit Genua einen mittelgroßen aber reichen Staat in das Bündnis zu holen. Hiermit gelang eine Absicherung der südöstlichen Flanke Frankreichs. Jedoch konterte Heinrich VI – nur noch König von England, Lehnsherr der Irischen Insel und Schottlands und nicht mehr Herzog der Normandie sowie auch nicht mehr wahrer König Frankreichs – diesen Erfolg Frankreichs, indem er das englische Bündnis um den Jahreswechsel 1458/59 mit Kastilien, Aragon und Savoyen neu begründete. Somit war Frankreich wieder vom Südwesten, Süden und Südosten sowie durch die englische Flotte auch vom Norden her bedroht.

Eine weitere Verschiebung in den europäischen Bündnissen verursachte die friedliche Annexion Frieslands durch Charles. Die Annexion war das Ergebnis der langfristig angelegten Frieslandpolitik Charles des VI. Er hatte sich früh entschlossen sämtliche niederländische Provinzen unter seiner Krone zu vereinigen, um zu verhindern, dass irgendein Fürst eines niederländischen Kleinstaates Ansprüche auf die französische Niederlanden erheben würde, die dann, wie er befürchtete, wohl an den europäischen Höfen als legitim anerkannt würden. Daher hatte er begonnen den Grafen von Friesland mit Geschenken zu überhäufen und in das Bündnis zu holen. Zur Aufgabe seiner Souveränität wurde der Graf mit dem Versprechen gebracht, dass er Statthalter der niederländischen Provinzen werden würde. Das wurde er auch, doch war seine Enttäuschung recht groß als er feststellte, dass dies nur ein leerer Titel ohne jegliche Vollmachten, Rechte oder Einkommen war. Voller Wut kehrte er nach Groningen zurück und versuchte seine Grafschaft wieder in die Selbständigkeit zu führen. Diesen Widerstand gab er jedoch auf, als Guillaume de Flavy im Auftrag des Königs die Familie des ehemaligen Grafen besuchte.

Die Annexion Frieslands führte zumindest teilweise zu den weiter oben beschriebenen möglichen Reaktionen der Kleinstaaten. Zwei Fürstentümer, die befürchten mussten Ziele der französischen Expansion zu sein, Burgund und Lothringen, taten sich in einem Bündnis zusammen und versuchten dies durch die Aufnahme Würzburgs und des Deutschen Ordens zu stärken. Frankreich war nun von dem englischen Bündnis einkreist, und hatte im Osten zusätzlich das burgundische Bündnis, sollte diese beiden Bündnisse sich gleichzeitig gegen Frankreich wenden, so wäre dies eine existenzielle Bedrohung. Jedoch war das England in zweierlei Weise abgelegt und konnte daher diesen Vorteil nicht ausnutzen. Zum einen kam es zu massiven Unruhen innerhalb Englands, die als die Rosenkriege in die Geschichte eingingen und bis in die 80er Jahre anhielten (siehe für Hintergründe Box II.ii). Zum anderen erklärte Savoyen im Jahre 1460, warum auch immer, Irland den Krieg, so dass die Truppen des Bündisses zunächst auf der Insel gebunden waren.

Oliver Guinnes
12.11.02, 21:21
Die Rosenkriege gehören zu den Ereignissen und Phasen der Geschichte, die durch ein ganzes Bündel von Problemen, Ereignissen und Zuständen hervorgerufen wurden, daher können wir an dieser Stelle nur einen kurzen Abriss der Ursachen und der Ereignisse während der Rosenkriege geben. Für eine sehr schöne und umfangreichere Diskussion empfehlen wir dem geneigten Leser Arthur Guinness (1919).

Heinrich VI. fehlte es an Führungsqualitäten. Während seiner Herrschaft ging die Regierung des Königreiches von einer Gruppe Adliger an die nächste. Der Krieg in Frankreich und die Niederlage betonte lediglich Heinrichs Unfähigkeit, im eigenen Land zu regieren. Der Verlust aller englischen Besitzungen in Frankreich außer der Gascogne im Londoner Frieden und die Korruption der Regierung lösten schon in den 40ern einen ersten aber fehlgeschlagenen Volksaufstand unter der Führung Jack Cades aus.

Durch den Verlust der Besitzungen und das Ende des Krieges war eine Vielzahl nun besitzloser Adliger nach England heimgekehrt. Hierbei handelte es sich meist um verhältnismäßig verzweifelte Menschen und Familien. Zwar hatten fast alle noch kleinere Besitzungen auf der britischen Insel, aber die meisten der Heimkehrer hatten ihre Macht, ihren Reichtum und ihre Stellung bei Hofe aus ihren französischen Gütern bezogen. Insbesondere der Verlust der Normandie, aus der ja nicht nur die englischen Könige stammen, sondern auch ein Großteil der Adligen, erschütterte das Londoner Machtgefüge nachhaltig. Die Mehrzahl dieser Adligen war bereit, demjenigen Ihre Unterstützung zukommen zu lassen, der ihnen eine Verbesserung ihres Loses versprach. Diese Gemengelage wurde noch dadurch verschärft, dass eine große Zahl an Veteranen nach England zurückgekehrt war, die weder Familie, noch Heim, noch Beruf – außer dem Töten – hatten und die bereit waren jedem zu dienen, der sie bezahlte.

Dieses Gemisch aus einer Großzahl von unzufriedenen Adligen, einem unfähigen, zum Schwachsinn neigenden König und einer Masse an nach Beschäftigung suchenden Soldaten war der ideale Nährboden für Intrigen, Revolten und Kabale. Aber all das was in den 40ern passierte war nur ein Vorspiel des Konflikts der Herrscherdynastien, der als die Rosenkriege (1453-1485) in die Geschichte eingingen. Die beiden mächtigsten Geschlechter Englands, York und Lancaster, beide von königlichem Geblüt, rauften im 15. Jahrhundert miteinander um den Thron; das Haus York führte die weisse, (Rosa x alba 'Maxima') und das Haus Lancester die rote Rose (Rosa gallica 'Officinalis') im Wappen.

Zwei Ereignisse waren Anlass zum Krieg dieser zwei Zweige der königlichen Familie. Das Haus Lancaster hatte zwar durch Heinrich VI. den Thron inne, jedoch fehlt es ihm – sowohl Heinrich als auch dem Haus Lancaster – an der nötigen Regierungskompetenz. Dies wurde erneut manifest, als Heinrich 1453 in dem schon erwähnten Dokument, seinen Verzicht auf die französischen Besitzungen erklärte. Dies rief die Erinnerung an die schmähliche Niederlage von 1438 wieder und, wesentlich schlimmer, nahm den vertriebenen Adligen auch die letzte Hoffnung auf die Rückerlangung ihrer französischen Besitzungen. Heinrich war es so gelungen, mit einem überflüssigen Dokument einen Großteil des Adels gegen sich aufzubringen.

Dies machte sich das Haus York, unter der Führung Richard Plantagenet, der 3. Herzog von York, der einen legitimen Anspruch auf den Thron und erheblich mehr Führungsqualitäten besaß, zu Nutze, als ebenfalls im Jahre 1453, die Frau des Königs, Margarete von Anjou, einen Sohn zur Welt brachte, der Richards Status als Thronfolger gefährdete. Der Herzog von York erhob zunächst sich und dann Anspruch auf den englischen Thron, nachdem er die Lancasters bereits 1455 bei Saint Albans und 1460 bei Northampton geschlagen hatte. Doch im selben Jahr wurde der Herzog von York seinerseits bei Wakefield besiegt und in der Schlacht getötet. Dennoch wurde am 4.März 1461 sein Sohn als Eduard IV. zum englischen König ausgerufen. Dieser errang wenig später den entscheidenden Sieg über Heinrich und Margarete, die daraufhin zunächst nach Halech Castle aus England flohen. 1465 wurde Heinrich, der nach England zurückgekehrt war, gefangen genommen und im Tower von London eingekerkert.

Aufgrund von Streitigkeiten unter den Anhängern des Hauses York flackerte der Krieg jedoch wieder auf. Richard Neville verbündete sich mit Hilfe seines Schwiegersohnes George Plantagenet, dem Bruder Eduards, mit Margarete von Anjou. 1470 fiel unter Nevilles Führung ein Heer aus Frankreich in England ein; der französisch König war mehr als Willen Neville zu unterstützen, da sich so der Bürgerkirei in die Länge zog und England weiter geschwächt wurde. Eduard musste ins Exil gehen, und Heinrich übernahm wieder den Thron. 1471 kehrte Eduard jedoch zurück und besiegte und tötete Richard Neville mit Hilfe seines Bruders George Plantagenet, der wieder auf die Seite Eduards zurückgekehrt war, in der Schlacht bei Barnet. Wenig später, am 4.Mai 1471, wurden die Lancaster-Truppen in der Schlacht bei Tewkesbury vernichtend geschlagen; Heinrich wurde am 21.Mai im Tower ermordet.

Nach Eduards Tod 1483 folgte ihm sein zwölfjähriger Sohn Eduard V. auf den Thron. Doch drei Monate später bemächtigte sich der Onkel des jungen Richard, Herzog von Gloucester, als König Richard III. des Thrones und ließ Eduard und dessen Bruder töten. Zwei Jahre darauf machte Heinrich Tudor, der Graf Richmond, einen schwachen Anspruch des Hauses Lancaster geltend. Er war der neue starke Anführer der Lancasters, der später als König Heinrich VII. die Tudor-Dynastie begründen sollte. Am 22.August 1485 trafen die Truppen Richards und Heinrichs in der entscheidenden Schlacht bei Bosworth, der letzten großen Schlacht der Rosenkriege, aufeinander. Richard fiel und Heinrich bestieg den Thron.

Während dieses neuen und letzten Höhepunktes dies Bürgerkriegs, übernahmen lokale Adlige die Herrschaft in Bristol und Cornwall. Zunächst spielten sie wohl mit dem Gedanken ihre eigenen Kleinkönigreiche zu errichten. Jedoch zogen sie sich, als sie sahen, dass eine Konsolidierung der königlichen Macht bevorstand, im Mai 1483 bzw. im April 1484 unter den Schutz der Krone von Wales zurück.

Als Heinrich VII sich dann 1486 mit Elisabeth von York vermählte, vereinigte er durch diese Vernunftehe die beiden Häuser zu einer Großfamilie. Auch im Wappen wurden beide Häuser vereinigt: die weiße Rose wurde auf die rote gelegt. So entstand die heutige Wappenrose des englischen Königshauses, die "Tudor-Rose". Dies inspiriert die Zucht der weissrot gestreiften York and Lancaster Rose.

Durch die Rosenkriege war der englische Hochadel schwer zur Ader gelassen worden; das Königtum dagegen konnte sich konsolidieren und an Macht zurückgewinnen, zum einen durch die Vereinigung der beiden rivalisierenden Häuser York und Lancaster, zum anderen, weil das Königtum jetzt von den Städten und dem Landadel gestützt wurde. Jedoch hatte das Reich Heinrich des VII. durch den Verlust zweier Provinzen eine erhebliche Einbuße an Macht hinnehmen müssen. Nun war England nicht einmal mehr die stärkste Macht auf der Insel. Schottland war England ebenbürtig; Frankreich hatte zwar nur zwei Provinzen auf der Insel, konnte aber auf die kontinentalen Besitzungen zurückgreifen. Wales war durch die zwei Provinzen gestärkt und hatte mit Frankreich einen starken Bündnispartner. Somit war England nach den Rosenkriegen wesentlich schwächer als zuvor.

Augustus Rex
12.11.02, 21:38
Wir können Uns nicht erinnern, schon einmal in einem AAR ein "reales" historisches Ereignis als Folge des "Spiels" erklärt bekommen zu haben.

Großartig.

Oliver Guinnes
13.11.02, 09:38
Dank für das Lob werter Augsutus!

Jedoch war es im Falle der Rosenkriege recht einfach, sie in den Spielkontext einzuflächten, da sie wohl tatsächlich auch eine Folge des verlorenen hunderjährigen Krieges waren. Nur das Unser Hunderjährige Krieg 15 Jahre vorher zu Ende war, und Wir Uns nur eine Erklärung bzw. Überbrückung für dieses time lag überlegen mussten. Ausserdem passten sie ganz gut in den Speilverlauf, z.B. auch als Erklärung für die relative Ruhe die England in dieser Zeit gab. Und die Ereignisse in Cornwall und Bristol waren ja leicht zu integrieren. Im Spiel war Unsere Freude groß, wie Unser treuer Vasall da plötzlich so wuchs!



:drink:

Perikles
14.11.02, 23:13
empfehlen wir dem geneigten Leser Guinness

Ja, dieser Empfehlung kann ich mich nur aus vollem Herzen anschliessen !

Ein rein subjektives Wort von mir, ohne die großen Taten aller anderen schmählern zu wollen, die sich mir Ihren tollen AAR's hier verewigt haben :

Dies ist der Beste den ich je gelesen habe !!

Weiter so, und laßt uns darauf anstoßen, das Euch die Ideen nie ausgehen werden !

Meine Hochachtung werter Guinness

Basileios II
14.11.02, 23:52
Wunderbar, weter Ollie (ich darf Euch so nennen, oder? :D ). Euer AAR kann es locker mit den Besten im EU.com-Forum aufnehmen, nur weiter so!:drink:

Oliver Guinnes
15.11.02, 09:15
Werter Basileios, werter Perikles

habt Dank für Euer Lob, vor allem da es Uns erlaubt Strom zu sparen, denn Wir sind nun so errötet, dass Wir die dunkelste Nacht erhellen würden.

:drink:

(Die Gelehrten streiten noch, ob es Ollie, Oli oder Olli heißen muss (böse Zungen meinen auch Öli wäre richtig, aber die, die dieses denken werden noch Ihrer Strafe zugeführt werden))

Oliver Guinnes
15.11.02, 19:44
Diese inneren Unruhen, Machtkämpfe und Bürgerkriege mögen der Grund dafür gewesen sein, dass England in dieser Periode keine größeren und insgesamt nur zwei Kriege führte, und auch diese fielen in die eher ruhige Zeit. Es scheint also, dass England wegen der inneren Unruhen nicht die Kraft aufbrachte Frankreich mit seinem starken Bündnis anzugreifen. Und dies obwohl es Eduard IV kurz nach Regierungsantritt gelang den Kirchenstaat in das englische Bündnis zu holen. Damit war der Papst auch in den Krieg des englischen Bündnisses gegen Irland eingetreten. Dieser Krieg nahm für Frankreich, obwohl unbeteiligt, einen eher ungünstigen Verlauf, zwar machte England keine Gewinne – die englischen Heere bekämpften anstatt des Feindes ja sich gegenseitig – jedoch gelang es Aragon, Frankreichs Nachbar in der Südflanke, nicht nur Irland eine Provinz zu nehmen, sondern es auch in das Vasallentum zu zwingen. Wuchs dort eine neue Bedrohung heran?

In solch einem Fall waren die Tatsachen, dass die Freundschaft zwischen Frankreich, Wales, Genua und Portugal auch den Tod von Charles VII überdauerte und dass es Luis XI gelang das Bündnis im Jahre 1462 zu erneuern, umso wichtiger. Luis machte bei der Gestaltung des Bündnisses weitere Fortschritte als er es schaffte 1470 Lothringen in das Bündnis zu holen. Das so verstärkte Bündnis hielt auch als am 02. Dezember 1470 Genua Georgien den Krieg erklärte, um seine Handelsinteressen voran zu treiben. Kurz darauf geschah etwas, was bis heute von keinem Historiker verstanden wird. England erklärte ebenfalls Georgien den Krieg. England hatte keinerlei gemeinsamen Grenzen mit Georgien oder auch nur eine Provinz in der Nähe des Kaukasus’. Es gibt keinen ersichtlichen Grund für diesen Krieg und nichts was England gewinnen konnte. Arthur Guinness (1913) spricht auch von den „idiot wars“ und den „most unnecessary war in history“ um dies zu verdeutlichen. Trotz dieser offensichtlichen Sinnlosigkeit des Krieges hielt auch das englische Bündnis. Nur das England tatsächlich Truppen entsandte, während Luis sich darauf beschränkte, seinen Verbündeten moralischen Beistand zu leisten und ansonsten die Gelegenheit nutzte die Staatskasse mit Kriegssteuern erheblich aufzubessern.

Der Krieg mit Georgien verlief ohne nennenswerte Ereignisse, Frankreich hatte ja auch keine Truppen bereitgestellt, und wurde bald mit leichten Gewinnen für Genua beendet. Wesentlich wichtiger für den Fortgang der Geschichte waren die Geschehnisse auf der iberischen Halbinsel. Damit meinen wir nicht, dass sich Kastilien im Juni 1476 in Spanien umbenannte, sondern viel mehr, dass sich die Herrscherin Spaniens und der König Aragons miteinander Vermählten und Aragon hierdurch zum Vasall Spaniens wurde. Nun war zwar die aragonesische Bedrohung beseitig, dafür tauchte mit dem durch den neuen Vasallen erstarkten Spanien eine neuer und wesentliche stärkerer Konkurrent? Gegner? Feind? auf. Spanien war jetzt stark und drohte noch stärker zu werden, indem es sich mittels der Reconquista auf Kosten der Moslems in Nordafrika ausdehnte. Würde das Streben nach macht, und das wechselseitige Bedrohungsgefühl zum Konflikt zwischen beiden Mächten kommen? Wenn ja, dann würde es eine harter Kampf werden, der Spanien schloss mit seinem Vasallen ein Bündnis.

Oliver Guinnes
16.11.02, 14:17
Angesichts dieses drohenden Konfliktes war eine weitere Stärkung Frankreichs von höchster Wichtigkeit. Eine solche Stärkung Widerfuhr der Reich im Jahre 1476 gänzlich unerwartet:
„Werter Baron,
die burgundischen Edelmänner empfingen Uns wesentlich freundlicher als Ihr, Wir oder auch der König es erwartet hatten. Sie scheinen die alte Feindschaft zwischen unseren Reichen vergessen zu haben oder nur aus den Erzählungen ihrer Väter zu kennen. Es könnte auch einfacher sein und sie sind nur den Verlockungen des versprochenen Landes und der zukünftigen Titel erlegen.
In den ersten Gesprächen mit den wichtigsten Adligen zeigte sich schnell, dass sie wohl keinen der ihren zum Herzog machen wollten; sie haben wohl erkannt, dass sie alleine nicht lange überleben würden und zwischen uns und dem Kaiser schnell aufgerieben sein würden. Zwar taten sie noch so, als ob Jaques d’Dóle tatsächlich seine Rechte auf das Herzogtum geltend machen wollte, aber dies schien nur dem Zweck zu dienen, den Preis den wir oder die Habsburger zahlen sollen nach oben zu treiben.
Wir haben zweifaches Glück, nicht nur dass der König durch die vergangnen Eroberungen viel Land zu vergeben hat, sondern wir habe auch Maximilian zu danken. Er gibt sich, als sei dies schon sein Land. Mit ihrem arroganten Auftreten haben die Habsburger die meisten der burgundischen Edelleute gegen sich aufgebracht; sie werden zwar weiter miteinander verhandeln aber nur um ein Druckmittel gegen uns zu haben. Wir hoffen Euch und dem König bald die Nachricht zu kommen lassen zu können, dass sich Burgund Frankreich angeschlossen hat. …“ (Aus einer Depesche von David de Senlis, Gesandter in Dijon, an den Ersten Minister Frankreichs, Pierre de Lascaux, im Mai 1476).

Und tatsächlich, einige Tage später, konnte David de Senlis – der dritte Sohn des Ebers, nicht zu verwechseln mit diesem, seinem Vater Villeroy, oder seinem großen Bruder Phillip, die beide eher Gegenspieler denn treue Untertanen Ihres Königs waren – nach Paris berichten, dass der burgundische Adel sich dafür entschieden hatte das einst glorreiche Herzogtum mit seinen kümmerlichen Resten Teil Frankreichs werden zu lassen. Im Juli reiste Luis nach Dijon, um die Huldigungen seiner neuen Untertanen entgegen zunehmen.

So freudig das Ereignis an sich war, so ärgerlich war es auch bei einer gewissen Betrachtungsweise. Wie viele Franzosen waren gestorben um den Burgundern Land abzuringen? Wie stark hatte die Reputation des Reiches gelitten, bei der Eingliederung von (niederländischen) Provinzen und Kleinstaaten, die heute als legitimer Bestandteil Frankreichs gelten würde. Hätten die Könige Frankreichs vorhersehen können, dass die Heirat zweier unbedeutender Adelskinder im Jahre 1419, die einzig und allein den Zweck hatte den damaligen Friedensschluss zu besiegeln, zu einer friedlichen Vereinigung der beiden Reiche führen würde? Wie viele französische Leben wären nicht auf den Schlachtfeldern beendet worden, und um wie vieles besser wäre Frankreichs Reputation?

Ungeachtet dieser Geschehnisse wuchsen die Spannungen zwischen Frankreich und seine südlichen Nachbarn beständig, und dies obwohl sich Luis XI und sein Erster Minister Pierre de Lascaux sich ständig um Verbesserungen bemühten. Lascaux kam Ende der 70er wohl zu der Erkenntnis, dass ein Konflikt, ein militärischer Konflikt, unausweichlich war, daher wollte er das Land in jeder Hinsicht auf einen Krieg mit den mächtigen Nachbarn im Süden vorbereiten – diplomatisch, wirtschaftlich und militärisch. Luis XI sah sich jedoch eher als Friedensfürst, und hatte für diesbezügliche Vorschläge seines engsten Vertrauten und Ersten Ministers kein offenes Ohr. Luis’ Sohn Charles VIII, der 1483 auf den Thron kam, sah ebenso wie Lascaux, den er als Ersten Minister behielt, die Notwendigkeit der Eindämmung der iberischen Mächte. So begannen beide das Land auf Krieg vorzubereiten.

Die Vorbereitung für den Krieg, sollte langsam und unauffällig voran gehen, so dass die Spanier keinen Verdacht schöpften, außerdem bedurfte auch die diplomatische Absicherung des Vorhabens einige Zeit. Zumal Charles nicht als Aggressor auftreten wollte, so dass die Iberer in den Krieg gezogen werden sollten, ohne dass diese es merkten, ja am besten sollten sie selbst den Krieg erklären, oder zumindest einen Kriegsgrund liefern.

Jedoch gerieten Charles und Lascaux unter Druck, als die Spanier 1486 begannen, einen Mann Namens Christoph Columbus unterstützte. Diesem Abenteurer gelang es auch für die Spanier einen Weg nach Amerika zu erkunden. Nun begannen auch sie ein Kolonialreich aufzubauen, was sie stärkte würde aber auch in Konkurrenz zu den Portugiesen brachte. Die Spannungen zwischen den beiden Bündnissen stiegen. 1490 kam es zum wechselseitigen Austausch von Beleidigungen und Frankreich verlangte mehr Freiheiten für die Franzosen in Roussillion.

Für die Eskalation der Beziehungen und den tatsächlichen Ausbruch des Krieges, war aber letztlich die Konkurrenz Spaniens und Portugals in Amerika verantwortlich.
„24 Dezember 1492
Wir waren alle erstaunt als heute plötzlich eine Sitzung des Kronrates einberufen wurde. Da auch die anderen Mitglieder nichts wussten, befürchtete ich, dass dem König etwas zugestoßen sei; groß war meine Erleichterung, als ich ihn in der Ratskammer im Gespräch mit Lascaux, dem alten Fuchs, versunken sah. Es war eine der merkwürdigsten und auch überflüssigsten Treffen, die ich bisher erlebt habe, seit ich vor fünfzehn Jahren dazu stieß.
Als alle anwesend waren – Jean de Flavy erschien wie immer zu spät – eröffnete Lascaux die Sitzung; er erklärte Spanien hätte vor einer Woche Portugal den Krieg erklärt; die Ehre geböte es, unserem Verbündeten beizustehen; die Staatsehe mit Spanien sei aufzulösen; die Armeen habe schon ihre Marschbefehle; die Kriegsziele und –führung könne man auch nach dem Fest diskutieren, daher sei die Sitzung, wenn es keine Fragen gäbe, beendet.
Wenn er und der König schon alles beschlossen haben, warum rufen sie uns dann so plötzlich zusammen? Warum mussten die Mitglieder des Kronrates teilweise so weit reisen, obwohl es überhaupt nichts mehr zu beraten gab. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn ich Herzog von Burgund geworden wäre, dann würde ich Leute zu unnötigen Sitzungen holen und nicht von anderen geholt werden.“
(Aus dem Tagebuch von Jaques d’Dole, Mitglied des Kronrates)

Charles und Lascaux hatten also endlich den Krieg den sie wollten. Sie konnten nun die Bedrohung aus dem Süden bekämpfen bevor die Spanier so stark waren, dass sie Frankreich und sein Bündnis besiegen könnten. Oder war dieser Punkt schon überschritten? Den Verlauf des Iberischen Krieges werden wir später in Kapitel III genauer betrachten. Zunächst aber ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs.

Oliver Guinnes
18.11.02, 18:20
Für Charles VII hatte die Stärkung der Wirtschaft Priorität. In seinen ersten Jahren als Herrscher hatte er schnell erkannt, dass ein starkes Heer nur mit einer starken Wirtschaft unterhalten werden konnte. Daher wurde sofort damit begonnnen in den neu erworbenen Provinzen die Verwaltung zu straffen und das französische Kanzleiwesen einzuführen, um so die Steuereinnahmen zu erhöhen. Unter diesen Provinzen waren einige, genauer die niederländischen, die allein auf Grund ihres Reichtums eine nachhaltige Stärkung der Wirtschaft war.

Gleichzeitig betrieb der König, und auch später seine Nachfolger, eine konsequente Freihandelspolitik. Diese Politik war jedoch nicht allein auf die Öffnung der Märkte ausgerichtet, sondern die heimischen Händler wurden bei ihren Bemühungen in den verschiedenen Handelszentren Fuß zu fassen massiv unterstützt. Die Einnahmen der Händler würden auch die Einnahmen des Staates stärken, so dass Charles als Ziel formulierte, dass in jedem europäischen Handelszentrum fünf französische Händler ihrer Arbeit nachgehen sollten.

Ein der wichtigsten Vorraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung war der Frieden selbst. Der Staatshaushalt wurde nicht durch die Finanzierung großer Heer belastet und der König konnte in die Infrastruktur investieren; es gab keine feindlichen Heere die durch das Land zogen und plünderten, raubten und mordeten, so dass das Bevölkerungswachstum beachtliche Höhen erreichten; eine größere Bevölkerung konnte auch mehr produzieren und mehr Steuern zahlen. Diese Erholung wurde jedoch immer wieder, wie in den meisten anderen europäischen Ländern, durch Zufälle und Schicksalsschläge unterbrochen. So wurde Frankreich immer wieder von der Pest heimgesucht (siehe Box II.iii), in den 40ern allein kam es zu zwei größeren Ausbrüchen in Calais und einen in der Normandie. Dies waren jedoch nur kleinere und lokale Rückschläge auf dem langen Weg zur Stärkung des Reiches.

Oliver Guinnes
18.11.02, 18:23
Das Auftreten der Pest, des ‚Schwarzen Todes’ oder dem ‚magna mortalitas’, in Calais im Jahre 1441 war keine singuläres Ereignis. Die große Pestwelle begann schon 1347 und sollte die Menschheit bis 1532 heimsuchen; sie raffte jeden dritten Bürger Europas dahin.

Sie beginnt an einem sonnigen Herbsttag in Kaffa auf der Krim. Nach jahrelanger Belagerung durch den Feind, machten die Einwohner der Stadt eine schreckliche Entdeckung: Die barbarischen Belagerer hatten Leichen von Pesttoten über die Stadtmauern katapultiert. Die Seuche erfasste in Windeseile die ganze Stadt; wer es sich leisten konnte suchte sein Heil in der Flucht. Als die Galeeren, mit Kranken überhäuft, den Hafen von Messina anliefen erkannten die Einwohner das Übel, welches die Hilfesuchenden im Schlepptau hatten, zu spät. Binnen weniger Wochen hatte der Schwarze Tod ganz Sizilien in seine grausigen Klauen. Schon im Dezember waren ganz Italien und Südfrankreich befallen. In Venedig starben täglich 600 Menschen, Florenz zahlte dem Schwarzen Tod die Hälfte der Bevölkerung als Tribut.

Obwohl die Alpen im Norden für eine Zeit lang als natürliche Barriere dienten, hatte die Pest nach einem Jahr weite Teile Europas und Nordafrikas erreicht, und war per Schiff bis nach Großbritannien und Irland vorgedrungen. 1350 griff sie nach Skandinavien über und drang im Osten tiefer nach Rußland vor. Nach 6 Jahren des Wütens erreichte sie wieder ihren Ausgangsort Kaffa auf der Krim.

Nach 1356 brach die Seuche erneut in etlichen französischen Städten aus, und bis 1670 gab es nicht ein Jahr, in dem nicht mehrere Orte Frankreichs von der Krankheit heimgesucht worden wären. Manche Gebiete blieben ganz verschont, andere entrichteten der Pest periodisch ihren Tribut.

Augenzeugen berichten über den Schrecken und die Hilflosigkeit der Menschen angesichts der Pestepidemie: "Wenn jemand erkrankte, brach er bald darauf zusammen und starb. Dabei steckte er seine ganze Familie an. Entsprechend kamen auch die Totengräber um, welche die Leichen bestatten sollten. Und der Tod kam auf diese Weise sogar durch die Fenster. Städte und Burgen wurden entvölkert und man weinte um ganze Ortschaften wie um einen Verwandten"

Für die Ursachen der Pest wurden einmal verdorbene Winde, ein anderes Mal eine schlechte Sternenkonstellation verantwortlich gemacht. Das berühmte Pariser Gutachten von 1348 erklärte das Auftreten des großen Sterbens damit, dass am 20. März des Jahres 1345 die drei oberen Planeten im Hause des Wassermanns zusammentraten, um eine besonders feuchte und gefährliche Ausdünstung auszustrahlen, die sich in der Lunge zu einer giftigen Materie zusammenballte, die die Pest erzeugen sollte. Andere Mediziner glaubten, die Pest wüte, weil es „Frösche und andere Reptilien" geregnet habe. Dass in Wahrheit unscheinbare Bakterien die todbringenden Erreger sind, musste den Menschen des Spätmittelalters verborgen bleiben. Für sie sind finstere Mächte und der Zorn Gottes die Ursache.

"Als Gott von seinem Palast aus die Verderbtheit der Welt sah, da ließ er den Tod aus seinem Käfig, um Gerechtigkeit und Rache zu üben. Der Tod durchlief die ganze Welt, voller Raserei und Wut, ohne Zügel, ohne Zaum ohne Fessel, ohne Glaube, ohne Liebe, ohne Maß...", schrieb ein zeitgenössischer Autor.

Der Zorn Gottes also war Ursache der Katastrophe, die über die Welt hereingebrochen war. "Tut Buße und Umkehr" und so suchten Zuflucht die Menschen im Glauben. Überall wo Schwarze Tod sein gar hässliches Antlitz zeigte, fanden Prozessionen statt, bei denen Reliquien von Heiligen getragen wurden, in der Hoffnung diese mögen helfen.

Angst und Hilflosigkeit der Menschen gegenüber der Bedrohung erzeugten ein gespenstisches Schauspiel, das im 14. und 15. Jahrhunderts überall in Europa anzutreffen war: Geißlerzüge. Der Strafe Gottes durch Selbstbestrafung zu entgehen, war ein Versuch des mittelalterlichen Menschen, die himmlischen Mächte wieder milde zu stimmen, denn die normale Buße, die von der Kirche angeboten wurde, reichte offensichtlich nicht aus. Alle Chroniken berichten von der seltsamen Massenhysterie, die im 15. Jahrhundert ganz Mitteleuropa befallen hatte. Ein Chronist berichtet von solch einem Zug in Calais im Jahre 1441:

"Wenn die Geißler büßen wollten, legten sie sich in einen weiten Ring und ihr Meister schritt über sie, schlug einen nach dem anderen mit der Geißel auf den Leib und sprach:
"Steh auf durch der reinen Martel Ehre
und hüt dich vor der Sünden mehre"
Hernach gingen sie je zwei um den Ring und geißelten sich mit Geißeln von Riemen, die hatten Knoten voran, darein waren Nägel gesteckt. Und sie schlugen sich über den Rücken, daß mancher sehr blutete...
Nun fielen alle kreuzweise nieder auf die Erde und lagen eine Weile da, bis daß die Sänger anhuben zu singen:
"Nun hebet auf eure Händ’,
daß Gott das große Sterben wend’.
Nun hebet auf eure Arm’,
Daß Gott sich über uns erbarm’

Die Geißlerzüge oder auch Flagellanten machten einen enormen Eindruck auf die verängstigten Menschen der Zeit. Ihre Verzweiflung über die Hilflosigkeit gegenüber der furchtbaren Seuche schlug um in Hass gegen vermeintliche Urheber: "Die Juden haben die Brunnen vergiftetet". Dieser Schrei verbreitete sich schneller als die Seuche selbst. Die Außenseiter in der christlichen Gesellschaft - geduldet, aber der Mehrheit verhasst - von Kaisern, Fürsten und sogar den Päpsten ausdrücklich unter Schutz gestellt, waren im Zweifelsfall völlig schutzlos. Der "Judenhut", den ihnen die Gesetze aufzwangen, unterschied sie schon äußerlich von ihren Mitbürgern. Jetzt wird er tausenden zum Verhängnis. "Großes Juden-Töten" verzeichnet ein Chronist lapidar für das Jahr 1349 - als sei es ein Naturereignis. Der latente Juden-Hass wird aus der christlichen Welt nie mehr verschwinden.

Die damalige Medizin, wenig fortgeschritten wie sie war, war rat- und machtlos. „Diese Pest", heißt es bei Bocaccio, dessen Text hier als Beispiel genügen muss, „war deshalb so gewaltig, weil sie, wenn die Menschen miteinander verkehrten, von solchen, die bereits erkrankt waren, auf Gesunde übergriff, nicht anders als es das Feuer mit trockenen und fetten Dingen tut, wenn sie in seine Nähe gebracht werden. Und es kam noch schlimmer: Denn nicht nur das Sprechen oder der Umgang mit den Kranken infizierte die Gesunden mit der Krankheit und dem Keim des gemeinsamen Todes, sondern es zeigte sich, dass allein die Berührung der Kleider oder eines anderen Gegenstandes, den die Kranken angefasst oder gebraucht hatten, den Berührenden mit dieser Seuche ansteckte." Andere gehen noch weiter und erklären, dass selbst durch Blickkontakt die Krankheit übertragen werden könne. So auch Guy de Chauliac, ein Leibarzt Charles VI., der 1411 Zeuge der Pest in Paris wurde. Chauliac hat eine sehr genaue Beschreibung der Symptome und Verlaufsformen der beiden wichtigsten Formen der Seuche gegeben: „Das große Sterben begann im Januar und dauerte sieben Monate. Man konnte zwei Krankheitsformen unterscheiden. Die erste zeigte sich in den ersten beiden Monaten mit anhaltendem Fieber und blutigem Auswurf. Alle starben innerhalb von drei Tagen. Die zweite Form ging ebenfalls mit ständigem Fieber einher, zeigte aber auch Geschwüre und Beulen auf der Körperoberfläche, zumal in der Achsel- und Leistengegend. Diese Kranken starben innerhalb von fünf Tagen. Diese Krankheit war so ansteckend, besonders die Form mit dem blutigen Auswurf, dass nicht nur ein Verweilen bei dem Kranken, sondern ein bloßer Blick schon zur Ansteckung genügte." Wir wissen heute, dass von einer Ansteckung durch Blickkontakt nicht die Rede sein kann. Chauliacs Beschreibung entspricht im Übrigen jedoch den Tatsachen. Er unterscheidet richtig zwischen der Bubonenpest, bei der eine beulenförmige Schwellung der Lymphknoten auftritt und die innerhalb von drei bis fünf Tagen zum Tod führt, und der Lungenpest, die mit blutigem Sputum einhergeht und schon nach ein bis drei Tagen zum Tod führt.

So wenig wie die Mediziner der damaligen Zeit wussten, wie sie der Krankheit begegnen sollten, so sehr fürchteten sie sich vor ihr. Diese Angst schlug sich manches Mal in recht wunderlichen Schutzmaßnahmen und Kuren nieder. Hier ein Beispiel die Kleidung betreffend:

http://www.oliverludewig.de/Bilder/pest.gif

"Kleidung wider den Tod zu Rom, Anno 1656: Also gehen die Doctores medici daher zu Rom, wann sie die an der Pest erkrankte Personen besuchen, sie zu curiren und tragen, sich vor dem Gift zu sichern, ein langes Kleid von gewäxtem Tuch. Ihr Angesicht ist verlarvt, für den Augen haben sie grosse crystalline Brillen, vor den Nasen einen langen Schnabel voll wohlriechender Specerey, in der Hände, welche mit Handschuhen wohl versehen ist, eine lange Ruthe und damit deuten sie, was man thun und gebrauchen soll."

Wer sich die Flucht – noch der sicherste Schutz – nicht leisten konnte, und das war ohne Zweifel die Mehrheit, hatte die Möglichkeit, durch das Verbrennen von Kräuter- und Gewürzmischungen gegen das Miasma vorzugehen, wozu eigene Räucherpfannen entwickelt wurden. Als Antidotium schließlich, als Gegengift, galt das Theriak als besonders wirkungsvoll, eine komplizierte Mischung aus Opiaten und Schlangengiften, getrocknetem Krötenpulver und vielem anderen. Der „Brief an die Frau von Plauen" gibt Regeln für pestspezifischen Aderlaß, indem den „Haupt-Gliedern" Hirn, Herz und Leber die Achsel-, Hals- und Leisten-Lymphknoten zugeordnet werden. Bubonen, die sich an diesen Stellen bilden, werden als Reinigungsversuche des jeweiligen Haupt-Gliedes gedeutet, mit denen die Pestmaterie nach außen abgestoßen werden soll und die durch Aderlaß an der dem jeweiligen Haupt-Glied zugeordneten Vene unterstützt werden können. Zum Aderlaß kamen Inzision und Kauterisieren, also das Aufschneiden und das Aufbrennen von Bubonen. Dies sollte wie der Aderlaß den Reinigungsversuch des jeweiligen Haupt-Gliedes unterstützen, verdankte sich aber sicher auch der Beobachtung, daß Pestkranke, deren Bubonen aufbrachen, wesentlich verbesserte Überlebenschancen hatten.

Jedoch waren all diese Bemühungen der mittelalterlichen Medizin vergebens. Und den Menschen blieb nichts anderes übrig als zu beten und zu hoffen, dass sie selbst Glück hatten und vom Schwarzen Tod verschont würden.

Oliver Guinnes
18.11.02, 18:24
* Bei Tenniter (1811) und Talis (1903) finden sich hervorragende und spannend zu lesende Arbeiten über die Pest und ihre Wirkung auf Europa.

Oliver Guinnes
19.11.02, 21:05
Trotz dieser Rückschläge trug eine frühe Reform von Charles VII weiter Fürchte. Einer seiner Berater, Jacques Coers, hatte eine radikale Finanzreform entworfen. Durch eine starke Zentralisierung sowie nachhaltigen Verbreiterung der Steuerbasis sollte das Steueraufkommen erhöht werden. Wie auch noch heute, führte eine verbesserte Steuereintreibung bei den Betroffenen, Bauern, Handwerker und Händlern, zu massiven Widerstand, es kam sogar zu der ein oder andern Revolte. Aus dieser Zeit stammt Coers’ bekannter Aphorismus, dass nur eine Reform über die ein jeder Klage führe dem Lande und den Menschen diene. Im Gegenzug für die höheren Steuern wurden den Bauern die bei den Adligen zu verrichtenden Hand- und Spanndienste erlassen. Was nicht nur die Position der Adligen schwächte und den Bauern neue Freiheiten gab sondern auch auf starken Widerstand der Adelsfraktion um de Senlis stieß und hierdurch eine Erosion der politischen Stabilität nach sich zog.

Im Herbst seiner Tage zog sich Charles VII immer mehr aus dem politischen Tagesgeschäft zurück und überlies es einigen seiner engsten Vertrauten und seinem Sohn die Geschicke des Landes in alltäglichen Dingen zu lenken. Während dessen konnte sich Charles seiner neuen Leidenschaft, dem Weinbau, zu widmen. Er wurde mit der Zeit einer der bekanntesten Winzer Frankreichs dessen Wein überall gerühmt wurde. Dies lag nicht nur daran, dass es ihm als König gelang sich die besten Weinberge zu sichern und dass er Personen die seinen Wein nicht mochten bzw. nicht kauften in den Kerker schicken konnte. Er entwickelte neue Keltertechniken und war äußerst innovativ was den Ausbau der Weine anging. Noch heute werden charleske Keltertechniken in aller Welt verwand und gilt der Charlot als einer der besten Rotweine. Zugleich gelang es ihm das gesamte Verfahren zu rationalisieren, was den Ausstoß wesentlich steigerte. Louis XI konnte sich zwar nicht so für das Winzerdasein begeistern wie sein Vater, jedoch griff er dessen Pläne für den idealen Winzerbetrieb auf und ließ sie Anfang der 60er Jahre im großen Maßstab umsetzen. In der Folge entstanden nach und nach im Langudoc, der Champagne, Guyenne und der Provence groß angelegte Weingüter mit riesigen Kellereien, die fast schon manufakturmäßig hervorragenden Wein produzierten. Die Erlöse aus diesen Weingütern steigerten die Staatseinnahmen erheblich und der Wein war europaweit so begehrt, dass der Handel einen starken Aufschwung nahm. Ein weiterer Grundstein für ein prosperierendes Reich war gelegt worden. Zumal es gelang diesen Wein auch den Muselmanen in Thrace und Alexandria schmackhaft zu machen, so dass französische Händler in den dortigen Handelszentren dominante Positionen erobern konnten.

Einen weiteren Schub erhielt der Handel durch die dynamische Entwicklung des französischen Kolonialreiches, dem wir uns im folgenden Abschnitt widmen wollen.

Oliver Guinnes
20.11.02, 20:26
II.v: Koloniale Expansion

Auch während des Krieges wurden die afrikanischen Kolonien auf Bahrein und in Mogadiscio weiter ausgebaut. Zunächst wurden diese Bemühungen weiter von Gouverneuer Rolin von Brèganzac auf Socorta aus geleitet. Dieser Verwaltungsposten schien ihn jedoch auf Dauer nicht zu befriedigen. Er verschwand zu Beginn des Jahres 1436, ohne einen Hinweis zu hinterlassen, wohin ihn sein Weg führen würde. Es geht die Legende, er hätte sich in das Innere Afrikas aufgemacht um neue Abenteuer zu erleben.* Es gelang jedoch auch dem neuem Gouverneur, Luis Bossouet, den König davon zu überzeugen, dass ein weiterer Ausbau der Kolonien dem Wohle Frankreich dienen würde. Bossouet war ein äußerst ergeiziger und aufstrebender Staatsdiener aus bürgerlichem Haus mit hervoragender Bildung. Leute wie er – nicht-Adlige auf wichtigen Positionen – waren noch selten aber für die effektive Leitung des Staates für den König immer wichtiger. Trotz Bossouets Überzeugungskraft wurden aber nicht alle Resourcen auf die afrikanische Provinzen verwandt, so dass Bahrein erst 1452 zu Vollprovinz wurde.

Dieser teilweise langsame Fortschritt in den afrikanischen Kolonien lag an einer Verschiebung des Schwerpunktes der französischen Kolonialpolitik. Diese Verschiebung wurde durch den Austauch von Karten mit Potugal im Dezember 1442 verursacht. Hierdurch hatte Frankreich Kenntnis über viele zuvor unbekannte und oft unbewohnte Provinzen erlangt. Diese Provinzen strotzten teilweise vor Reichtum und Luxusgütern, wie Zucker(rohr), Gewürze und Elfenbein, so dass es Charles wichtiger war, diese Gebiete durch Handelsposten oder kleine Kolonien zu sichern, als schon gesicherter Gebiete auszubauen. Teilweise ließ Charles VII auch eher arme Provinzen besiedeln, wenn diese ihm von strategischem Wert erschien, z.B. als Flottenstützpunkte. So wurden nach und nach in Fernando Po, Pernambuc (beide 1443), Mauritius (1444), Sunda (1447) und Sarawak (1450) Kolonien gegründet und auch zusehens ausgebaut.

Durch diese neuen Kolonialaktivitäten war es nun nicht mehr sinnvoll die Kolonialpolitik vom Gouverneur französich Afrikas in Brèganzac koordinieren zu lassen. Diese Aufgabe wurde nun von der Königlichen Agentur für Überseebesitzungen – wir wollen im folgenden meist nur von der Agentur oder der Königlichen Agentur reden – übernnomen. Der erste Leiter dieser Agentur war Robert de Baudricourt, der längst nich so ein offenes Ohr für die Wünsche Bossouets hatte wie zuvor der König. Dennoch verlor de Baudricourt die afrikanischen Besitzungen nicht aus den Augen und plante sogar weitergehende Expansionen. Hierfür mussten aber die Ureinwohner der in Frage kommenden Provinzen entweder von der Güte und Freunschaft der Franzosen überzeugt oder aber unterworfen werden. Ein erstes Expeditionskorps, das diese Aufgabe übernehmen sollte, wurde im Jahre1449 nach Mudguh gesendet – und kam nie wieder.

Oliver Guinnes
20.11.02, 20:28
*Es gibt interessante Paralleln zwischen Rolin und einem Europäer, der Ende der dreiziger Jahre am Hof des Königs der Songhai auftauchte und diesem als Berater und Feldherren gedient haben soll. Leinendecker (1874) geht davon, dass es sich bei den beiden Männern um dieselbe Person, also Rolin, handelt. Wenn dem so ist dann wurde ihm sein Lebensabend mehr versüßt als es der französischen König je gekonnt hätte, denn er erhielt nach Berichten aus Songhai als einziger Mann freien Zugang zum Harem des Königs.

Oliver Guinnes
22.11.02, 19:26
Durch die Verschiebung des Kolonialfocusses auf die durch den Kartentausch mit Portugal offengelegten Provinzen, war der Plan der weiteren Kolonisierung des afrikanischen Horns beiseite gelegt worden – jedoch nicht vergessen. Als im Jahre 1465 der erst 32-jährigen Pierre de Lascaux zum Leiter der Königlichen Agentur ernannt wurde – er sollte neben den politischen Erfahrungen, die er als Assitent Ferrands gesammelt hatte, auch seine administrativen Fähigkeiten üben – holte er diese Pläne wieder hervor. Er ordnete an, dass ein zweites afrikanisches Expeditionskrops zusammengestellt werden sollte, um nach Somalia vorzustoßen und das Horn Afrikas für die französische Kolonisierung vorzubereiten.

„… Wir brachen am 01. Feburar des Jahres 1466 mit unseren Truppen, 6000 Mann Infanterie und 3000 Kavallerie, Richtung Norden von Sainte Hélené, der Hauptstadt Mogdiscios, auf. Das Kommando hatte Colonel d’Atrois; ich war stellvertretender Kommandeur und hatte den Befehl über unsere Reiterei. Wir hatten die Befehle von Sainte Hélené aus, nach Somalia vorzudringen, und auf diesem Weg die Eingeborenenstämme zu Verbündeten zu machen oder zu vernichten. Das Land sollte für französische Siedler zugänglich gemacht werden.

Vom ersten Tag an waren erstaunlich hohe Verluste zu beklagen, zunächst und solange Sainte Hélené noch leicht zu erreichen war durch Dessertation; später sorgten das Wetter – obwohl die Trockenzeit noch nicht angebrochen war lag die Sonnenglut über der afrikanische Steppe -, giftige Tiere, wie Schlangen, Spinnen und Skorpione, für eine hohe Verlustrate, auch ohne Feindberührung. Obwohl die meisten Männer schon länger in Afrika stationiert waren setzten Klima und Entbehrung ihrer Tatkraft stark zu.

Unsere Truppen waren also schon in recht schlechter Verfassung und zahlenmäßig dezimiert, als wir am 6. Februar die Nordgrenze der Provinz Mogdadiscio erreichten und nach Mundugh einzudringen begannen. d’Atrois lehnte meine Vorschlag ab, beständig kleine Trupps meiner leichten Kavallerie als Kundschafter voraus und entlang unseres Marschwegs zu senden. Wenn wir auf Wilde trafen, wollte er sie mit dem ganzen Glanz und der ganzen Macht unseres kleinen Heeres beeindrucken, auf dass ihre Häuptlinge bereitwillig unseren Vorderrungen nachgeben würden.

Einen zweiten meiner Ratschläge befolgte d’Atrois; wir befestigten unsere Nachtlager nachhaltig und stellten zahlreiche Posten als Wachen auf. Jedoch nachdem über drei Tage und Nächte keiner der Wilden zu sehen war – die wenigen Dörfer die wir sahen waren verlassen – entschied sich d’Atrois, entgegen meines Rates und Protestes, dafür auf die Befestigung unseres Nachquartier zu verzichten und er reduzierte die Zahl der Wachen stark. Als Begründung gab er an, dass wir durch das errichten und Abbauen befestiger Lager viel zu viel Zeit am Morgen und Abend verlören, zumal unsere Vorräte, vor allem das Wasser, zur Neige gingen. Dies beschleunigte unser Vorankommen erheblich.

Es war am frühen Morgen des 14. Februars. Ich erwachte durch Geräusche von den Pferden, als ob sie durch irgendetwas aufgescheucht worden wären. Die Dämmerung begann gerade und das Dunkel der Nacht wich langsam dem Grau des beginnenden Tages als ich sie sah: unzählige dunkle Gestalten huschte durch unser Lager, es müssen tausende gewesen sein. Sie waren halb nackt und das wenig was sie am Leibe trugen schien aus Fell erlegter Tiere zu sein. Sie waren mit Keulen, Speeren oder kurzen Messern mit breiter Klinge bewaffnet.

Sie schlichen so leise durch das Lager, dass kein einziger unserer Männer erwachte, bis sie ihr grausiges Werk begannen. Die ersten unser Männer, die ihre Augen öffenten, wurden durch die Geräusche geweckt, die die Schädel ihrer Kameraden, die neben ihn schliefen, machten als sie unter den Keulenhieben der Eindringlinge zerplatzten.

Wir hatten keine Chance. Unsere Truppen waren vollkommen überrascht und merhr als die Hälfte schon im Schlaf getöt. Eine weitere große Zahl wurde gemeuchelt, als sie nach ihren Waffen griffen oder suchten. Der Kampf war verloren ehe wir ihn begonnen hatten. Alles was mir blieb war soviel Überlebende wie mögliche bie den Pferden zu sammeln und mit ihnen zu fliehen. Es gelang uns sogar etwas Wasser aus dem Depot mitzunehmen.

Durch das raue Klima und die gefährlichen Tiere verloren wir noch weitere Männer auf der Flucht. Wir erreichten am 11. März vollkommen erschöpft St. Hélené. Von den 9 000 Mann, die die Expedition begonnen hatten, war nicht einmal dreizig zurückgekommen. …“ (Auszug aus dem Bericht von Major Claude Ambleteuse über den Untergang des zweiten afrikanischen Expeditionskorps.)

Dank dieses Berichts gelang es Lascaux die Schuld an diesem zweiten Debakel Colonel d’Atrois – der ebenfalls gefallen war – zu geben und zu verhindern, dass seine Karriere einen empfindleichen Knick erhielt. Er wollte aber das afrikanische Horn nicht den Eingeborenen überlassen und lies daher Truppen, mehr Truppen als die beiden male davor, zusammenstellen. Die dritte Expedition sollte der frisch beförderte Colonel Ambleteuse führen.

Oliver Guinnes
30.11.02, 13:10
„ ... Im Namen Unserer königlichen Majestät, Luis XI, König von Frankreich, Herzog der Auvergne, Herzog der Normandie, Regent der Niederlande, Duke of Wessex, Earl of Kent, Herr über Afrika, etc. etc., und im Auftrag der Königlichen Agentur für Kolonialangelegenheiten befehlen Wir Euch eine neue Expedition zum afrikanische Horn nach Mudguh und Somalia und darüber hinaus zuführen, um dies Land für Unseren gnädigsten König zu erschließen und als Besitz der Krone Frankreichs zu reklamieren. Weiter hat die Expedition dafür Sorge zu tragen, dass französische Händler und Siedler in diesen neuen Provinzen leben, arbeiten, prosperieren und ihrem König dienen können, ohne dass sie durch feindselige Attacken von wilden Stämmen, Eingeborenen Muselmanen oder gar den ketzerischen Arabervölkern behelligt werden, auf dass Frankreich wachse und gedeihe.
Wir haben Gouverneur Bossouets angewiesen Euch jeder Unterstützung zukommen zulassen die Ihr als Notwendig erachtet.

Im Name des Königs,
Piere de Lascaux,

Leiter der Königlichen Agentur für Kolonialagelegenheiten
Minister für Äußere Affären“
(Aus einer Anweisung von Lascaux an Ambleteuse im April 1466)

Der Verlauf dieser Expedition erschließt sich recht gut aus den Expeditionsberichten die der Kommandtant Ambleteuse verfasste, daher geben wir im folgenden Auszüge hieraus an:

„25 Januar 1467
Seit zwei Tagen sind die Vorbereitungen abgeschlossen. Im Vergleich mit d’Artrois’ Expedition ist diese reichlich mit Männern und Material ausgestattet. Dies gilt sowohl für die Quantität als auch Qualität. Insbesondere die überhundert eingeborenen Führer sollten uns nicht nur helfen die besseren und schnelleren Wege zu finden, sondern sie sollten auch durch ihre Kentnisse der hiesigen Pflanzen- und Tierwelt eine Vielzahl der Gefahren durch die Schlangen, Skorpione und anders Gekreuch für unsere Männer verringern sowie Wasser finden. Dennoch werden wir unseren schlimmsten Feind nicht umgehen können. Obwohl in Frankreich noch Winter ist und die sanften Hügel der Cevennen noch mit Schnee bedeckt sind, brennt hier die Sonne ab dem frühen morgen schlimmer vom Himmel als im Sommer daheim in Alès. Hitze und Trockenheit: das sind die wirklichen Feinde dieses Feldzuges.
Morgen, gleich nach der Frühmesse brechen wir auf. Möge Gott uns beistehen.

01. Februar
Die Grenze der Provinz Mogadiscio haben wir heute erreicht; wesentlich schneller als die letzte Expedition. Die Führer machen sich schon bezahlt. Vor allem ihr Rat noch vor dem Morgengrauen mit unseren Märschen zu beginnen und während der stärksten Mittaghitze zu ruhen, nach Möglichkeit zu schlafen, und dann bis weit nach der Abenddämmerung zu marschieren, hat unsere Marschgeschwindigkeit erheblich gesteigert und dennoch waren die Männer nicht annähernd so erschöpft wie in d’Artois’ Expedition. Auch hat diese Erleichterung sowie das Auge der Führer für die natürlichen Gefahren dieses Landes unser Verluste durch Dessertation und Angriffe wilder Tiere weit unter die Rate der letzten Expedition gesenkt.

06. Februar
Als wir die Grenze zu Mudugh überschritten teilte ich das Heer in fünf Gruppen auf. Die gesamte Invanterie bildedet mit etwas Kavallerie die Hauptgruppe, die weiter Richtung Norden marschiert während die verbleibende Kavallerie in vier gleichgroße Trupps aufgeteilt wurde, die entlang unserer Route ausschwärmen sollte um die Gegend zu erkunden, und – wesentlich wichtiger – den Feind zu schlagen wo sie können. Das Ziel der Trupps ist es weniger die feindlichen Krieger direkt anzugreifen, was ihnen auch nur schwerlich gelingen würde, da sich die Eingeboren wie bei der vorherigen Expedition versteckt halten und nicht dem Kampf stellen – sie hoffen wohl uns erneut übertölpeln zu können. Daher sollen die Kavallerietrupps vor allem den Feind schwächen indem sie dessen Ressourcen und Versorgung zerstören. Dies heißt versteckte Nahrungsdepots zu zerstören, zu vergiften oder für uns zu plündern (beim Auffinden dieser Depots leisteten die eingeborenen Führer unschätzbare Dienste); das Gleiche gilt für Wasserlöcher, an diesen lassen ich auch Hinterhalte legen. Noch wichtiger ist aber die grausige Aufgabe, die ich meine Männer verrichten lasse und mit der ich ihnen und mir wenn es sich um Christenmenschen handeln würde eine große Schuld vor Gott aufladen würde: Ein jedes Dorf, das die Männer finden soll niedergebrannt werden und ein jeder, der dort angetroffen wird, sei es Weib, sei es Kind oder sei es ein Greis getöet werden; das gleiche gilt für das Vieh. Hierdurch hoffe ich zum einen die Krieger des Feindes zu schwächen, da ihnen nun der sichere Rückzug verwehrt ist und iher Versorgung sich verschlechtert. Zum anderen hoffe ich sie so zu einem Angriff auf unseren Hauptrupp zu zwingen, der sie dann wesentlich besser vorbereitet als die Männer unter d’Artois erwarten wird.

11. Februar
Wir haben einen Ort erreicht den die Eingeboren Obiat Uen nennen. Die wenigen Verteiger waren schnell überwunden. Diesmal wurden die Frauen nicht getötet; der Stimmung wird es gut tun wenn die Männer etwas Ablenkung haben. Der Ort liegt in mitten einer weiten Ebene auf einem kleinen Hügel. Auf diesem entspringt aus einer Quelle ein kleiner Bach, der irgendwo in dieser Ebene versickert. Ein ideraler Ort für ein gut befestigtes Lager. Jeder Angreifer ist im Nachteil, da er den Hügel hangaufwärts erstürmen muss, wobei er den Bogenschützen ein leichtes Ziel bietet und erschöpft ist bevor der Kampf beginnt. Zudem lässt sich die Quelle leicht so gestalten, dass die Männer ständig mit frischen Wasser versorgt sind, aber nichts mehr aus dem Lager herausgelangt, so dass wir Wasser hätten die aber nicht, falls es zu einer Art Belagerung käme. Nun werden die Männer auch sehen, warum es nötig war, die Baumstämme soweit zu transportieren.
...
13. Februar
Fort Obiat Uen nimmt langsam gestalt an. Zwar reicht das mitgeführte Holz nicht aus, das ganze Lager mit Palisaden zu umgeben, jedoch habe die einheimische Führer wieder ihren Wert bewiesen in dem sie uns zeigten wie man aus dem Reisich, der sich in der Ebene finden lässt, dem lehmigen Boden am Fuße unser Burghügels sowie dem Wasser der Quelle, mauerähnliche Konstruktionen errichten lassen. So können wir das mitgeführte Holz vor allem für Türme verwenden, von dem aus die Wache ausschau halten können und welche die Reichweite der Bogenschützen erhöhen werden. Unterdessen habe ich die weiterhin ausschwärmenden Trupps angewiesen noch unnachgibeiger die Dörfer des Feindes zu suchen und zu zerstören, sie müssen sich doch zu einem Angriff provozieren lassen. Zudem sollen sie nach weiterem Baumaterial Ausschau halten und nach Möglichkeit nach Fort Obiat Uen schaffen.
...
15. Februar
Die Reitereitrupps berichten, dass sie auf ihren heutigen Erkundungs- und Plünderungsritten, immer wieder auf kleinere Gruppen feindlicher Krieger trafen, die sie dann, weil in Überzahl, ohne eigenen Verluste niedermachten. Es scheint der Feind will nun endlich angreifen.

16. Februar
Wellenartig wogte die Luft in der glühenden Hitze über der Ebene. Diese sonst wie ausgestorben um fort Obiat Uen liegende Steppe wimmelte heute vor Leben. Der Feind ist endlich bei unserer kleinen Feste angekommen. Es müssen sich tausende von schwarzen Kriegern unten in der Ebene befinden. Sie lagern in kleinen Gruppen über dier Ebene verteilt um die schattenwerfenden Schirmakazien. Geggen abend begannen sie mit Rituellen Tänzen mit Gesang und Geschrei, das klang wie Wölfe, Hyänen und Löwen, die mehrere Tage der Hunger quälte. Es erschienen drei Eingeborene vor dem Fort. Sie waren in Löwenfälle gehüllt und hielten reich verzierte Speere die wohl eher für Zeremonien als den Kampf geeignet waren. Ihre Schilder waren aufs herrlichste mit Tiergestalten bemalt. Diese drei liefen also vor unser Fort, bis sie in Rufweite waren, und begannen für uns unverständliche Dinge zu rufen. Zwar sprachen die hiesigen Eingeborenen eine für unsere Führer sehr fremden Dialekt, jedoch konnten sie so viel verstehen, dass uns angedroht wurde, dass man uns „zerfleischen, erwürgen, peinigen, martern, foltern, und tausenderlei eben so neue als seltsame Qualen“ teilhafitg werden lassen würde. Der Plan ist aufgegannen: die Angriffe auf ihre Dörfer, die sinnlosen Tode die ihre Frauen, Kinder und Eltern starben hat sie aus ihren Verstecken hervor geholt und wütend gemacht. Morgen werden sie angreifen. Möge Gottes Segen auf unserem Tun liegen.

Ajkula
01.12.02, 13:41
Bravo, herrlich, eine entzückende Lektüre.

Ich habe zwar noch nicht alles gelesen aber das was ich bisher gelesen habe ist fesselnd und macht Spaß auf mehr.

Ich danke Euch für die Arbeit die Ihr Euch macht und hoffe, daß Ihr das prächtige Werk vollendet.

Oliver Guinnes
02.12.02, 10:13
Werter Ajkula,

habt Dank für Euer Lob, jedoch müssen Wir zu Unserer Schande gestehen, dass der ein oder andere Teil des Berichtes eher lieblos geschrieben ist, da Unser Geist ermattet war oder andere Dinge Unsere Aufmerksamkeit verlangten. Wir bitten die resultierenden Qualitätsschwankungen zu entschuldigen.

:drink:

Winterfeld
04.12.02, 14:54
Donnerwetter! Auch wenn zu Beginn der Lektüre (welche wir noch nicht ganz abgeschlossen haben) der Umfang eures Berichtes uns fast erschlug, sind wir doch inzwischen begeistert! Wenn HOI nicht wäre so wären wir durchaus geneigt EU II nochmal hervor zu holen... ;)

Oliver Guinnes
06.12.02, 19:09

17. Februar
Es war nicht die untergehende Sonne, die am heutigen Abend die um Fort Obiat Uen liegende Ebene rot färbte, sondern das Blut unserer erschlagenen Feinde. In der Nacht von gestern auf heute ließ ich unsere Männer ihnen zeigen, dass wir durch das Debakel der letzten Expedition unsere Lektion gelernt hatten. Nach Mitternacht als das feindliche Lager in Ruhe und Schlaf versunken schien, ließ ich die gesamte Kavallerie aufsitzten und einen Ausfall machen. Sie hatten Befehl auszuschwärmen und im schnellen Galopp durch das Lager unserer Feinde zu reiten und alles und jeden auf den oder das sie trafen zu töten, zu verbrennen – sie hatten Fackeln dabei – und niederzureiten. Sie sollten wie der Blitz zwischen unsere Feinde fahren, sie aufschrecken, verschrecken, ängstigen, einschüchtern und so viele wie möglich töten. Ein drittel der Reiterei hatte den Befehl, nachdem sie durch die Reihen der Feinde gefahren waren etwas abzuwarten und dann, ohne Fackeln, zum Fort zurückzukehren. Die restlichen zwei Drittel sollten weiter reiten und außer Reich- und Sichtweite des Feindes lagern.
Das feindliche Lager war noch lange in Aufruhr, als das Drittel der Kavallerie längst wieder im Lager war. Das erste Ziel war erreicht, der Feind war dezimiert, ermündet und verschreckt; sein Gegenangriff auf das Fort war schwach und unkoordiniert; sie hatten weder Mittel zum Stürmen unserer ‚Mauer’ noch gegen unsere Bogenschützen auf den Türmen; sie starben schneller als sie nachrücken konnten. Als die Eingeborenen den Angriff abbrachen und sich zurückziehen wollten, bekam die wartenden restlichen zwei Drittel der Kavallerie ihr Zeichen – mittels Rauch – zum Angriff. Der Feind wurde vollkommen überrascht und leistete kaum noch Widerstand. Schließlich rückte die Infanterie aus dem Lager nach und rieb die restlichen feindlichen Krieger auf.

22. Februar
Nachdem nun auch die letzten Einheiten von der Verfolgung der Feinde zurückgekehrt sind, werden wir in zwei, drei Tagen – die Männer brauchen etwas Ruhe – Richtung Somalia aufbrechen; eine kleine Garnison wird in Fort Obiant zurück bleiben. Es sollte zwar kein einziger feindlicher Krieger in ganz Mudugh überlebt haben, jedoch sollten die Sieder die bald kommen werden das sichere Gefühl des Schutzes durch das Heer ihres Königs haben.

01. Mai
Auch hier in Fort Nogal (liegt im Nogaltal in Somalia d.A) bleiben einige Männer als Garnison zurück um die Siedler zu empfangen; hoffentlich finden sie einen gastlicheren Ort zur Gründung einer neuen Stadt als diese Nogaltal. Die Fortsetzung der Expedition nach Afars ist gefährlicher, als das was wir bisher getan haben; unsere Führer kennen sich dort nicht aus; meine Männer sind erschöpft und die vielen Kämpfe haben auch von uns ihren Blutzoll gefordert.

05. Mai
Die Methoden, die in Somalia und Mudugh so erfolgreich waren, greifen hier ins Leere. Der Feind räumt seine Dörfer schnell und vollständig, das einzige was uns allenfalls bleibt ist vergiftetes Getreide; auch ist unsere Kavallerie im hiesigen Gebirge nicht hilfreich.

07. Juni
Mit den verbleibenden 800 Männern haben wir endlich Somalia erreicht. Unsere Rettung waren die Einwohner der frisch gegründeten Siedlung; sie gaben uns Wasser, versorgten die verwunderten und feierten uns dafür, dass wir für sie dieses Land erobert haben. …“ (Aus Ambleteuses Bericht über die zweite Afrikaexpedition)

Oliver Guinnes
11.12.02, 19:33
Obwohl Ambletuese es nicht schaffte die weitergehenden Ziele der Expedition – Erschließung Kerens, Issas’ und Afars Für die französische Krone – zu erreichen, war der König für die Erschließung Mudughs und Somalias durch die 3. Expedition am Horn von Afrika dankbar und wertete sie als Erfolg. Aus Dankbarkeit schenkte er Ambleutese viel Land am französischen Horn und machte ihn zum Grafen von Obiat Uen.

„Werter Lascaux,
der König war höchst überrascht Euch und Uns die Argumentation Phillip de Senlis unterstützen zu sehen. Es dauerte ein wenig bis ihm klar wurde, dass es aus gänzlich unterschiedlichen Motiven geschieht. Zwar durch schaute der König sogleich, dass de Senlis in der Tradition seines Vaters nur die Privilegien des etablierten Adels sichern will, jedoch brauchte er etwas länger um unsere Sorge um sein Wohl zu erkennen. Dennoch sieht nun auch er die Gefahr, dass starke Adlige in fernen Provinzen wohl eher frühre als später nach stärkerer Autonomie, ja gar Unabhängigkeit von der Krone, streben werden, wenn sie durch sonst nichts an Frankreich gebunden sind. Er wird daher afrikanische Ländereien nur noch selten verschenken, und wenn dann nur an solche Personen die aus Angst um den Verlust ihrer Besitzungen in Europa sich nie gegen ihn oder einen seiner Erben erheben werden.
Zugleich unterstützt er Euren Vorschlag die gesamte Kolonialverwaltung stärker unter die Aufsicht der Königlichen Agentur zu stellen. Diese Zentralisierung stärkt ohne Zweifel den König und Frankreich. ...“ (Aus einem Schreiben des Ersten Ministers Ferrand an Pierre de Lascaux, Leiter der Königlichen Agentur für Kolonialagelegenheiten und Minister für Äußere Affären)

Diese am Schluss des Auszugs angedeutete Reform der Kolonialverwaltung beschleunigte noch das Wachstum des verschieden Kolonien und des gesamten französischen Kolonialreiches. Obwohl Portugal und Frankreich um die Position als erste unter den Kolonialmächten konkurrierten – sie waren bisher ja die einzigen – führte diese Konkurrenz dank des Guten Verhältnisses zwischen den beiden Königen und den beiden Höfen zu keinerlei Spannungen. Die beiden Mächte informierten sich in der Regel vorab, wo sie gedachten eine neue Kolonie zu errichten und steckten Interessensphären ab, auf die sie sich dann jeweils beschränkten.

Zu Spannungen über die Kolonialfrage kam es erst mit dem Auftritt neuer Spieler wie Spanien nach den Entdeckungsreisen des Christopherus Colombo oder später der Engländer im großen Spiel um die Verteilung der Welt. Diese Spannungen traten dann nicht zwischen Portugal und Frankreich, sondern zwischen diesen etablierten Kolonialmächten und den aufstrebenden kolonialen Neulingen auf. Während Portugal sein südamerikanischen Besitzungen, die Seewege dorthin und das damit verbundene Zuckermonopol durch die spanische Expansion nach Mittel- und Südamerika gefährdet sah, fehlte zwischen Spanien und Frankreich das direkte Konkurrenzverhältnis. Jedoch wussten der König und seine Berater aus eigener Erfahrung und der der Portugiesen welcher Reichtum und welche Stärke einem ohnehin nicht schwachen Reich aus den Kolonien erwachsen konnte und ein solcher maßen durch Kolonien gestärktes Spanien konnte eine potenzielle Gefahr für Frankreich. Daher planten Lascaux – zu dem Zeitpunkt Erster Minister von Charles VIII – bei sich bietender Gelegenheit einen präventiven Krieg gegen Spanien zu führen. Die Ziele eines solchen Krieges, waren vor allem die Sicherung der spanischen Karten über die neue Welt so wie die nachhaltige Schwächung Spaniens, sei es durch Übernahme der spanischen Kolonien oder sei es durch die Verstümmelung des Königreiches Spanien auf europäischen Boden.*

Oliver Guinnes
11.12.02, 19:46
* Bei Olivèr (1918) finden sich ausführliche Berschreibungen der verschiedenen Afrikaexpdedition, so wie auch Einsichten in die Arbeitsweise der Königlichen Agentur und in die Umorietierung der Kolonialpolitik nach der Erlangung der portugisischen Karten. Van de Witt (1911) zeigt neben den Anfängen der französischen Kolonialpolitik, wie sich die Spannungen zwischen dem Franko-Portugisischen Bündnis und Spanien über Kolonialfragen aufbauten, bis sie sich in dem Krieg entluden.

Oliver Guinnes
13.12.02, 18:47
II.vi: Militär

Da die Epoche, über die in diesem Kapitel berichtet wird, eine Zeit des Friedens war, waren militärischen Ereignisse mit historischer Tragweite selten. Durch den Londonerfrieden hatte sich die militärische Situation für Frankreich erheblich verbessert, was einer Änderung der Militärdoktrin, oder genauer eine Restauration der alten, erlaubte.

War nach dem Schandfrieden Le Puy ein Aufstockung der Flotte, sowie Investitionen in die Verbesserung der Qualität de Schiffe versprochen worden, um so die Möglichkeit zu erhalten Truppen nach England schaffen zu können, so war dies nun nicht mehr nötig. Es konnten in den zwei Provinzen südlich bzw. südwestlich von London jederzeit genug Männer ausgehoben werden um die Engländer und ihren verkrüppelten Staat niederzuringen. Zudem hatte die Erfahrung der beiden letzten großen Kriege die französischen Herrscher gelehrt, dass die entscheidenden Schlachten an Land geschlagen wurden. Die Flotte musste nur ausreichen gerüstet sein um gelegentlich Truppen zu transportieren. Daher hielt keiner der Könige, das von Charles VI gegeben Versprechen, in die Flotte nennenswerte Summe zu investieren. Stattdessen lag der Fokus auf dem Heer.

Charles VII begann kurz nach dem Londoner Frieden mit einer großangelegten Heeresreform. Das Ziel war ein möglichst starkes stehendes Heer zu unterhalten, wobei es nicht um die Zahl sondern vor allem um die Kampfkraft ging. Daher waren die Erhöhung der Qualität der Rekruten und die Hebung ihrer Moral durch größere Freiheiten für das niedere Volk. Die Aufstellung eines stehenden Heeres sollte nicht nur Sicherheit vor äußeren Feinden geben, sondern vor allem auch größere Unahbhängigkeit vom Adel, da er im Kriegsfalle weniger auf diesen agewiesen war.

Um die Kampfkraft der einzelnen Soldaten weiter zu heben, wurde schon bei der Auswahl der Rekruten auf eine gute körperliche Verfassung und – eine europaweite Innovation – auch auf einen regen Intellekt geachtet. Hinzu kamen immer wieder innenpolitische Reformen, die den Untertanen des französischen Königs mehr Freiheiten, vor allem Freiheit von den großgrundbesitzenden Adel, gaben. Die Soldaten kämpften also nun mehr für die Bewahrung ihrer Freiheiten als das Wohl von Adligen die auf ihre Kosten lebten. Dies war eine starke Motivation in der Schlacht, und reduzierte die Zahl der Deserteure und sollte wohl in Schlachten die Kampfkraft heben und die Wahrscheinlichkeit einer Flucht mindern.

Da zahlreich Ressourcen in den Aufbau und erhalt des Heeres gesteckt wurde kam es in diesem Bereich auch immer wieder zu Innovationen. Vor allem war Frankreich dank dieser beständigen Innovationen im Bereich der Militärtechnik in Europa führend, was zusammen mit der hohen Moral der Soldaten dazu führte, dass die französische Generalität damit rechnete jederzeit auch zahlenmäßig stark überlegene Feinde schlagen zu können. Insbesondere die Weiterentwicklung des Umgangs mit Schwarzpulver führte zu Innovationen – Feldatellerie und Arkebusen, Handfeuerwaffen, die zum Schießen auf ein Gestell gelegt wurden – führten zu einer erheblichen Überlegenheit über die europäischen Nachbarn.

In dieser Zeit brachte die Militärschulen des Königs einige neue Feldherren hervor, die aber, es war ja eine Zeit des Friedens, nie die Gelegenheit hatten ihre Talente unter Beweis zu stellen. So kamen und gingen Feldherren deren Namen mangels eines Krieges der Vergessenheit anheim vielen. Dies bewahrte auch die meisten vor einem Tod auf dem Schlachtfeld. Es war wiedermal Gilles de Rais, der einen der bemerkenswertesten Abgänge dieser Zeit hatte. (siehe Box II.iv)

Oliver Guinnes
20.12.02, 18:53
Von den ganzen Feldherren, die in dieser Zeit gekommen und gegangen sind, stach das Ende de Rais’ – insgesamt einer der ungewöhnlichesten Männer der französischen Geschichte – heraus.

„Lieber Vater,
heute drehten sich fast alle Besprechungen mit dem König, Ferrand und den restlichen Beratern um Gilles de Rais. Kennt Ihr diesen man näher? Die Geschichten, die ich über ihn bisher gehört, sind höchst erstaunlich! Er hat sicherlich Verdienste um Frankreich erworben, jedoch entwickelt er sich mehr und mehr zu einem Problem.
Zum eine sympathesiert er immer offener mit dem machtgeilen Adel um die de Senlis Sippschaft, hoffentlich stirbt der alte Eber bald, lang kann es ja nicht mehr dauern, sein Atem klingt als ob ein Zugbrücke nach oben gezogen wird. Ausserdem hat er durch sein hartes, sein unmenschliches Verhalten in unseren niederländischen Provinzen sich eine derartige Reputation erworbe, dass ein weiter verbleib dort zu größeren Aufständen führen wird.
Und dann immer wieder diese Geschichte um die abscheulichen Rituale! Mittlerweile heißt es, dass er und seine Gesinnugnsgenossen nicht nur Menschen töten, sondern diese dann auch noch verspeisen. Ja, die Opfer sollen sich so gar freiwillig anbieten! Wie verwirrt kann eigentlich der menschliche Geist sein.
Mittlerweile glaubt auch der König, dass diese Geschichten stimmen mögen. Nur kann er de Rais kaum den Prozess machen, nachdem er dies vor Jahren unterbunden hat. Wie stünde er da, wenn er eingestehen müsste, dass er einen gottlosen Schlächter, einen Menschenfresser verschont hatte. Das Volk würde sein Vertrauen in seinen Herrscher verlieren, de Senlis’ Bande würde versuchen ihre Position zu verberssern, die Holländer revoltieren und de Rais vielleicht die Loyalität seiner Männer missbrauchen. Ein Prozess oder Absetzung kommt wohl kaum in Frage.
Jedoch kann der König ihn auch nicht gewähren lassen. Wir haben noch keine Lösung gefunden, jedoch meinte der König am Abend, er wisse wie sich das Problem lösen ließe.“ (Aus einem Brief von Pierre de Lascaux an seine Vater im August 1456)

„… Herr wisst Ihr was es mit diesem de Flavy auf sich hat? Ich bin nun seid über 15 Jahren Diener des Königs, und der einzige der Ihn je allein gesprochen hat ist de Flavy und vielliecht die Königin. Es ist nicht so, dass dies eine Ausnahme gewesen wäre, ich kann mich an über ein Dutzend solcher Einzelaudienzen erinnern. Mich verwirrt vor allem, dass kurz zuvor noch fast alle Berater beim König waren, und lage über wohl wichtige Dinge diskutierten. Es schien dass er sogar Ferrand fortschickte um de Flavy zu empfangen …“ (Aus einem Brief Rene Duponts, Kammerdier Charles VII, an Vileroy „der Eber“ de Senlis)

„…
1. September 1456,
Nach den Berichten der Kundschafter scheinen die Holländer nach der letzten Niederlage der Rebellen zunächst von ihrer ewigen Unruhe genug zu haben. Es scheint alles friedlich. De Rais war sehr zufrieden, befahl aber dennoch, dass die Truppen in alarbereitschaft bleiben sollen und vor allem ordentlich exerzieren sollen.
De Rais hatte heute de Favy zu Gast. Sie ritten lange aus.

3. September 1456,
Welch Katastrophe! Welch Verlust! Wie sollen die Männer wieder zur Besinnung kommen, wie kann man sie aufrichten, wie kann man sie trösten, so großes Entsetzten.
Ich fand de Rais als ich wie immer im Morgengrauen zur Lagebesprechung in sein Zelt kam. Er lag dort so friedlich, als ob er schlief. Jedoch stand an seinem Bett auf jeder Seite eine silberne Schüssel, in dem seine Hände lagen und die voller Blut waren. Seine Schlagadern waren geöffnet, sein Körper kalt und steif.
Auf dem Besprechungstisch lag ein kurzer Brief an seine Schwester. „Geliebte Charlotte, alles was ich tue, tue ich für Dein Wohl, Dein Gilles“ …“ (Aus dem Tagebuch von de Rais’ Adjutanten)

De Rais’ Selbstmord und sein merkwürdiger Brief an seine Schwester sind nur ein weiteres Myterium unter den anderen in de Rais leben. Es gibt um diesen Tod zahlreiche Spekulationen, aber es konnte nie rekonstruiert werden warum er den Freitod wählte. Wir wollen uns hier an diesen Spekulationen auch nicht beteiligen, da dies mehr Platz in anspruchnehmen würde als uns hierfür zur Verfügung steht. Wer sich für De Rais’ und seinen Tod interessiert sei Loween (1666) aber auch de Witt (1919) empfohlen.

Im Dezember 1456 wurde de Flavy mit weitreichenden Länderreien in den englischen Besitzungen belehnt.

Oliver Guinnes
07.01.03, 18:26
De Rais war für eine lange Zeit – für das späte Mittelalter eine ungewöhnlich lange Zeit – einer der letzten französischen Feldherren, die sich tatsächlich auf dem Schlachtfeld behauptet hatten. Die ersten, die nach einer langen Epoche des Friedens wieder zum Waffengang aufgerufen wurden, waren Foix und la Palice. Ersterer übernahm die Führung der königlichen Armee in der Ile de France und letzterer die des Südheeres in der Dauphine. Beide traten Anfang des Jahres 1490 ihren Dienst für König und Reich an, und sie sollten sich in den nächsten Jahren bewähren müssen. Hierbei war die Aufgabe für die neuen Feldherren auf dem ersten Blick weitaus einfacher als die ihrer Vorgänger, die wir zu Anfang dieses Bandes bei ihren Taten beobachtet hatten. War Frankreich in Fragen der Militärtechnologie in den Kriegen mit England unterlegen, bestenfalls ebenbürtig, so war es nun Europas Technologieführer im Bereich des Landkrieges. Bestand zu Anfang des 15. Jahrhunderts das Heer noch aus einem wild zusammengewürfelten Haufen disziplinloser und schlecht ausgebildeter Bauern, Tagediebe und Abenteuern sowie einer geringen Zahl Rittern so waren es nun zu einem erheblichen Teil gut ausgebildete und hoch motivierte Berufssoldaten und die Ritterschaft war größtenteils auf ornamentale Funktionen zurückgedrängt. Aber vor allem waren die iberischen Heere in allen Belangen – Technologie, Motivation, Disziplin und Ausbildung – bis auf eine – Quantität – unterlegen. Niederlage war somit keine Option für Foix und la Palice.

Oliver Guinnes
07.01.03, 18:29
III Die Kolonialkriege*

1491 begann die Zeit der Kolonialkriege – mit einem schlechten Omen. „… wir schrieben den 24sten Tag des Augustes des Jahres 1491 unseres Herren als am Himmel in ganz Frankreich ein feuriger Schweif erschien und die Nacht erhellt und die Tiere in Aufruhr versetzt. In Aufruhr waren auch die Menschen als die Erscheinung am Horizont verschwunden war; sie glauben es sein ein Zeichen Gottes, unseres Herrn, dass schlimme Zeiten bevorstünden. Sie sehen bang und voll Sorge der Zukunft entgegen …“ (Aus den Annalen des Klosters St. Dennis) Derartige Himmelserscheinungen – es handelte sich wohl um einen kleinere Meteor, der weiter im Westen im Atlantik verschwand – versetzten die tiefreligiösen und zugleich tief abergläubischen Menschen – wo ist die Grenze zwischen beidem? Eine Frage die schon aufs ausführlichste und vortrefflichste bei Äketirreh und Retzek (1538) diskutiert wird – in Aufregung, Unruhe und Panik. Meist wurden diese Dinge als schlechtes Omen, als Ankündigung von Katastrophen die kommen Mögen gewertet. Und die Menschen sahen sich in diesem glauben bestätigt, als zum Weihnachtsfest des gleichen Jahres die Portugiesen und das gesamte Bündnis (außer Frankreich noch Wales und Genua) der iberischen Allianz aus Spanien und Aragon den Krieg erklärte. Krieg war für das Volk immer von Übel, das Unglück folgte schnell auf das Vorzeichen.

Oder kündigte das Omen mehr vom Verlauf und Ende des Krieges, als dessen Beginn? Ob der Krieg einen glücklichen oder unglücklichen Verlauf nahm beschäftigt uns auf den folgenden Seiten.

Oliver Guinnes
07.01.03, 18:31
* Die Verwendung des Begriffs ‚Kolonialkriege’ oder auch ‚Epoche der Kolonialkriege’ ist wie andere unsere Begrifflichkeiten umstritten. Die konventionelle Lehrmeinung wendet ein, dass dies originäre europäische Kriege waren; so gut wie kein Franzose musste in den Kolonien kämpfen, sieht man von dem Kampf mit unwirtlichen Wetter und gegen unfreundliche Eingeborene ab. Wir denken jedoch, dass trotz dieser Tatsache der Begriff Kolonialkrieg für die meisten in diesem Kapitel diskutierten Auseinandersetzungen die richtige Terminologie ist denn es ging vor allem um die Vorherrschaft in den Kolonialgebieten. Die Kriege sollte die Frage beantworten welches Reich das erste unter den Kolonialmächten sei: Spanien, England, Portugal oder eben Frankreich? Es waren also nicht Kriege in den Kolonien sondern um Kolonien und Kolonisationsmöglichkeiten und dies rechtfertigt unsere Ansicht nach die Verwendung des Begriffs‚ Kolonialkrieg’. Sie auch Olivèr (1918), Olivèr, Witt (1919) oder Witt (1911)

Oliver Guinnes
07.01.03, 18:34
III.i: Die Kolonialkriege - Der iberische

„… Charles und Lascaux hatten also endlich den Krieg den sie wollten. Sie konnten nun die Bedrohung aus dem Süden bekämpfen bevor die Spanier so stark waren, dass sie Frankreich und sein Bündnis besiegen könnten. Oder war dieser Punkt schon überschritten? ...“ Mit diesen Worten beschlossen wir das Kapitel II.ii über die Außenpolitik in der großen Friedensepoche. Nun wollen wir sehen ob der König und sein Minister auch ihre Ziele erreichen konnten.

Da der Krieg aus der wachsenden kolonialen Rivalität zwischen Spanien auf der einen sowie Portugal und Frankreich auf der anderen Seite entstanden war lagen die Hauptkriegsziele auch im Kolonialbereich: Verhinderung eines spanischen Kolonialreiches, Reduktion sämtlicher spanischen Ressourcen, die die Kolonisierung unterstützen könnten, Eröffnung der spanischen Kolonialoptionen für Frankreich – sprich Aneignung des spanischen Kartenmaterials – und darüber hinaus die generelle Schwächung Spaniens.

Aus diesen geopolitischen strategischen Zielen folgte unabdingbar, dass Spaniens Hauptstadt Madrid zu erobern war, denn nur dort würden Charles’ Männer Zugang zu den spanischen Karten, Kartographen und Expeditionslogbüchern erhalten. Für die Eroberung Madrids gab es zwei militärische Strategien zwischen denen sich die französischen Generäle zu entscheiden hätten: Zum einen konnte versucht werden mit einem großen Heer – oder auch mit zweien in einer Zangebewegung was das anbelangt – auf Madrid zuzumarschieren um dieses nach kurzer und heftiger Belagerung zu erstürmen, dann das Kartenmaterial sichern und einen schnellen Frieden zu schließen. Zum anderen könnten die Franzosen versuchen eine Provinz nach der anderen den Spaniern und Aragonesen abzunehmen, bis alles zwischen Madrid und Frankreich in französischer Hand wäre um dann nach ausgiebiger Belagerung zu warten bis Madrid wie ein reifer Apfel in Charles’ Schoß viele.

Die erste Strategie würde zu einem schnellen Kriegsende und damit zu einer Schonung von Ressourcen einschließlich Menschleben führen; sie war jedoch auch sehr risikoreich. Zwar wären die französischen Heere ohne weiteres in der Lage alles was ihnen die Iberer entgegen werfen konnten niederzuwalzen, jedoch wäre Madrid nicht leicht zu erstürmen, und bei einer Belagerung der Stadt hätte das französischen Heere hohe Verluste auf Grund der abgeschnitten Versorgungslinien zu erleiden. Ein Erfolg war nicht unmöglich – und würde als kühner, heldenhafter Plan in die Militärgeschichte eingehen – aber unwahrscheinlich – und würde im Falle der Niederlage die Feldherren dumm und töricht aussehen lassen.

Die zweite Strategie würde viel Zeit und Ressourcen beanspruche, letztere vielleicht gar erschöpfen. Denn obwohl das französische Heer dem spanischen überlegen war, würde es lange dauern bis die zahlreichen spanischen (und aragonesischen) Städte zwischen Frankreich und Madrid erobert waren. Frankreich würde wohl mit drei Heeren operieren, von denen zwei die verschiedenen Städte belagern würden während das dritte versuchen würde feindliche Heere zu stellen und zu schlagen. Da die Belagerung einer Stadt – auch bei Stürmung wenn sich eine geeignete Gelegenheit ergab – gut und gerne ein Jahr dauerte, würde es drei, vier, fünf Jahr dauern um Madrid zu erreichen. Obwohl auch gelegentliche Niederlagen zu erwarten waren, war diese Strategie wesentlich sicherer, da die Versorgungslinien immer gesichert wären und jederzeit ein sicheres Rückzugsgebiet bereitstand. Zudem würde mit jeder Provinz die an Frankreich viel dessen Verhandlungsposition in den allfälligen Friedensverhandlungen gestärkt und gleichzeitig Spanien geschwächt wenn seine Provinzen durch die französischen Soldaten geplündert und erobert würden.

Beide Strategien musste darauf verzichten den Krieg in die spanischen Kolonien zu tragen, denn dies war unmöglich, da der Zugang zu diesen noch ein spanisches Geheimnis war. Zugleich fehlte es aber immer noch an einer adäquaten französischen Flotte, so dass es auch bei Kenntnis des Seeweges zu den spanischen Kolonien kaum möglich gewesen wäre hier Truppen anzulanden.

Frankreichs Generäle setzten auf die zweite Strategie, das langsame aber beständige Niederringen der Iberer. Da bei sollte zunächst Aragon bezwungen werden, da das neutrale Navarra den direkten Weg nach Spanien versperrte.

Bernadotte
07.01.03, 22:12
Sehr verehrter Herr, die Geschichte Eures Reiches ist Uns recht zu Herzen gegangen, in einer einzigen Nacht haben wir sämtliche der von Euch angeführten Literatur verschlungen. Mit besonderem Interesse haben wir dabei den Beitrag des Mönches Mos Talir über "Die Pest und das Volksgemüt" zur Kenntnis genommen. Ein wahrlich vortreffliches Werk!!! Wir wünschen sehr, weiteres von Euch zu hören.

JBB, Carl XIV Johan, KvS

Oliver Guinnes
08.01.03, 09:49
Habt Dank für Euer Lob. Wir werden Uns mühen Euch weiterhin zufrieden zu stellen.



:drink:

P.s.: Ihr hab ein kleine Vertipper in Eurem Text. Der Author heißt Mor Talis.

L. de Medici
12.01.03, 20:33
@ Oliver Guinnes

Bisher schreckte ich ein wenig vor dem langen Thread zurück, doch - einmal angefangen - las ich ihn mit Vergnügen im Ganzen. Als historisch leicht "belasteter" Mensch bin ich von euren Schilderungen äußerst angetan. Ihr erwecktet Lust, wieder etwas über den deutschen Horizont zu lugen. ;)

Zugegebenermaßen beschränke ich mich bereits seit Zeiten EU1`s auf das Lesen im Forum, aber eurer AAR verleitete mich doch zu diesen Zeilen. Ich wäre hocherfreut weitere Zeilen (inklusve aller "Abschweifungen") zu lesen.

Oliver Guinnes
13.01.03, 09:40
Seid bedankt für Eure warmen Worte. Wir wollen sehen was sich machen lässt, da Wir zur Zeit beruflich rech eingespannt sind.

Ja lang ist's geworden; wohl ein Anfängerfehler.

:drink:

dre van kempen
07.03.03, 14:39
Originally posted by Oliver Guinnes
Angesichts dieses drohenden Konfliktes war eine weitere Stärkung Frankreichs von höchster Wichtigkeit. Eine solche Stärkung Widerfuhr der Reich im Jahre 1476 gänzlich unerwartet:
„Werter Baron,
die burgundischen Edelmänner empfingen Uns wesentlich freundlicher als Ihr, Wir oder auch der König es erwartet hatten. Sie scheinen die alte Feindschaft zwischen unseren Reichen vergessen zu haben oder nur aus den Erzählungen ihrer Väter zu kennen. Es könnte auch einfacher sein und sie sind nur den Verlockungen des versprochenen Landes und der zukünftigen Titel erlegen.
In den ersten Gesprächen mit den wichtigsten Adligen zeigte sich schnell, dass sie wohl keinen der ihren zum Herzog machen wollten; sie haben wohl erkannt, dass sie alleine nicht lange überleben würden und zwischen uns und dem Kaiser schnell aufgerieben sein würden. Zwar taten sie noch so, als ob Jaques d’Dóle tatsächlich seine Rechte auf das Herzogtum geltend machen wollte, aber dies schien nur dem Zweck zu dienen, den Preis den wir oder die Habsburger zahlen sollen nach oben zu treiben.
Wir haben zweifaches Glück, nicht nur dass der König durch die vergangnen Eroberungen viel Land zu vergeben hat, sondern wir habe auch Maximilian zu danken. Er gibt sich, als sei dies schon sein Land. Mit ihrem arroganten Auftreten haben die Habsburger die meisten der burgundischen Edelleute gegen sich aufgebracht; sie werden zwar weiter miteinander verhandeln aber nur um ein Druckmittel gegen uns zu haben. Wir hoffen Euch und dem König bald die Nachricht zu kommen lassen zu können, dass sich Burgund Frankreich angeschlossen hat. …“ (Aus einer Depesche von David de Senlis, Gesandter in Dijon, an den Ersten Minister Frankreichs, Pierre de Lascaux, im Mai 1476).

Und tatsächlich, einige Tage später, konnte David de Senlis – der dritte Sohn des Ebers, nicht zu verwechseln mit diesem, seinem Vater Villeroy, oder seinem großen Bruder Phillip, die beide eher Gegenspieler denn treue Untertanen Ihres Königs waren – nach Paris berichten, dass der burgundische Adel sich dafür entschieden hatte das einst glorreiche Herzogtum mit seinen kümmerlichen Resten Teil Frankreichs werden zu lassen. Im Juli reiste Luis nach Dijon, um die Huldigungen seiner neuen Untertanen entgegen zunehmen.

So freudig das Ereignis an sich war, so ärgerlich war es auch bei einer gewissen Betrachtungsweise. Wie viele Franzosen waren gestorben um den Burgundern Land abzuringen? Wie stark hatte die Reputation des Reiches gelitten, bei der Eingliederung von (niederländischen) Provinzen und Kleinstaaten, die heute als legitimer Bestandteil Frankreichs gelten würde. Hätten die Könige Frankreichs vorhersehen können, dass die Heirat zweier unbedeutender Adelskinder im Jahre 1419, die einzig und allein den Zweck hatte den damaligen Friedensschluss zu besiegeln, zu einer friedlichen Vereinigung der beiden Reiche führen würde? Wie viele französische Leben wären nicht auf den Schlachtfeldern beendet worden, und um wie vieles besser wäre Frankreichs Reputation?

Ungeachtet dieser Geschehnisse wuchsen die Spannungen zwischen Frankreich und seine südlichen Nachbarn beständig, und dies obwohl sich Luis XI und sein Erster Minister Pierre de Lascaux sich ständig um Verbesserungen bemühten. Lascaux kam Ende der 70er wohl zu der Erkenntnis, dass ein Konflikt, ein militärischer Konflikt, unausweichlich war, daher wollte er das Land in jeder Hinsicht auf einen Krieg mit den mächtigen Nachbarn im Süden vorbereiten – diplomatisch, wirtschaftlich und militärisch. Luis XI sah sich jedoch eher als Friedensfürst, und hatte für diesbezügliche Vorschläge seines engsten Vertrauten und Ersten Ministers kein offenes Ohr. Luis’ Sohn Charles VIII, der 1483 auf den Thron kam, sah ebenso wie Lascaux, den er als Ersten Minister behielt, die Notwendigkeit der Eindämmung der iberischen Mächte. So begannen beide das Land auf Krieg vorzubereiten.

Die Vorbereitung für den Krieg, sollte langsam und unauffällig voran gehen, so dass die Spanier keinen Verdacht schöpften, außerdem bedurfte auch die diplomatische Absicherung des Vorhabens einige Zeit. Zumal Charles nicht als Aggressor auftreten wollte, so dass die Iberer in den Krieg gezogen werden sollten, ohne dass diese es merkten, ja am besten sollten sie selbst den Krieg erklären, oder zumindest einen Kriegsgrund liefern.

Jedoch gerieten Charles und Lascaux unter Druck, als die Spanier 1486 begannen, einen Mann Namens Christoph Columbus unterstützte. Diesem Abenteurer gelang es auch für die Spanier einen Weg nach Amerika zu erkunden. Nun begannen auch sie ein Kolonialreich aufzubauen, was sie stärkte würde aber auch in Konkurrenz zu den Portugiesen brachte. Die Spannungen zwischen den beiden Bündnissen stiegen. 1490 kam es zum wechselseitigen Austausch von Beleidigungen und Frankreich verlangte mehr Freiheiten für die Franzosen in Roussillion.

Für die Eskalation der Beziehungen und den tatsächlichen Ausbruch des Krieges, war aber letztlich die Konkurrenz Spaniens und Portugals in Amerika verantwortlich.
„24 Dezember 1492
Wir waren alle erstaunt als heute plötzlich eine Sitzung des Kronrates einberufen wurde. Da auch die anderen Mitglieder nichts wussten, befürchtete ich, dass dem König etwas zugestoßen sei; groß war meine Erleichterung, als ich ihn in der Ratskammer im Gespräch mit Lascaux, dem alten Fuchs, versunken sah. Es war eine der merkwürdigsten und auch überflüssigsten Treffen, die ich bisher erlebt habe, seit ich vor fünfzehn Jahren dazu stieß.
Als alle anwesend waren – Jean de Flavy erschien wie immer zu spät – eröffnete Lascaux die Sitzung; er erklärte Spanien hätte vor einer Woche Portugal den Krieg erklärt; die Ehre geböte es, unserem Verbündeten beizustehen; die Staatsehe mit Spanien sei aufzulösen; die Armeen habe schon ihre Marschbefehle; die Kriegsziele und –führung könne man auch nach dem Fest diskutieren, daher sei die Sitzung, wenn es keine Fragen gäbe, beendet.
Wenn er und der König schon alles beschlossen haben, warum rufen sie uns dann so plötzlich zusammen? Warum mussten die Mitglieder des Kronrates teilweise so weit reisen, obwohl es überhaupt nichts mehr zu beraten gab. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn ich Herzog von Burgund geworden wäre, dann würde ich Leute zu unnötigen Sitzungen holen und nicht von anderen geholt werden.“
(Aus dem Tagebuch von Jaques d’Dole, Mitglied des Kronrates)

Charles und Lascaux hatten also endlich den Krieg den sie wollten. Sie konnten nun die Bedrohung aus dem Süden bekämpfen bevor die Spanier so stark waren, dass sie Frankreich und sein Bündnis besiegen könnten. Oder war dieser Punkt schon überschritten? Den Verlauf des Iberischen Krieges werden wir später in Kapitel III genauer betrachten. Zunächst aber ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs.
Wen man Dieser conflickt tatsechlich spield mues man eigentlich den Spanische befehlsfuerer DON PONCHE D'LEON extra befuegnisse geben oder punckte eben so wie Das spiel es erlaubt
Es gibt ein buch Das die letste tagen Des koenigreichs Granada
beschreibt und Die Castilianische(Haubtsaechlig) Cabitanos oder
befehlsfuerer werden dahrin gut beschrieben.
Das buch heist Die Pforte Des Gneadigen von Ben IJsselsteien
Zu kaufen waehre Es (Fuerchte Ich) nur in Holland,op Es Ein
Deutsche fassung gibt weis Ich nicht .
Aber Ich kuente Ein kurze zusamenfaessung schreiben wen es
interressenten gibt.http://

Basileios II
07.03.03, 14:56
Sagt Herr, schreibt Ihr irgendwann an diesem hervorragenden AAR weiter? *bittebitte*

General wallenstein
07.03.03, 18:56
Sagt Herr, schreibt Ihr irgendwann an diesem hervorragenden AAR weiter? *bittebitte*

dito!!!

Wann geht es weiter???

Oliver Guinnes
10.03.03, 19:41
Werte Herren,

Ihr tut wohl daran Uns zu ermahnen, Unser Geschreibsel fortzusetzen, zumal Wir ja selbst durch das Forum ziehen und andere Regenten auffordern Ihre Berichte, wenn nicht zu vollenden, so doch wenigstens fortzuführen. Ihr habt also Recht, Wir sollten weitermachen. Wir wollen dies auch.

Jedoch gibt es zur Zeit einen garstigen alten Mann, genannt 'Chef', der Uns mit Aufträgen und Projekten überhäuft, auf dass Wir keine freie Zeit mehr haben. Was treibt diesen Menschen, dass er es Uns nicht gönnt genug freie Zeit zu haben um hier in diesen Hallen Unseren Bericht forführen zu können?

Es ist zwar nicht so, dass Wir nun gar keinen freien Augenblick mehr hätten, jedoch müssen Wir Uns auch gelegentlich erholen und auch will die Frau an Unsere Seite ein wenig Zeit mit Uns verbringen. Ihr seht nach diesen vielen Worten, dass Wir im Augenblick nicht die Zeit und Ruhe finden den Bericht ordentlich forzusetzen. Wir hoffen jedoch Euch Ostern über das Wohl und Wehe Frankreichs und vor allem den Fortgang des iberischen Krieges berichten zu können. Vorausgesetzt der Auftrag den Uns der alte, garstige Mann gab und den er bis Ende April erledigt wünscht, ist dann soweit forgeschritten, dass Wir Uns in Ruhe dem Bericht widmen können.

:drink:

Ender
27.03.03, 10:09
Ojeee, werter Guinness,

bis Ostern warten....:(

Da Ihr ein treuer Leser meines AAR seid, habe ich mir gedacht, was Ihr da so nierderschreiben möget......?

Nachdem ich (ohne die Zwischenkommentare) 56 !!! Seiten ausgedruckt hatte, setzte ich mich in meinen alten Ohrensessel in meiner Bibliothek an den Kamin, nahm meine Pfeife und studierte die Entwicklung eines Reiches, das ich doch in meiner "Welt" so gut wie vernichtet hatte. :rolleyes:

Ich möchte mich hiermit vor Euch verbeugen. Ich habe vieles gelernt (nicht nur über literarische Ergüsse).

Ich bin ganz gespannt, ob der Krieg gegen Spanien erfolgreich verlaufen ist.

Könntet Ihr vielleicht ein paar Karten mit beisteuern? Ich stelle auch gern eine Hompage zur Verfügung. Ihr müßt mir nur die Bilder mailen....

Hochachtungsvoll....


P.s. Vielleicht lasse ich ja noch ein paar französiche Provinzen, Euch zu Ehren, übrig...:D

Oliver Guinnes
21.04.03, 16:44
Verzeiht Edler Herren,

die Ihr Uns mit so freundlichen Worten überhäuft habt, dass Wir Euch enttäuschen müssen und Uns nicht in der Lage sehen, den Bericht dieser Tage fortzusetzen - der Familienpflichten und auch der Arbeit war zu viel, so dass Wir kein Wort schreiben konnten - zumindest nicht über den Fortgang der Geschehnisse in Frankreich.

Wir wollen an Unserem Bericht weiter schreiben. Wir wissen nur nicht wann Wir dazu Gelegenheit haben werden. Wir wollen auch kein Datum, das Wir dann doch nicht einhalten, angeben. Aber habt Geduld. Wir werden schon noch Zeit finden.

:drink:

Ender
22.04.03, 09:29
Vernehmet unser Verständnis werter Oliver,

denn auch wir hatten trotz einer Woche Urlaub plus Osterfeiertage weder Zeit zur Fortführung unserer Politik noch zur Niederschreibung der Selbigen. :confused:

Also bis zum nächsten mal in dieser Chronik....;)

Hochachtungsvoll

Jens von Schwarzburg
21.05.03, 15:52
lange hats gedauert alles zu lesen aber es hat sich gelohnt!
respekt! ;) :tongue: :D :prost:

rappodon
23.06.03, 12:52
Nun wertrt Olli! Es ist lange Zeit verstrichen, da irh das letzte mal meintet, der Bericht wird fortgeführt.

Es würde mich wahrlich freuen, wenn ihr Euer vorhaben doch noch weiter führt!

in Ehrfurcht,

DoN

Oliver Guinnes
23.06.03, 12:54
Werter rappodon,

Wir wissen, dass Wir im Worte stehen, Wir wissen jedoch nicht wann Wir es einlösen werden können ...

:drink:

Oliver Guinnes
03.10.03, 14:33
„Geliebter Sohn,

wie geht es Dir? Wie steht es um Unsere Güter? Wie kommen unser Vieh und unsere Bauern durch den Winter? Ich weiß, dass die Leitung unserer Güter für Dich ein wenig früh kommt, jedoch fordert der Stand und die Stellung unserer Familie im Reiche, dass wir unserem König dienen, wie wir es schon tun seit unsere Vorfahren im Gefolge Chlodwig an die Sarthe zogen – also ist mein Platz hier im Roussillon zumal dies französischer Boden ist, den sich einst dieser aufgeblasene Graf von Barcelona, dessen Familie sich nun die Könige von Aragon nennen, gegen alles Recht aneignete.
Ich weiß nicht was an Nachrichten vom Kriege zu Euch in Alencon gedrungen ist, so will ich Dir kurz berichten damit Du auch Deine Mutter in Kenntnis setzen kannst.
Wir gelangten Anfang Februar ins Roussillon; es gab dort ein kleines Heer der Iberer welches wir aber innerhalb der nächsten zwei Wochen aufrieben. Sie hatten kaum eine Chance gegen uns. Unsere Waffen sind viel moderner als die ihren; ihr Einsatz vewirrt und erschreckt sie; sie sehen ihre Nebenmänner fallen wenn sie noch weite Strecken zurücklegen müssen um uns in ihre Reichweite zu bekommen. Wir nahmen dann sogleich mit dem Heer die Belagerung von Perpignan auf. Während dessen zogen zwei weitere Heere – unter Foix und la Palice – über die Pyrenäen. Dies muss sehr beschwerlich gewesen sein denn das Gebirge ist hoch und jetzt im Winter sind wohl nicht nur die Gipfel sondern auch die Pässe mit Schnee bedeckt. Wie dem auch sei, beide erreichten Ihre Ziele – Gerona und Catalonia - und vernichteten die dort auf sie wartenden Heere der Aragonesen, so dass nun drei ihrer Städte unter der Belagerung unserer Heere sind. Wir werden für unseren König siegen!
Falls Du Fragen wegen der Führung unsrer Güter hast - bald kommt ja schon das Frühjahr und es wird viel zu tun geben - so schreib mir doch. Wir werden noch eine lange Zeit hier vor Perpignan liegen, denn, wie Du sicherlich weißt, dauert solch eine Belagerung recht lang.
Ich will jetzt schließen. Ich habe den Auftrag erhalten von meinen Männern Mingengänge graben zu lassen. Dies ist eine Aufgabe die sorgfältig verrichtet werden muss, ansonsten schadet es uns mehr als denen, daher muss ich recht häufig und sehr genau den Fortgang der Arbeiten kontrollieren.

Mache es also gut mein Sohn. Ich habe größtes Vertrauen in Dich. Unserer Güter werden unter Deiner Leitung erblühen. Grüße auch Deine Mutter recht herzlich von mir.

28. des Aprils im Jahre anno domini 1492 bei Perpignan

Philibert d’Alencon“
(Aus einem Brief Philibert d’Alencon an seine Sohn Dagobert)

Dieser Brief macht genauso wie das Kapitel II deutlich, dass der Kriegsausbruch zwar plötzlich kam, aber Frankreich nicht unvorbereitet traf. Es gelang innerhalb von zweieinhalb Monaten drei starke Heere in Feindesland zu führen und ebendort drei wichtige Städte unter Belagerung zu nehmen. Die aragonesischen Truppen waren den französischen Truppen nicht nur in Zahl sondern auch und vor allem technologisch unterlegen. Daher kam Charles der Krieg entegegen, auch wenn er den Zeitpunkt lieber selbst gewählt hätte; dennoch schien sich alles nach Wunsch zu entwickeln. Die Feldherren besiegten schnell und leicht die Arogonesen – es war also die zweite Strategie gewählt worden – vielleicht zu leicht und zu schnell, denn ein Treffen mit den Heeren der Spanier stand noch aus.

Dieses Treffen mit den Spaniern folgt bald, und ging verloren, mehrfach. Zunächst wurden die französischen Truppen im Juni 1492 aus Gerona vertrieben andere in Bearn vernichtet. Jedoch war die spanische Heeresführung unentschlossen; die Belagerung Bearns wurde immer wieder unterbrochen und es stand zu befürchten, dass die Iberer nun ins Herzen Frankreichs vorstoßen wollten, um nach ein oder zwei Wochen mit denselben Truppen die Belagerung wieder aufzunehmen. Durch diese Unetschlossenheit ging ein erheblicher Vorteil der Spanier verloren.

Während desen verhielt sich das Kriegsglück weiterhin wechselhaft; jedoch gelang es Charles’ Truppen langasm aber sicher die Oberhand zu gewinnen. Der Lange und erfolgreiche wirtschaftliche Aufbau des Reiches hatte dazugeführt, dass es, zumindest im Vergleich mit den Iberern, Frankreich möglich war leicht relativ große Heere auszuheben und aufzustellen. Zusammen mit der überlegenen Technik führte dies dazu, das bald die meisten aragonesischen Städten – einschließlich der italienischen Besitzungen – belagert wurden. Ab dem Beginn des Jahres 1493 begannen die aragonesischen Städte in rascher Reihenfolge zu fallen – angefangen mit der Kapitulation Geronas am Januar 24, 1493.

Schon am 19. März 1493 willigte der aragonesische König, der mittlerweile Gefangener von Foix war, ein die Provinzen Messina, Gerona und Rousillon an Frankreich abzutreten. Damit war der erste Kreigsgegner ausgeschaltet, wesentlich schneller als erwartet. Der Kriegsplan schien erfolgreich zu verlaufen, denn nun konnte Frankreich sämtliche Kräfte auf den verbleibenden und mit Portugal beschäftigten Kriegsgegner Spaninen konzentrieren. Die französischen Truppen bewegten sich direkt von aragonesischen Boden nach Spanien. Die zweite Phase des Krieges hatte begonnen.

In dieser sollte Frankreich neue Unterstützung begonnen. Im Frieden mit Aragon hatte Charles drei Provinzen erhalten. Er wollte jedoch nur eine seinem Reich hinzufügen – Roussillon von dem die französichen Köinge seit Jahrhunderten behaupteten es gehöre zu Frankreich, was juristisch aber falsch war (siehe Box III.i). Wie auch immer dies Provinz behielt Charles, entließ aber Gerona und Messina jeweils unter der Führung eines lokalen Adligen, der zuvor gewisse Sympathie für Frankreich gezeitigt hatte, als Grafschaft Katlonien und Königreich Sizilien in die beschränkte Freiheit eines Vasallen. Diese Ein-Provinz-Zwerg-Staaten waren natürlich allein nicht überlebensfähig, so dass sie Schutz im Bündnis mit dem starken Frankreich und ebenfalls nicht schwachen Portugal suchten und fanden.

Augustus Rex
03.10.03, 14:52
Aah, der Chronist lebt! Vortrefflich, wie immer, edler Oliver!

Oliver Guinnes
03.10.03, 17:35
Habt Dank werter Augustus; diesmal wollen Wir Euch nicht so lange auf die Fortsetzung warten lassen ...

:drink:

Basileios II
03.10.03, 19:39
Hurra, hurra, er ist wieder da! Vortrefflich, werter Guinness, wiedermal eine schöne weiterführung Eurer grandiosen Geschichte. Ich harre schon gespannt des Halloween-Specials.:)

P.S. Klonialkrieg?:D

Oliver Guinnes
03.10.03, 22:51
Originally posted by Basileios II
Hurra, hurra, er ist wieder da! Vortrefflich, werter Guinness, wiedermal eine schöne weiterführung Eurer grandiosen Geschichte. Ich harre schon gespannt des Halloween-Specials.:)

P.S. Klonialkrieg?:D

Habt Dank für Euer Lob, edler Byzantiner. Zu Unserer Version des Angriffs der Klon(ial)krieger hat Uns aller Wahrscheinlichkeit nach Euer neuer Avartar inspiriert :D.

:drink:

Oliver Guinnes
05.10.03, 14:33
Box III.i: Der Anspruch auf Roussillon*

Es war relativ unstrittig, dass das Roussillon mit seiner Hauptstadt Perpignan zu den Landstrichen gehörte bei denen es recht erstrebenswert war sie zu besitzen, jedoch war es wohl strittig, ob Frankreich überhaupt einen Anspruch auf diesen Landstrich hatte. Weit im Südwesten gelegen mit fruchtbaren Böden und viel Sonne war dies eine der reichsten Wein produzierenden Provinzen in Europa, die sich die Könige von Frankreich schon lange in ihrem Besitz wünschten, zumal dies die Grenzen Frankreichs an die Pyrinäen verlegen würde, die so zukünftig einen natürlichen Schutzwall gegen die Iberer darstellen würden. Aber hatten Frankreichs Herrscher, oder genauer Charles überhaupt einen Anspruch auf diese Provinz?

Charles und viele seiner Vorgänger glaubten dies oder behaupten dies zumindest seit Jahrhunderten. Aber wie sah dies in Wirklichkeit aus? Der Name Roussillon stammt von einem Versammlungsplatz (Ruscino, Rosceliona, Feste Rossello) unweit der jetzigen Hauptstadt Perpignan. An diesem Ort hatten sich die lokalen Häuplinge getroffen um zu beraten, unter anderem ob sie Hannibal gegen die Römer unterstützen sollten. Dies wäre nicht überrachend gewesen, da die Provinz anfänglich von Iberien aus besiedelt wurde, das ja zu diesem Zeitpunkt in kartagischer Hand war. Später, im 3. Jahrhundert vor Christus kamen Gallier dazu und übernahmen langsam die Heerschaft, die sie jedoch schon im 2. Jahrhundert vor Christus an die Römer abgeben mussten. In den Jahrhunderten seit dem Untergang des Römischen Reiches hatte das Roussillon viele Besitzer gesehen: Westgoten, Araber, Aquitanien, Franken sowie diverse regionale Adlige nach Zusammenbruch der karlonigischen Herrschaft. Schließlich viel es zusammen mit dem Langudoc an die Grafen von Toulouse. Als der letzte diesr Grafen schließlich verstarb und die Erbfolge ungeklärt war teilten sich die Grafen von Barcelona und die Heerscher des Westfränkischen Reiches nach langem Ringen um den Besitz des Hauses Toulouse diesen, wie wir ja schon im ersten Band ausgeführt haben. Im Vertrag von Corbeil legten der Graf von Barcelona und Louis IX im Jahre 1258 fest, dass das Westfränkische Reich das Langudoc und die Grafen von Barcelona das Rousillon erhielten.

Dies passte auch. Durch seine Vergangenheit war es den Provinzen Kataloniens - über die die Grafen von Barcelona heerschtren - weitaus ähnlicher als denen Frankreichs. Ihre Sprache war ein Dialekt, der in Barcelona oder Gerona weitaus besser verstanden worden wurde als etwa in Paris oder Reims. Die Wirtschaft war weitaus mehr mit Iberien, denn mit dem vormaligen Gallien verflochten und die Heerscher des Westfränkischen Reiches oder später Frankreichs waren für die Einwohnern von Carcassonne, Perpignan oder Port Vendres fast genauso fremd wie einst ihre moslemischen Herren. Damit gehörte das Roussillon legitimerweise und juristisch einwandfrei den Grafen von Barcelona aus denen später nachdem sie einen ärmlichen Landstrich namens Aragon geerbt hatten die Könige von eben diesen Aragon wurden.

Louis der IX hatte also jeden Anspruch auf Roussillon an die späteren Könige von Aragon abgetreten. Seine Nachfahren bereuten dies relativ schnell. Roussillon war reich und es lag nordöstlich der Pyrinäen und war somit ein Einfallstor für die Iberer in den Süden des Reichs, was eine beständige Bedrohung für die westfränkischen und später französischen Heerscher darstellte. Es gab also genügend Gründe warum sie diese Provinz in ihren Händen haben wollten. Aber wie sollte dies geschehen, ohne legitimen Anspruch? Sie wollten dies Problem umgehen indem sie versuchten, sich diesen Anspruch zu verschaffen. Seit etwa Mitte des vierzehnten Jahrhunderts ließen sie auf jeden Vertrag mit anderen Königs- und Fürstenhäusern neben ihren herkömmlichen Titel auch den des Grafen von Roussillon setzen. Implizit wurde so jeder Friedenschluss, Bündnisvereinbarung, arrangierte Hochzeit oder auch Handelsvertrag mit irgendwelchen Heerscherhäusern zu einer Bestätigung und Anerkennung des Anspruchs auf diese Provinz. Dies war ein recht gewitztes Vorgehen, denn die implizite Anerkennung eines Anspruchs auf eine ferne Provinz von der die betreffenden Herrscher nicht mal wussten, dass die Könige mit denen sie gerade einen Vertrag schlossen keine Anspruch hatten, brauchte auch nicht durch Zugeständnisse erkauft zu werden.

Somit hatten die französichen Herrscher einen mehr oder weniger legitimen Anspruch af die Provinz erworben. Diesen Anspruch suchte Charles VIII jetzt auch im Frieden mit den Königen von Aragon, oder, wie es Philibert d’Alencon formulierte, den aufgeblasenen Grafen von Bacelona, durchzusetzen und bestand auf die Abtretung dieser Provinz – und erhielt sie im Frieden von Perpignan.

Oliver Guinnes
05.10.03, 14:38
* Denjenigen Lesern, die sich weitergehend für die Geschichte des Roussillion interssieren, sei für einen ersten Einstieg wie so oft der entsprechende Eintrag in der Encyclopaedia Catholica empfohlen. Weiterführend ist die endlich auch übersetzte Regionalgeschichte Sergi Villas (katalanisch 1871, übersetzt 1901) zu empfehlen.

Oliver Guinnes
05.10.03, 14:39
Nachdem Aragon aslo so reduziert worden war ging es nun gegen den eigentlichen Feind: Spanien. Aus drei Richtungen brachen drei Heere Richtung Madrid auf, schlugen das dortige Heer und begannen mit der langwierigen Belagerung der Hauptstadt Spaniens. Diese Begann am 30. April des Jahres 1493. Auf diese Belagerung konzentrierten die Feldherren Frankreichs ihre Bemühungen; die Haupstadt des Feindes sollte so rasch als möglich fallen, um zum einen and die Kenntnisse der Spanier über die Welt zu kommen und um schnell einen Frieden – mit Frankreich als Sieger – verhandeln zu können. Der Hauptzweck des Krieges wäre ja erreicht gewesen, sobald die spanischen Karten in französischen Besitzt gewesen wären. Jedoch am 21 August desselben Jahres geschah etwas so ungehöriges, einmaliges, dass Charles gezwungen war Spanien weitaus mehr niederzuringen als er es geplant hatte.

Oliver Guinnes
11.10.03, 12:21
„Mein König,
Ihr müsst maßlos entäuscht von mir sein. Entweder Ihr denkt ich war so blind und habe die Dinge nicht kommen sehen oder – was schlimmer wäre – ich sah sie kommen und habe nichts dagegen unternommen und Euch vor allem nicht unterrichtet. Wie Ihr Euch auch entscheiden werdet mich zu sehen, so ist doch offensichtlich, dass Ihr kein Vertrauen mehr in mich haben könnt.
Ich schäme mich dafür, dass ich Euch so jämmerlich im Stich ließ und durch meine Nachlässigkeit Eure Kriegsanstrengungen nachhaltig beschädigt habe. Ich fürchte, dass diese Ereignisse wohl gar der Zukunft Frankreichs langfristig schaden werden und all unsere, von Euch und mir in langen Nächten ersonnen, Pläne für das Wohl und den Ruhm Eures Reiches zu nichte machen werden.
Ich bitte Euch daher mich vom Amt Eures Ersten Ministers zu entbinden, und die damit verbundenen Aufgaben in vielleicht jüngere aber vor allem fähigere Hände zu legen.

In Demut Euer unwürdiger Diener,
Pierre de Lascaux“
(Aus einem Brief des ersten Ministers Baron Pierre de Lascaux an seinen König Charles VIII im September des Jahres 1493)

Was hatte Lascaux veranlasst einen derartig dramatisierenden Brief an Charles zu richten und gar seine Ablösung zu verlangen insbesondere da der Baron, wie wir aus anderen Quellen sicher wissen, sein Amt, das damit verbundene Prestige und natürlich auch die Macht, genoss? Was konnte so einen machtbewussten Mann dazu veranlassen um die Abgabe dieser Macht zu bitten?

Am 21. März des Jahres 1493 wählten die Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation das spanische Heerscherpaar auf den Kaiserthron. Offiziell war natürlich nur Ferdinand Kaiser, aber Isabell – seine recht dominate Mitregentin – ließ keinen Zweifel daran, dass dort wo Ferdinand regiert (auch?) sie das Sagen hatte. Dieses Ereignis war für den französischen Hof, was eben auch Lascaux einschließt, vollkommen überraschend gekommen. Alle Welt hatte damit gerechnet, dass das Haus Habsburg mit Maximilian erneut den Kaiser stellen würde, zumal die Habsburger alles daransetzten wieder auf den Thron zu gelangen, denn sie hatten mit dem Titel bisher sehr gute Erfahrungen gemacht: Die habsburgischen Erblande waren beständig durch frei werdende Lehen gewachsen, die sie sich Dank der Vorrechte des Kaisers sicherten und gelegentlich ließen sich gar die Fürsten und das Reichsheer für habsburgische Interessen einspannen. Aber genau dies war es was die Kurfürsten von der erneuten Wahl eines Habsburgers absehen ließ – sie waren zu mächtig geworden. Und es war eine Lange Tradtion dieser Wahlmonarchie, dass die Kurfürsten die Wahlen zum Ausbau ihrer Macht nutzten. Dazu gehört nicht nur das Aushandeln immer neuer Vorrechte für die Kurfürsten, sondern auch immer wieder die Wahl schwacher Kaiser. Genau dies Verhalten war es, welches das Kaiserreich über die Jahrhunderte schwächte und die verschiedenen Fürsten zu eigenständigen Regenten aufstiegen ließ. Und nun waren aus der Sicht der Kurfürsten eben die Habsburger potenziell starke Kaiser geworden, und diese wollten sie auf gar keine Fall auf dem Thron sehen.

Dies hatten die Iberer wohl geahnt und daher begannen sie schon früh diplomatische Aktivitäten zu entfalten. Ihre Botschafter waren oft in Köln, Mainz, Trier, Brandenburg, der Pfalz und Sachsen gesehen worden, dies war jedoch den Männern Lascaux’ entgangen oder sie hatten es nicht richtig interpretiert. Die Spanier waren ein idealer Kandidat für den Thron, zu weit weg um selbst eine Bedrohung zu sein, stark genung um die verbleibenden Fürsten gegen die Habsburger zu schützen und sie würden sich hoffentlich als dankbar erweisen und die Männer, die sie auf den Thron hoben, an den Reichtürmern der Neuen Welt teilhaben lassen.

Mindestens genauso wichtig wie all die andern Gründe zusammen war, dass die Iberer den Kurfürsten als die Macht erschienen, die noch am ehsten mit den zugegebenermaßen geringen Ressourcen des Reiches und dem besser ausgestatteten Spanien Frankreich in die Zange nehmen konnten und daher die beste Aussicht hatten dieses einzudämmen. Denn Frankreich fürchteten die deutschen Fürsten noch mehr als die Habsburger. War es nicht permanent gewachsen? Schien es nicht einen unstillbaren Hunger auf Land zu haben? Hatte es nicht gerade erst wieder eine Provinz annektiert auf die es jeden Anspruch vor über 200 Jahren abgegeben hatte? Würden die Heerscher in Paris in ihrem Größwahn nicht vielleicht sogar die Nachfolge von Karl dem Großen für sich in Anspruch nehmen und ihre Grenzen bis an die Elbe ausdehnen wollen? Also brauchte sie einen Kaiser, der sie gegen diese Bedrohung schützen könnte: Die Iberer.

Was bedeutete dies für Frankreich? Pierre Lascaux schien diese neue Entwicklung für eine wirkliche Gefahr für Frankreich zu halten. Und zumindest auf den ersten Blick schien dies stimmen. Die Iberer hatten nun die Ressourcen des Deutschen Reiches zur Verfügung und konnten jeder Zeit ihre Truppen innerhalb der Grenzen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation frei bewegen; damit drohte Frankreich latent und permanent die Gefahr eines Zweifrontenkrieges. Schlimmer noch, mit der Macht des Kaisertums war es den Iberern nun möglich sich Land, insbesondere verwaiste Lehen, östlich von Frankreich anzueigen. Wenn sie dabei annährend so erfolgreich sein würden, wie es ihre Vorgänger aus dem Hause Habsburg gewesen ware, dann würde Frankreich sich bald in der Zange zweier großer Landmassen unter Kontrolle der Iberrer wiederfinden. Eine solche Umklammerung und Einkesselung durch eines mit zahlreichen Kolonien gestärkten Spanien konnte all das gefährden, was Frankreich mit dem Sieg über England im Hundertjährigen Krieg und danach erreicht hatte; es würde zunächst eine weiter Expansion verhindern und schließlich den Spaniern die Macht geben Frankreich zu zerschlagen. Aber, und dies ist wichtig, die Gefahr der Einkesselung bestand erst in der Zukunft; im Jahre 1493, während des ersten iberischen Kriegers, war diese mögliche und ferne Zukunft nicht relevant.

Wie würde sich wohl die Kaiserwahl auf den Ausgang des Krieges auswirken; welchen Einfluss würde sie im Jahr 1493 haben? Der Titel des Kaisers war vor allem eben dies, ein Titel: Zwar war er mit formaler Macht verbunden, schließlich waren alle Fürsten des Reiches seine Lehnsleute, aber dies war vor allem formeller Natur. Ende des 15. Jahrhunderts agierten die Fürsten dieser Lehen wie eigenständige Herrscher und waren nur dem Namen nach Gefolgsleute ihres Lehnsherren (oder in deisem Falle wohl besser Lehnsherrin). Für die frisch gekrönten gab es keinen Weg die Fürsten oder das Reischsheer – formell war dies stehend, aber der Kaiser musste es selbst finanzieren, so dass es in diesem Falle nicht existent war – ins Feld gegen Frankreich zu zwingen. Auch zahlten die Fürsten keine Tribute oder Steuern. Damit hatte dieser französische diplomatische Rückschlag für den Krieg keine wirklichen Folgen. Die Folgen und damit die Gefahr für Frankreich lag in der Zukunft, falls es den Iberern gelänge sich entsprechendes Land anzueignen.

Dies muss Charles VIII ähnlich gesehen haben. Er machte sich weniger Sorgen um den Ausgang des Krieges, sondern viel mehr darum, wie zu verhindern sei, dass die Iberer von der Kaiserwahl pofitieren konnten.
„Lieber Lascaux,
wieso glaubt Ihr Euch über Uns stellen zu können? Warum solltet Ihr Dinge kommen sehen, von denen Wir nichts ahnten? Nein, werter Lascaux, so leicht entlassen Wir Euch nicht von Euren Pflichten. Wir sollen Uns hier mit Kriegen placken und die Iberer bezwingen, und Ihr lustwandelt im Garten Eures Gutes und vergnügt Euch mit Euren Mätressen; so stellt Ihr Euch das wohl vor, aber Wir Uns nicht. Zumal Wir die Dinge nicht so schwarzsehen wie Ihr.
Was haben die Iberer den gewonnen, außer einem nichtssagenden Titel? Welche Armeen kommen Ihnen nun zu Hilfe geeilt? Wer erklärt dem großen Frankreich den Krieg um den Druck von den Iberern zu nehmen?
Wir sehen all dies nicht. Wenn dem spanischen Königshaus dieser Titel etwas nutzen mag, dann in fernen Tagen, wenn es ihnen dereinst gelingen mag sich eine Hausmacht im Reiche zu erwerben und Ihre gieriegen Händen auf Land an Unseren Grenzen zu legen. Jedoch dies wollen Wir gerade mit Eurer Hilfe verhindern.
Und was den Krieg anbelangt, so sehen Wir durch die Kaiserwahl keinen Einfluss auf dessen Fortgang, und dies ist gut so, da Wir zu gewinnen scheinen. Wir sollten allenfalls darüber nachdenken, ob Wir Uns nicht neue Ziele für den Ausgang dieses Krieges setzen sollten. Um zu verhindern, dass die Dons mit Hilfe des Reiches dereinst zu stark für Uns werden könnten, sollten Wir überlegen, ob Wir sie in diesem Krieg nicht stärker schwächen sollten als Wir zunächst planten.
Ihr seht, Lascaux, es gibt viel zu planen, analysieren, denken und an Intriegen zu spinnen. Macht Euch das nicht Apettit? Mit wem könnten Wir dies besser bewerkstelligen als mit dem Mann, der schon seit Jahren mit Uns genau dieses getan hat: Euch?

Euer Herr,
Charles“
(Der Antwortbrief Charles VIII auf Lascaux Entlassungsgesuch)

Oliver Guinnes
22.10.03, 19:14
Lascaux war nicht der Mann, der seinem König einen Wunsch oder gar Befehl verweigerte, zumindest nicht wenn dies ein für Ihn eher erfreulicher war. Daher blieb er im Amt und zusammen mit Charles begannen sie mit der Eindämmung der Gefahr, die sie von Spanien ausgehen sahen. Der erste Schritt zu dieser Eindämmung war ein Sieg im laufenden Kriege und zwar nicht ein einfacher schneller sondern einer, der die Iberer möglichst viel kostete und ihre Ressourcen lange im Wiederaufbau band. Daher sollte jetzt nicht nur Madrid genommen und die spanischen Karten gesichert werden, sondern der größt mögliche Teil Spaniens besetzt werden.

„Lieber Sohn,

wie ich gehört habe leistest Du auf unseren Gütern hervorragende Arbeit und die Ernten sind größer denn je. Leider habe ich auch die Nachricht von der Krankheit Deiner Mutter vernommen, ich hoffe und bete jeden Tag, dass es ihr bald besser gehen möge.
Wie Du sicher schon ghört hast, hat die Bevölkerung Madrids etwa vor drei Wochen unserem Heer die Tore geöffnet. Es ist eine ziemlich prächtige Stadt – nicht so prächtig wie Paris, aber nicht weit davon entfernt – und der Jubel der Männer war groß, da sie auf schnellen Frieden hofften, waren wir doch dem Kriegsziel das Kartenmaterial der Iberer zu sichern recht nah. Welch Enttäuschung war in ihren Gesichtern zu sehen, als sie erfuhren, dass es weiter nach Toledo ginge und dass sogar ein neu aufgestelltes Heer von Norden kommend in Cantabria eingefallen sei. Auch dem gemeinsten Fußvolk ist wohl nun aufgegangen, dass sie Frankreich so schnell nicht wieder sehen werden; der König scheint Spanien ganz niederingen zu wollen, um so die potenzielle Gefahr die von der Kaiserkrone auf dem Häuptern dieses machtgeilen Paares ausgehen mag so früh als möglich zu beschneiden.
Dies heißt aber auch, dass noch viel Zeit vergehen wird, bis ich mit eigenen Augen sehen kann welch Leistungen Du auf unseren Gütern vollbracht hast. Zwar bin ich nicht mit dem Heer weiter gezogen, jedoch hat man mich hier in Madrid gelassen; weniger um die paar tausend Mann Besatzung zu befehligen als viel mehr die Sicherung des spanischen Kartenmaterials zu beaufsichtigen. Mir scheint, dass bald wieder Schiffe mit Kolonisten unterwegs sein werden, diesmal nicht nach Osten, sondern nach westen; jedoch sind die spanischen Katographen und Navigatoren, die wir in unseren Händen haben, noch etwas widerspenstig.
Wie dem auch sei, Sohn, es wird noch lange dauern bis ich Heim kehre, dennoch möchte ich Dich bitten mit Deinen Heiratsplänen bis zum Tag meiner Rückkehr zu warten. Ich hoffe, dass der König meine Dienste angemessen entlohnt, so dass Dein Wert als Bräutigam steigt und wir eine angemessenere Braut für Dich finden können.

Philibert d’Alencon“
(Brief von Philibert d’Alencon an seinen Sohn Dagobert)

Wie D’Alencon vorhersagte zog sich der Krieg noch geraume Zeit hin: Die französischen Truppen zogen von Stadt zu Stadt, um diese zu belagern und schließlich einzunehmen; auf den Märschen zu den verschiedenen Stätdten wurden sie gelegentliche von feindlichen Heeren gestellt, die dann geschlagen wurden, genau wie die sporadisch auftauchenden Entsatzheere während der Belagerungen. Auch Madrid wurde immer wieder von den Spaniern belagert, aber nie Lange. Der Kriegsfortschritt war zwar langsam aber kontinuierlich; nach und nach vielen die spanischen Stätde in die Hände Portugals und vor allem Frankreichs. Jedoch zogen diese Heere nach jeder erfolgreichen Belagerung zu der nächsten Stadt um erneut die Mühsal der Eroberung einer befestigten Stadt aufsichzunehmen.

Basileios II
23.10.03, 00:39
Exzellent wie immer, werter Guinness. Mal sehen, ob sich Eure Strategie des gewaltsamen Kartenbeschaffens am Ende wirklich so sehr rentiert, wie Ihr das erhofft. :) Habt Ihr vor, einige Länder in Iberien zu behalten und dann als Vasallen zu entlassen? Ich denke hier vor Allem an Navarra, Katalonien und Aragon.

P.S. Ihr schreibt doch wieder was am 31.10, oder? :D :gluck:

Augustus Rex
23.10.03, 02:43
Ich bin immer wieder sprachlos, edler OG, und verneige mich in Demut.
Diese Breite! Einzigartig!

Oliver Guinnes
23.10.03, 08:11
Edle Herren, treue Leser,

habt Dank für Euer Lob. Was Wir mit den Ländereien vorhaben? Nun vorhaben ist das falsche Wort, da Wir das Spiel über das Wir berichten ja vor ca. einem Jahr spielten; Wir betätigen Uns also tatsächlich als Historiker. Aber natürlich hatten Wir damals was vor, lasst Euch überraschen.
An Halloween hatten Wir gar nicht mehr gedacht, mal sehen, ob Uns noch was passendes einfällt, dass auch in Unsere Geschichte integrierbar ist. De Rais war ja nun ein dankbares Opfer, mit seinem Hintergrund.
Die Karten betreffend habt Ihr wohl recht werter Basileios, so viel dürften die Spanier noch nicht sonderlich viel Interessane entdeckt haben. Dafür war der Krieg etwas zu früh. Aber die Portos waren halt etwas ungeduldig. Jedoch spielten Wir dies Phase unter Patch 1.05, so dass die Karten noch einen gewissen Tauschwert haben.

Seid noch einmal bedankt für Euer Lob und vor allem Eure Treue.

:gluck:

Oliver Guinnes
25.10.03, 15:45
Während der Krieg also weiterhin mehr gemächlich voran schritt den tobte entfalten Charles und Lascaux rege diplomatische Aktivitäten, die mit dem unter D’Alencons Leitung erarbeiteten Kartenmaterial zusammenhingen. Columbus hatte für die Spanier weit im Westen Land entdeckt, das später als Amerika bekannt werden sollte. Dabei hatte er nicht nur jungfräuliches allenfalls von naiven Wilden bewohnte Landstriche entdeckt sondern auch Indianervölker die so etwas wie Kultur aufwiesen und Staatswesen, die denen in Europa gar nicht so unähnlich waren, gegründet hatten. Zu diesem Volk, das sich selbst Maya nannte, nahmen nund die französischen Diplomaten Kontakt auf. Dies war auf so gut wie unbekannten Reisewegen, mit dürftigen Schiffen und ohne französische Stützpunkte entlang der Route recht abenteuerlich und gefährlich. Diese Reisen wären einen eigene Abhandlung wert, sollen jedoch mangels Platzes hier nicht weiter ausgeführt werden und nur an den Abenteuern des Alexios Sorbas illustriert werden (siehe Box III.ii).

Wie dem auch sei, einige der Diplomaten kamen in dem Teil Amerikas in dem die Maya lebten – er lag weitaus nördlicher und westlicher als das von den Portugiesen besiedelete Gebiet – heil an und bemühten sich um gute Beziehungen. Sie waren dabei schließlich so erfolgreich, dass der Herrscher der Maya – eine Mischung aus Priester und König, nicht unähnlich den Fürstbischhöfen Europas oder einigen antiken Herrschern wie den Königen Makedoniens – seinen kundigsten Führern befahl ihre Kenntnisse über Land, Meer, Wüsten, Gebirge und Flüssen einingen der mitgereisten Katographen mitzuteilen. Kaum waren auf dieser Basis Karten über das, was wir heute als Central Amerika bezeichnen, erstellt, so wurde dies schon mit den portugisieschen Verbündeten gegen deren nuesten Entdeckungen und einige Konzessionen was die Interssensphären bei der Kolonisierung anbelangte ausgetauscht.

Dies war im Juli 1495, und obwohl der Krieg noch weiterging und zahlreiche Ressourcen beanspruchte, ließ sich Charles VIII nicht davon abhalten das so erworbene neue Wissen zu nutzen. Noch 1495 wurden Kolonien in Tiracambu, Isthmus, Nicaragua, Emplame Bourbon und Jarkarta gegründet. Damit war nach dem ersten Kriegsziel – Sicherung der spanischen Karten – auch ein weiteres erreicht: Begrenzung des spanischen kolonial Potenzials durch die Gründung eigener Kolonien.

Basileios II
31.10.03, 20:21
Tagebuch des Alexios Sorbas, Kapitän der „Belle Fleur“, Botschafter Seiner Majestät König Charles VIII.


6. Mai 1495

Heute verließ mein Geschwader, bestehend aus den fünf Schiffen Belle Fleur, Jeanne, St. Marie, Claire de Lune und Saint Louis den Hafen von Massilia, welches die Franken Marseille nennen. König Charles VIII. hat mich zum Botschafter Frankreichs für die Neue Welt ernannt und meine erste Mission führt mich zu einem Stamm von Halbprimitiven, welche sich selber die Maya nennen und die sich wohl nur wenig von den Wilden Afrikas unterscheiden. Bei mir sind mein Vetter Basileios, der das Steuer der Belle Fleur führt und weitere griechische Flüchtlinge, die sich vor den heranstürmenden Osmanen schweren Herzens nach Westen abgesetzt haben, um nicht unter das Joch der Ungläubigen zu geraten.
Mögen uns die Winde günstig gestimmt sein.


13. Mai 1495

Heute durchbrachen wir die Seesperre der Spanier an der Meerenge, welche unsere Vorfahren „Säulen des Herakles“ nannten und welche von den Arabern „Dschebel al Tarik“ genannt werden, was die Spanier zu Gibraltar verballhornt haben. In den frühen Morgenstunden trafen wir auf ein kleines Geschwader der Iberer und es entwickelte sich ein hitziges Gefecht, in welchem unsere Schiffe insgesamt 39 Mann verloren und die Jeanne leicht beschädigt wurde. Allerdings fügten wir den Spaniern schwere Verluste zu; eins ihrer Schiffe sandten wir auf den Meeresgrund und zwei weitere wurden stark beschädigt. Als wir im Kampf eines dieser Schiffe enternten, geschah etwas höchst seltsames, was Männer von schwächerem Charakter und größerem Aberglauben sicher verschreckt hätte. Im Achterdeck des spanischen Schiffes traf ich auf eine seltsam zerlumpte Gestalt, welche in einer mir unverständlichen Sprache daherbrabbelte und mich mit seltsamen Gesten bedachte. Ohne zu zögern schlitze ich dem Lumpen den Bauch auf, doch anstatt seine herausquellenden Gedärme festzuhalten fing der Sterbende plötzlich wie ein Wahnsinniger an zu lachen und wiederholte seine seltsamen Gesten, bevor er zu boden fiel und verstarb. Ein französischer Seemann, welcher nach mir die Kabine betreten hatte, lief von größtem Schrecken erfasst hinaus und übergab sich ins Meer. Abergläubische Schismatiker!

28. Mai 1495

Heute erreichten wir den Hafen von Funchal auf den Azoren, welche eine Kolonie der Portugiesen sind. Hier besserten wir die im Kampf entstandenen Schäden aus und nahmen neuen Proviant und Wasser an Bord. Außerdem gewährte ich den Mannschaften 2 Tage Landurlaub, auf das sie sich in den Freudenhäusern und Kneipen des Hafens auslassen konnten, denn uns steht eine weite Reise bis zu den neugegründeten Kolonien Frankreichs bevor, von wo wir dann mit nur einem Schiff zu den Maya aufbrechen werden, während der Rest der Flotte die Neugründungen des Königs vor Überfällen der iberischen und englischen Neider beschützen wird.

29. Mai 1495

Ich habe heute Nacht wieder von dem seltsamen Mann geträumt, welchen ich auf dem spanischen Schiff erschlug. Im Traum befand ich mich auf einer weiten Ebene, auf der riesige Statuen mir unbekannter Herkunft standen, welche wohl Götzenbilder oder ähnliches darstellen sollten. Ich wanderte dort umher und plötzlich erschien wieder die zerlumpte Gestalt und schien ich anzuschreien, doch konnte ich keine Worte hören. Nur den ekelerregenden Gestank, welcher von dem Mann ausging, konnte ich wahrnehmen. Plötzlich stapfte aus dem Schatten einer Statue eine weitere Gestalt hervor, doch war diese über drei Meter groß und hatte flossenähnliche Füße und Hände. Doch bevor ich ihr Gesicht sehen konnte, wachte ich schreiend in meinem Bett auf.


17. Juni 1495, irgendwo südwestlich der Azoren

Die Männer sind in hellem Aufruhr. Gestern entdeckte der Ausguck ein treibendes Schiff, auf welchem kein Anzeichen von Leben zu sehen war. Wir ließen zwei Beiboote zu Wasser und ruderten hinüber, doch manch einer der Anwesenden hätte sich gewünscht, Europa niemals verlassen zu haben. Denn auf Deck lagen überall Leichnahme, welche übelst zugerichtet waren. Gliedmaßen fehlten, Köpfe waren abgetrennt worden und am Hauptmast hatte man einen Seemann angenagelt, dem Augen, Zunge und Genitalien anscheinend abgeschnitten oder ausgebrannt worden waren. Bei Christus und allen Heiligen, das Schiff war das reinste Schlachthaus. Im Vorratsraum fanden Basileios und einige Männer hinter Salzfässern und anderem Proviant versteckt einen zitternden Schiffsjungen, dessen Blick reinen Wahnsinn wiederspiegelte. Als man ihn zu mir auf Deck brachte, fing er an zu schreien und zu kreischen und immer wieder eine Wort auszurufen, welches meine Zunge nicht wiedergeben kann und welches ich daher „Ktolon“ nennen werde. Als er sich einigermaßen beruhigt hatte, konnte einer der Franken in Erfahrung bringen, das es sich bei dem Jungen um einen Eingeborenen aus den spanischen Kolonien handelte, welcher jedoch keine unserer Sprachen verstand. Gott alleine weiß, wie der Franzose so gut mit Gesten kommunizieren kann. Ich ließ alles von Wert auf unsere Schiffe laden und das Geisterschiff schließlich in Brand setzen. Noch in der Nacht konnte man in der Ferne den Feuerschein am Horizont erkennen.

23. Juni 1495

Gott steh uns allen bei, die Saint Louis ist ohne irgendeine Spur verschwunden, als ob die antiken Götter des Meeres sie in ihr Reich gezogen hätten. Die Männer flüstern bereits, ob uns nicht das gleiche Schicksal wie das spanische Geisterschiff ereilen würde und ich fürchte um die Disziplin an Bord, doch fast noch mehr um meine geistige Gesundheit. Denn auch letzte Nacht suchte mich wieder jener Alptraum heim, welchen ich auf den Azoren zum ersten Mal geträumt hatte und ich weiß nicht mehr, ob die Stimmen, die ich gehört habe, Einbildung oder Realität waren. Es war ein monotoner Singsang, aus welchem ich wieder jenes Wort ausmachen konnte, das der Schiffsjunge des Unglückskahns herausgestammelt hatte.


29. Juli 1495

Ohne größere Zwischenfälle erreichten wir die Kolonie St. Croix in Nicaragua, von wo wir in zwei Wochen nach Norden aufbrechen werden, wie schon beschrieben nur mit der Belle Fleur. Vor drei Tagen habe ich nur einen Aufwiegler aufknüpfen lassen müssen, dessen abergläubisches Geschwätz die Moral der Mannschaft zu untergraben drohte. Er faselte etwas von Unglück und Fahrt in den sicheren Tod, eben das übliche Seemannsgarn. Und ich hätte ihn auch weniger hart bestraft, wäre er nicht mit einem Dolch auf den Überlebenden des Spaniers losgegangen, welchen er als Sündenbock für das Verschwinden der Saint Louis ausgemacht hatte. Als Einheimischen werden wir ihn jedoch gut brauchen können und so schützte ich ihn vor dem Aufwiegler.

28. August 1495

Haben gestern St. Croix mit großer Verspätung verlassen. Unser Auslaufen wurde zwei Wochen von einem starken Sturm vereitelt, welcher plötzlich aufgekommen war. Die Belle Fleur segelt nun alleine Richtung Nord-Nordwest, um das Gebiet der Maya zu erreichen. An Bord befinden sich der Dolmetscher und selbsternannte Sprachexperte Georges de Cluny, sowie der Schiffsjunge, welcher als Einheimischer hoffentlich für unsere Expedition von Wert ist.

13. September 1495

Konnten heute das unnachahmliche Spektakel eines Vulkanausbruchs an einer fernen Küste im Westen beobachten. Einige Abergläubische halten dies für ein schlechtes Omen, doch tue ich dies als ängstliches Gehabe der eher unerfahrenen Franken ab, die weder von der Seefahrt noch von den Dingen der Natur viel verstehen.

7. November 1495

Landeten heute in einem gebiet, welches laut den spanischen und portugiesischen Roteiros zum Gebiet der Maya gehören soll, doch bisher haben wir noch keine Spur menschlichen Lebens ausmachen können. Unsere Späher entdeckten unweit vom beginnenden Dschungel die Reste einer antiken Statue (wie der auch selbsternannte Historiker de Cluny meint) und luden sie auf die Belle Fleur, um sie bei unserer Rückkehr als ein Geschenk für den König zu präsentieren. Morgen brechen wir ins Landesinnere auf, um die Führer der Maya zu treffen, jene sagenumwobenen Gottkönige, von denen die Spanier berichteten.

12. November 1495

Kamen heute in eine „Stadt“ der Maya, welche zu unserem Glück auch ihre Hauptstadt zu sein scheint, denn dieser Dschungel auf dem Kontinent ist die wahrgewordene Hölle. Moskitos genannte Riesenmücken zerstechen den armen Reisenden beim ersten Einbrechen der Dämmerung, noch dazu haben wir einen Bootsmann durch einen Schlangenbiss verloren, ehe mein Vetter das Untier mit einem schnellen Schlag seines Säbels erlegen konnte.
Diese Stadt nun besteht in der Hauptsache aus niedrigen Hütten, die meist aus Holz und Lehm gebaut sind, nur die Reichen scheinen sich steinerne Häuser leisten zu können. Das Zentrum der Ansiedlung bildet jedoch eine riesige Pyramide, welche die Maya zu Ehren ihres mir noch unbekannten Hauptgottes gebaut haben.

14. November 1495

Heute wurden wir Zeugen eines wahrhaft grausigen Schauspiels, welches die Wilden wohl zu unseren Ehren veranstaltet haben. Auf der Spitze der großen Pyramide wurde wahrhaftig ein Mensch geopfert, doch scheint dieser kein Kriegsgefangener gewesen zu sein, denn er schien geradezu glücklich über sein Schicksal gewesen zu sein. Man brachte ihn also nun hoch hinauf auf die Pyramide, wo auch schon ein Hohepriester mit mehreren Untergebenen die schreckliche Zeremonie vorbereitete. Der Mann wurde also auf dem Altar festgebunden, während die versammelte Menge zu Füßen der Pyramide einen monotonen Gesang intonierte, den selbst unser Schlauberger Georges de Cluny nicht übersetzen konnte und der immer lauter wurde. Auf dem Höhepunkt des Singsangs rief der Hohepriester laut den Namen des Gottes aus und zu meinem Schrecken erkannte ich darin das Gebrabbel des Lumpen und das Gekreische des Schiffsjungen, welcher im Übrigen seit unserer Ankunft hier verschwunden ist.
Sodann stieß der Priester dem wartenden Opfer einen Dolch aus schwarzem Obsidian in die Brust und riss ihm das noch pochende, vor Blut tropfende Herz heraus. Die Menge fing extaktisch den grausigen Namen an zu kreischen und wie toll herumzuspringen, während auf der Spitze der Pyramide der Priester das Herz in die Höhe reckte. Um mich herum sagten die Franzosen ihre Gebete aus und bekreuzigten sich mehrmals, den Jüngeren wurde gar übel.
Ich habe beschlossen, dem König die Ausrottung oder gewaltsame Bekehrung dieser Barbaren zu empfehlen, denn ihre Zeremonien beleidigen jeden guten Christenmenschen.

15. November 1495

Trafen heute mit dem Theokraten der Maya zusammen und dem komischen de Cluny ist es mit seiner spitzen Zunge tatsächlich gelungen, ihm Geheimnisse über die Kartographie der Maya zu entreißen, so das unsere talentierten Kartenzeichner in der Heimat diese zu vernünftigen Karten umzeichnen können, denn auch davon verstehen die Wilden nur wenig und ihre Karten kann man im besten Fall als Kindergekrakel bezeichnen. Nachdem unsere Mission hier erfüllt ist, werden wir uns auf dem schnellsten Wege zurück zur Küste begeben, denn diese Menschen, wenn man sie so nennen kann, behagen mir nicht im Mindesten. In den letzten beiden Tagen verschwanden vier Seeleute, welche ich zum unauffälligen Auskundschaften durch die Stadt geschickt hatte und Gott weiß, was man mit ihnen gemacht hat.

17. November 1495

Letzte Nacht träumte ich wieder jenen Alptraum, doch konnte ich diesmal den Kopf des Riesen sehen und wenn es kein Traum gewesen wäre, hätte ich wohl den Verstand verloren.
Denn auf dem muskulösen Leib des Untieres saß ein ekliger Kopf mit mehreren Tentakeln, die jenen des Tintenfisches glichen und auch die Augen waren nicht die eines Menschen, sondern die glupschigen eines Fisches, jedoch voll des Feuers der Hölle. Um ihn herum tanzten der Lump vom spanischen Schiff, der verschwundene Schiffsjunge und der Hohepriester der Maya und sie sangen immer wieder Ktolon! Ktolon!. Heute morgen fehlten beim Appell erneut zwei Männer. Wir müssen raus aus diesem Dschungel, diesem verfluchten Land, sonst sind wir verloren.

23. November 1495

Erreichten heute die Belle Fleur. Die zurückgelassenen Schiffswachen sind tot, Spuren von Saugnäpfen an ihren Hälsen und Gesichtern. Basileios verlor bei einem Überfall im Dschungel ein Auge; wir wurden von einem den Maya feindlich gesonnen Stamm angegriffen und konnten sie nur mit schweren Verlusten zurückschlagen. Beschießen sie nun mit Kanonen, während wir ablegen.

24. November 1495, auf See

Sind den Wilden entkommen und nehmen Kurs auf St. Croix. Etwas stimmt nicht. Gestern Nacht verschwand erneut ein Mann im Laderaum. Irgendetwas ist dort unten und wir haben es an Bord geholt.



25. November

Oh Gott, es war die Statue! Das Geschenk für den König.....beim Einbruch der Dämmerung wurde sie lebendig und fiel über das Suchkommando her, welches ich hinunter entsandte. Ich, Basileios und einige Männer haben uns Achtern verschanzt, doch wissen wir nicht, ob wir den nächsten Morgen erleben werden und die Nacht ist noch lang. Daher vertraue ich diese Seiten und die Karten dieser Flasche an, möge der Herr ihren Weg leiten. Mein Gott, es ist an der Tür......


Diese Seiten wurden französischen Chronisten zu Folge irgendwo in den südlichen Kolonien an Land gespült, doch wird ihre Echtheit von der Wissenschaft sehr stark bezweifelt. Über das weitere Schicksal der „Belle Fleur“ ist nichts bekannt. 1920 fiel dieses angebliche Tagebuch einem jungen Mann namens Howard P. Lovecraft in die Hände und seit dem halten es einige selbsternannte Experten für den Ursprung von dessen „Cthulu“-Mythos.

Oliver Guinnes
04.11.03, 18:49
Die Spanier waren jedoch in den Kolonien nicht untätig: Am 26. März des Jahres 1496 griffen die spanischen Kolonialtruppen ein kleines Heer Frankreichs, das vor den Toren Pernambucs lagerte, an – und vernichteten es. Sie nahmen die Belagerung des Städtchens auf, waren aber nicht erfolgreich, da die Portugiesen die Bewohner von See aus versorgten. Dies war das einzige militärische Aufeinandertreffen in den Kolonien während dieses gesamten Kolonialkrieges. Wie Wir schon weiter oben ausführten, haben wir uns für die Bezeichnung dieses Kapitels nicht auf Grund der Kämpfe in den Kolonien, sondern auf Grund der Tatsache, dass die Kriege um Kolonien geführt wurden.

Dies verlorene Schlacht in den Kolonien war eine der wenigen wirklichen Rückschläge im ibersichen Krieg. Ein anderer wurde Frankreich durch seinen Verbündeten Genua zugefügt. Nicht nur, dass die Handelsrepublik gegen Ende des Jahres 1495, wie von einer Handelsrepublik nicht anders zu erwarten, für Gold sich aus dem iberischen Krieg zurückzog, nein, sie starteten kurz darauf einen neuen Kreig: Gegen das ferne Moskau. Charles und Lascaux wollten Ihre Bemühungen nicht verzetteln; zudem war ihnen noch in frischer Erinnerung wie sich Genua aus seinen Bündnisverpflichtungen im iberischen Krieg entzogen hatte. Daher folgten sie zwar der Bündnispflicht, aber nur mit Worten und ohne Truppen zu stellen und zudem nutzten sie die erste sich ihnen bietende Gelegenheit zu einem Status Quo Frieden. Was die ohnehin nicht einfachen Beziehungen zu Genua weiter verkomplizierte (Box III.iii).

Oliver Guinnes
08.11.03, 13:58
Box III.iii Genua der ungeliebte Partner*

Genua wurde schon im 5ten Jh. v.C. von den Ligurern als Umschlagplatz für allerlei Waren geschaffen. Für diese Funktion als Handelszentrum waren die geographischen Gegebenheiten von zentraler Bedeutung. Die Bucht an der der neue Handelsplatz lag war ein perfekter natürlicher Hafen. Und obwohl dieser Hafen durch das Vorgebirge Portofino einen Natur gegebenen Schutz gegen stürmisches Wetter bot, wurde dieser Schutz noch durch eine wellbrechende Kaimauer im Jahre 1133 perfektioniert. Zusätzlich wird die Stadt nicht nur durch die Flüsse Polcevera und Bisagno sowohl im Osten als auch im Südwesten gegen feindliche Angriffe geschützt – der Norden wird ohnehin durch die ligurischen Apennin geschützt – sondern sie erlauben auch die kommerzielle Durchdringung des Hinterlandes.

Diese Lage begünstigte den Handel und führte früh zu engen Kontakten mit Griechen, Etruskern, Karthagern und Römern. Die letzteren beiden eroberten die Stadt gelegentlich und Rom behielt sie dann ab dem zweiten Punischen Krieg. Von da an blieb Genua lange in römischen Besitz bis es nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches an Germanenstämme fiel. Von Belisario im griechisch-gotischem Krieg erobert, blieb es für lange Zeit oströmisch - auch nach dem Einfall der Largobarden. Schließlich wurde es während der karolingischen Epoche in die Mark Obertenga und damit in das Regnum Italia integriert.

Die Verwirrungen Italiens unter den spätern Karolingern (vgl. den ersten Band unserer Abhandlung), während welcher Genua von den Sarazenen wiederholt arg heimgesucht wurde, benutzte Genua, sich als Republik zu konstituieren, welche zunächst ohne feste Verfassung durch Konsuln regiert wurde. Nachdem es einen Einfall der Sarazenen (936) abgeschlagen hatte und von König Berengar von Italien 958 förmlich anerkannt worden war, stieg Genuas Macht rasch. Mit dem benachbarten Pisa stand Genua anfangs auf freundlichem Fuß: beide Staaten nahmen 1017 miteinander den Arabern Sardinien ab; als aber Pisa, welchem Sardinien von Genua überlassen worden war, 1070 auch Corsica in Besitz nahm und überhaupt eine erdrückende Übermacht auf der See gewann, führte dies 1119 zu einem energisch geführten Krieg zwischen Genua und Pisa, der erst 1133 durch Eingreifen des Papstes zu Gunsten der Genuesen beendigt wurde.

In dieser Zeit blühte der Handel und gedieh die Stadt; und die genuesischen Bürger nutzten jede Gelegenheit noch mehr Reichtum zu erwerben: so waren die Genuesen die größten Gewinner des ersten Kreuzzuges, zwar bekamen sie kein Land, jedoch reichlich Gold für die Bereitstellung Ihrer Flotte und Handelsprivilegien in den Kreuzfahrerstaaten. Der mit diesem Reichtum verbundene Einfluss führte dazu, dass es Kaiser Friedrich I, genannt Barbarossa, es nicht gelang einige der genuesischen Privilegien zurückzunehmen. Er musste mit der Stadt einen ihn demütigenden Frieden eingehen.

„… Wie ich die Apennin hinunterschritt viel mein Blick auf die Perle Liguriens, die Herrin der ligurischen und tyrrhenischen Meere; der ersten Handelsstadt im westenlichen Mittelmeer: Genua! Welch Anblick! So gross, so schillernd; dahinter das blaue Meer auf dem sich zahlose Schiffe – welche unter Segeln der Normannen andere mit denen der Araber und wieder andere unter Ruder wie es in Byzanz Sitte ist – tummelten und Waren aus der ganzen Welt brachten.
Wie groß war erst mein Staunen als ich die Stadt betrat. Hier hatten recht einfache Bürger größere Häuser aus Stein - man möchte fast von Burgen reden - als so mancher Herr von edlem Blute nördlich der Alpen. Hier und dort gab es noch alte römische Bauten, die in damaliger Zeit die Stadt wohl noch beeindruckender aussehen ließen; und wie ich erst auf dem Haupthandelsplatz staunte; Menschen aus aller Herren Länder, arabische Muselmanen mit komischen bauschigen Kleidern, wie sie bei uns nur Weiber tragen; Juden mit wirren Locken; Oströmer die kein Latein dafür aber Griechisch sprachen; Franken aus dem Osten und Westen; Normannen aus Sizilien und der Normandie und ihre Verwandten vom Pol.
Dann der Hafen: Hunderte wenn nicht tausende von Schiffen; welch Treiben! Und alle mit den kostbarsten Gütern beladen, die sie nach Genua schafften oder gerade erst im Hafen geladen hatten um sie in ihrer Heimat, wo das immer auch sein möge, mit reichlich Gewinn zu verkaufen. Und dann war dort noch der Fischereihafen. Auch er ein Wunder: Ich hatte nie geglaubt, dass ein solch bestialischer Gestank möglich sei. Es war nicht auszuhlaten! Und so eilte ich fort um mich an den wahrlich herrlichen Bauten zu erfreuen …“
(Aus dem Reisebericht (um 1155) von Odo, damals Wandermöch, später Schreiber und Kanzler von Kaiser Heinrich VI zitiert nach dem Faksimile mit französischer Überetzung von Einhart und Barre (1809))

Nach mehreren Verfassungsreformen fand zu Beginn 14. Jahrhunderts die Einrichtung des Dogenamtes statt, das zunächst auf Lebenszeit verliehen wurde und seit 1528 alle zwei Jahre neubestellt wird. In all dieser Zeit kam es immer wieder zu Kriegen mit der frühen Rivalin Pisa und später mit der Republik Venedig. Es waren diese Konflikte, die dazuführten, dass die Dogen immer wieder Unterstützung bei stärkeren Mächten suchten und sich ihrem Schutz unterstellten. 1270 führte ein solcher Konflikt mit Pisa zur ersten Involvierung französischer (oder genauer westfränkischer; vgl. Bd. I) Könige in die genuesischen Geschehnisse. Luis IX (der Heilige) versuchte den beiden Parteien einen Frieden zu oktruieren, der Genua bevorteilte. Der Undank der genuesischen Händler ließ aber bei erneuten Kriegsausbruch den enttäuschten König von einem erneuten Eingreifen zu Gunsten de Handelsrepublik absehen, wie wir dies ja schon ausführlich in unserem ersten Band beschreiben haben. Genauso wie die kurze französische Oberherrschaft über Genua während des ausgehenden 14. Jahrhunderts. Spätestens, seit ein aufgebrachter und von den Patriziern angestachelter Mob die Franzosen aus der Handelsmetropole 1409 vertrieb, ist das Verhältnis zwischen dem langsam erstarkenden Reich und der Republik angespannt. Umso überraschender ist es, dass es in 1450ern zum Bündnis kam:

„Heute gab es eine lange Debatte im Kronrat, ob ein Bündnis mit den Genuesen ratsam sei. Der alte Eber den Senlis war natürlich dagegen; wie man denn ein Bündnis mit Männern von unedlem Blute eingehen könne, diese hätten wohl kaum das Ehrgefühl um zu ihrem Worte zu stehen. Der König und auch Frankreichs Adel würden sich mit einem solchen Bündnis nur selbst erniedrigen. Ferrand widersprach ihm schon aus Prinzip, mag er doch unseren Eber kaum leiden, was von der Ehre des Adels zu halten sei sähe man ja immerwieder an de Senlis eigenem Verhalten, da mag der Unterschied nicht so groß sein. Henry (Charles VII jüngerer Bruder, Anmerkung der Autoren) übreging diese spitze Bemerkung und verwies darauf, dass die Genuesen sich schon in Vergangenheit als wankelmütig gezeigt hätten, man können doch keine Bündnis mit Leuten eingehen, die ihren Vater (Cahrles VI, A.d.A) einst in Schande aus der Stadt getrieben hätten!
Charles (VII, A.d.A.) sah sich bemüßigt einzuwenden, dass es nicht ihr Vater, sondern nur seine Truppen gewesen wären die vertrieben worden seien. Man solle sich doch dies Getue um die Ehre für Ritterspiele und die Gesänge der Troubadoure aufheben, hier ginge es um Politik, darüber wäre zu beratschlagen. Soch Worte rufen natürlichen den alten Zyniker de Flavy auf den Plan. Er zählte wohl die wichtigsten Vor- und Nachteile eines solchen Bündnisses auf: Sicherung der südöstlichen Flanke, Öffnung eines Tores nach Norditalien, Schutz der französischen Mittelmeerküsten durch die genuesische Flotte auf der einen Seite und auf der anderen die beständige Gefahr, dass die genuesischen Krämerseelen den König und Frankreich für ein gutes Geschäft verraten würden.
So ging es hin und her, es war ein Spass zuzuhören.“
(Aus dem Tagebuch des alten Abtes von St. Dennis, der sowohl Charles VI als auch dessen Sohn beriet)

Dieser Auszug macht deutlich, dass das Verhältnis zwischen den Eliten beider Staaten aus zweierlei Gründen schwierig war. Zum einen Bestand wegen des Verrats von 1409 noch immer ein abgrundtiefes Misstrauen auf der französischen Seite, dass durch die Angst der genuesischen Patrizier vor französischer Dominanz ergänzt wurde. Zum anderen gab es erhebliche kulturelle Unterschiede zwischen der auf den Adel, der nur Krieg, Jagd und Regieren als angemessene Beschäftigung sah, ruhenden französischen Gesellschaft und der von Händlern, für die der Commerz und das Streben nach Reichtum die höchsten Ziele waren, geprägten Republik. Nachdem das Bündnis besiegelt war, war es genau dieses ewige Streben nach einem guten Geschäft, das, was immerwieder Spannungen hervorrief, wenn z.B. Genua für Gold eine Kriegskampagne beendete und so die Planungen seinens französischen Bundesgenossen obsolet werden ließ. Dennoch hielt dies Bündnis sehr lange, da es für beide Seiten wohl der Nutzen überwog.

Oliver Guinnes
08.11.03, 14:02
* Die Geschichte Genuas ist sehr schön bei Barre und Biagi aufgearbeitet. Trapatoni gibt eine sehr schön Übersicht über die Verfassungsgeschichte Genuas. Die Beziehungen zwichen der Republik und den Westfranken haben Wir ja schon ausführlich in Unserem ersten Band beschrieben.

Basileios II
08.11.03, 14:48
Wie immer eine Meisterkeistung, werter Sir Guinness. Ihr habt nicht zufällig im Verlaufe des Spiels den ein oder anderen Screenshot gemacht, um Eure Leser mit authentischen Karten zu erfreuen? :)

Oliver Guinnes
08.11.03, 15:58
Habt Dank edler Grieche. Wegen Eurer Frage die Screenshots betreffend müssen Wir Euch leider sagen, dass Wir während des bisherigen Spiels nicht daran dachten, so dass Wir frühsten zu Unserem Savegame einen bieten könnten. Ihr müsst Euch also bis etwa 1580 geduldetn. Bei Unserem Schreibtempo würden Wir tippen, dass Ihr zu der WM damit rechnen könnt. Zumal ja bald Vicky ins Haus steht und wohl etwas von Unserer Zeit beanspruchen wird.

:gluck:

Basileios II
08.11.03, 17:36
Kein Problem, werter Herr, ich kenne dieses Problem. Vor 1500 denke ich nie daran, überhaupt Screenshots zu machen. Und mit dem EEP hat man noch das Problem, daß man dank dem moddir-Befehl einen gemachten Screenshot erst kopieren muß, da er sonst überschrieben wird.

Robert the Bruce
09.11.03, 14:24
Wahnsinn, werter Oliver (ich darf euch doch so nennen oder?) - ich bin endlich dazu gekommen euren sehr umfassenden Bericht zu lesen. Die Chronisten Gabe ist euchwohl in die Wiege gelegt worden. Ein Meisterwerk! Ist mir unverständlich warum euer Werk noch nicht zum klassischen Lektüre eines Geschichtsstudenten gehört. Mein herzlichstes Lob! Weiter so.

Oliver Guinnes
09.11.03, 14:37
Habt Dank für Euer Lob, edler Schotte!


[...] Ist mir unverständlich warum euer Werk noch nicht zum klassischen Lektüre eines Geschichtsstudenten gehört. [...]

In der Tat fragen Wir Uns dies auch. Schande! :D Mag vielleicht daran liegen, dass das meiste fiktiv ist, und Uns selbst nicht klar ist wo Historie endet und Phantasie beginnt. :)

:gluck:

Robert the Bruce
12.11.03, 10:55
:D Darauf einen Schluck "uisge betha" :prost: :gluck:

Oliver Guinnes
23.11.03, 14:50
Das Bündnis trat also in den Krieg gegen Moskau ein, aber alle Partner, bis auf Genua taten dies nur auf dem Papier. Zum einen weil es den meisten als ein unsinniger Krieg erschienen war und die potenziellen Kriegsschauplätze weit entfernt waren und zum anderen, weil die meisten Bündnispartner noch in Spanien engagiert waren und sich auf Grund des Seperatfriedens den Genua mit Aragon geschlossen hatte nicht mehr verpflichtet sahen die Genuesen zu schützen. Bald zogen sich die meisten Bündnismitglieder wie Frankreich auch offiziell aus dem Krieg mit den Moskowitern zurück.

Frankreich konzentrierte sich weiter auf Spanien und die Kolonisierung in den Gebieten, die mit dem spanischen Kartenmaterial offen gelegt wurden. So fiel im Juli 1496 Andalusien an Frankreich und die Kapverdischen Inseln wurden von französischen Kolonisten besiedelt. Jedoch führten der lange Krieg und die damit verbundenen Belastungen für Volk und Adel – Steuern und der Tod vieler Söhne, Brüder und Männer – zu immer größeren Unmut. Ab dem Oktober 1496 kam es zwar nicht häufig, jedoch regelmäßig und zunehmend zu Unruhen und Revolten – teils von Bauern, teils von Adligen. Brabant machte den Anfang andere Provinzen folgten in urnregelmäßigen Abständen. Zur Niederschlagung dieser kleinen und regional begrenzten aber dennoch störenden Aufständen wurden die im französischen Hinterland stationierten Reservetruppen verwandt, was den Vorteil hatte, dass die frischen Truppen Erfahrung sammeln konnten. Dennoch zeigten diese Ereignisse, dass es Zeit wurde den Krieg langsam einem Ende zuzuführen. So machten sich Lascaux und Charles schon Gedanken über mögliche Forderungen, die den Spaniern bei Friedensverhandlungen gestellt weden sollten, als kurz nach dem vierten Jahrestag des Kriegsausburch erneut masive Komplikationen auftraten: Aragon erklärte dem von Charles geschaffenen Fürstentum Katalonien, Vasall und Bündnispartner Frankreichs, den Krieg.

Dr. Evil
25.11.03, 08:39
Werter Oliver Guinnes,

endlich konnten auch wir uns die Zeit nehmen, Euren hervorragenden AAR zu lesen! Ihr habt mit Eurem schönen Stile ein wahres Meisterwerk geschaffen!!

Wir hoffen, dass Vicky Euch nicht all zu sehr von der Vollendung abhalten wird!

Oliver Guinnes
17.01.04, 12:14
Ein neuer Krieg würde die Stimmung im Volk weiter verschlechtern und vor allem den Krieg gegen Spanien unnötig verlängern was wiederum die Wahrscheinlichket weiterer Aufstände erhöhen würde. Auf der anderen Seite war Aragon der engste Partner Spaniens – Elisabeth und Ferdinand regierten die beiden Königreiche zusammen, wie eins – und eine Stärkung Aragons bedeute also eine Stärkung Spaniens, die es mit allen Mitteln zu verhindern galt. Also stand Frankreich, wie alle anderen Partner, zu seinen Bündnisverpflichtungen. Um aber nun Ressourcen für den Krieg gegen Aragon zur Verfügung zu haben, fanden es Lascaux und Charles notwendig die Auseindandersetzung mit Spanien zu beenden.

Daher schlossen Frankreich und Spanien zwei Wochen nachdem Portugal einen neuen Krieg begonnen hatte am 26. Dezember 1496 den Weihnachtsfrieden von San Sebastian. Frankreich erhielt Granada, Gibraltar und noch kleinere Kompensationen. Das ursprünglich Kriegsziel, die Schwächung Spaniens und seiner Verbündeten sowie die Erlangung des Zugangs zum spanischen Kolonialpotenzial, war erreicht, jedoch nicht die erweiterten Kriegsziele nach der Erlangung der Kaiserkrone durch die Iberer. Die Schwächung Spaniens war nicht so nachhaltig wie erwünscht. Zwar war die iberische Halbinsel nun zerstückelter als einst Frankreich in seiner schlimmsten Stunde, jedoch zweifelten Charles und sein erster Minister nicht daran, dass sich die Iberer schon bald erholt haben und eine erneute Bedrohung darstellen würden. War damit auch ein neuer Konflikt zwischen den beiden Reichen unausweichlich?

Oliver Guinnes
17.01.04, 12:19
Viel drängder als dies noch in der Zukunft liegende Frage, war das Problem der neu erworbenen Provinzen im Süden der iberischen Halbinsel. Was sollte mit ihnen geschehen? Sollte Frankreich sie behalten oder doch eher in die Vasallenschaft entlassen? Oder gab es gar noch weitere Alternativen? Was würde also Charles VIII mit den neuen Provinzen anfangen? Zwar waren die letzten Muselmanen von Torquemada vetrieben worden, aber es lebten in diesen Provinzen Berber, die nicht nur eine gänzlich andere Sprache hatten, sondern sich auch kulturell mindesten ebenso sehr von den Franzosen unterschieden. Diese Bevölkerung wäre nur schwer in das Charles’ Reich zu integrieren, zudem waren die neuen Provinzen weit entfernt vom Kern des Reiches und nur schwer von den eigenen Truppen im Falle von Aufständen und neuen Kriegen mit den Iberern zu erreichen. Es sprach also alles für die Gründung eines neuen Vasallenstaates.

Aber wer sollte die Führung eines solchen Staates übernehmen? Die noch nicht vertriebenen iberischen Edelleute? Dies wäre wohl eine schlechte Lösung gewesen, da ein solcher Fürst wohl schnell seinen Treueeid gegenüber seinem französichen Lehnsherren vergessen und sich seinem ehemaligen Heerscherpaar zuwenden würde. Dann vielleicht einer von diesen Berbern? Bei denen konnte keiner wissen was er in der Zukunft tun würde, vielleicht gar wieder die wirren Lehren Mohameds einführen. Was sollte nun aus diesen Provinzen werden, wie kann verhindert werden, dass sie zu einem Mühlstein am Halse von Charles würden?

Oliver Guinnes
17.01.04, 12:22
„Lieber Sohn,
wie Du sicherlich vernommen hast, ist der Krieg, zumindest der mit Spanien, endlich beendet. Leider werde ich nicht, wie Du vielleicht erwartest, heimkehren. Dies hat nicht seine Ursache darin, dass ich am erneuten Krieg gegen Aragon teilnehemen soll, sondern mir ist eine viel gewaltigere Aufgabe gegeben worden. Um sie zu bewältigen brauche ich Deine Hilfe und die Deiner Mutter. Der König erwarte von mir – uns - dass wir als seine Vasallen hier in Iberiens Süden ein neues Fürstentum gründen und für ihn führen.
Wie lange will dieser Mann denn noch die Treue unserer Familie prüfen? Was können wir den hier gewinnen? Ein Fürstentum? Wohl eher eine Todesfalle! Die Morisken, die wohl noch immer mehr von Allah als von unserem geliebten Herren Jesus Christus halten, werden uns wohl kaum mit offenen Armen empfangen. Und im Norden hängt über unserem neuen Reich, wie einst über Damokles das Schwert, das Reich von Isabella und Ferdinand. Mir scheint, dass wir nicht lange Fürsten, Kaliphen, Emire oder wie die hier sich nennen mögen sein werden, sondern uns bald wieder als treue Untertanen des Königs in Alencon befinden werden. Eines Königs der viel von uns verlangt, zu viel, wie mir manchesmal scheint. Aber seit unsere Ahnen einst das Volk gewähren ließ als sie Guillaume den Bastard mit zu gerbenden Häuten grüßten und der Bastard* uns daraufhin das Land nahm, sind wir den Königen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert so schwach sie oft auch waren.
Entschulidge Sohn, dass ich Dich mit meiner Weinerlichkeit belästige. Wir sollten unsere Gedanken darauf konzentrieren wie wir das neuen Fürstentum zu lenken zu gedeken. Viele der ehemaligen muselmanischen Adligen sind von den Iberern vertrieben worden und ihre spanischen Nachfolger haben nun durch uns ihr Land verloren – auf sie wäre ohnehin kein Verlass gewesen. Wir sollten versuchen einige französische Edelleute ohne Land hieh er in unser neues Fürstentum zu holen; Zweit- oder Drittgeborene mit wenig Lust auf das Klosterleben. Wir sollten uns jedoch mit den verbliebenen Adligen der Morisken arrangieren und ihnen auch Mitsrpache bei der Führung des Landes geben; nur gut, dass Du Dich noch nicht vermählt hast. Du wirst eine Tochter der hiesigen Edlen heiraten müssen.
Wie auch immer, mach Dich mit Deiner Mutter so schnell wie irgendmöglich hier nach Malaga auf. Übergeb unser Land Joel, er war uns bisher ein Guter Verwalter und wird es auch in Zukunft sein, denn unser Land garantiert uns der König, damit wir eine sichere Zuflucht haben, falls die Sapnier über uns herfallen. Zwar will der König uns unterstützen, wir sind ja hier um die Iberer zu schwächen, jedoch scheint er zu meinen das wir zu einem Bündnis nicht viel beitragen könnten, so dass er uns nur Subsidien zusagt, deren Höhe wohl mit dem Stand des Staatsschatzes schwanken werden.

Dein Dich liebender Vater.
(Brief von Philibert d’Alencon an seinen Sohn Dagobert im Dezember 1496)

Oliver Guinnes
17.01.04, 12:23
* Die Geschichte mit Guillaume den Bastard, den die Engländer den Eroberer nennen, wahrscheinlich weil er einer der ersten war, die den Kanal überquerten um die Insel einzunehemen, und den Vorfall in Alencon wurde im ersten Band ja schon auführlich beschrieben, so wie das Schicksal der d’Alencons.

Oliver Guinnes
17.01.04, 12:25
Charles und Lascaux hatten sich also für die Vasallenvariante entschieden. Ihre Strategie zielte also auf eine Zerstückelung des iberischen Bündnisses ab. Mitlerweile existierten fünf Staaten – Portugal, Spanien, Katalonien, Aragon und Granada – auf der iberischen Halbinsel. Damit waren den Spaniern einige wichtige Ressourcen entzogen worden. Charles VIII schien sich also auf die alte römische Herrschaftstechnik des ‚divide et impera’ zu verlassen.

Damit war die erste Phase des iberischen Krieges – die Auseinandersetzung mit Spanien – abgeschlossen und die nächste hatte durch den erneuten Krieg mit Aragon begonnen. Aragon selbst stellt keine miltärisch Gefahr für Frankriech dar. Das aragonesische Heer war noch von der vorhergehenden Auseindandersetzung geschwächt, Frankreich konnte seine Truppen – bis auf ein kleines Kontingent, das die d’Ancelons in Granada unterstützte – aus Spanien in die aragonesischen Provinzen verlegen und mit Katalonien stand ein neuer und engangierter Bündnispartner bereit, schließlich konnte nun viel der von Frankreichsvasall als rechtmäßiger Besitz beanspruchten Provinzen erobert werden. Die wirkliche Gefahr ging von Charles eigenem Volk aus: die Verlängerung des Krieges würde zu einer weiteren Steigerung des Unmutes im Volke und somit zu erneuten Rebellionen führen; sogar der Adel murrte, da der Krieg zwar gewonnen aber kaum Land für die Edlen Frankreichs abgefallen war. Wozu sollten die Söhne der Edelsten fallen, wenn es dafür keine neuen Lehen gab? Die neuen Kolonien waren zum eine klein, und zum anderen hatte noch Charles Vater, Luis XI, wie in Kapitel II.v ausgeführt, die Politik etabliert, die Kolonien als Kronbesitz zu verwalten und dort keine starken Adligen entsehen zu lassen – eine Politik, die auch Charles fortführte.

Aber der Brand auf der iberischen Halbinsel beschränkte sich nicht auf den Krieg mit Aragon, sondern sprang bald auf das nächste Fürstentum über: Wie Philibert d’Alencon befürchtet hatte wollten die Spanier die verlorenen Provinzen zurückgewinnen, und erklärten dem neuen Kaliphat im Jahre 1497 den Krieg. In diesem Krieg war es Frankreich nicht möglich mit Truppen einzugreifen, denn zum einen waren diese in Aragon gebunden – und das half den d’Ancelons, denn Aragon nahm als treuer Verbündeter Spanien an diesem Krieg teil – und zum anderen hätte das Volk es wohl kaum verstanden, wenn seine Söhne, Männer und Brüder für das neue Fürstentum eines kleinen Adligen aus der Normandie fallen sollten. Daher gab es nur Subsidien; diese aber reichlich. Diese Subsidien reichten aus das erste und einzige christliche Kalipaht gegen einen übermächtigen Feind in einem über zwölf Jahre währenden Kampf am Leben zuhalten.

In diesem nicht enden wollenden Krieg zeigten die d’Ancelons Führungkraft, Feldherrenkunst und diplomatisches Geschick in einem Ausmaß, wie es ihnen zuvor wohl kaum jemand zugetraut hätte. Zwar fiel Philibert im Jahre 1502 in der Schlacht von Andujar aber erst nachem er mit seinem Heer diese Stadt mit ihren kriegswichtigen Brücken über den Guadalquivir genommen hatte. Sein Sohn nahm die Fahne seines Vaters auf und kämpfte weiter für sein Fürstentum und das Erbe seines Sohnes Chlodwig, der ihm von seinem moriskischen Weib geboren war. Diese Ehe mit einer Tochter einer führenden moriskischen Familie und der Thronvolger aus dieser Verbindung sowie die Hass auf die Spanier bzw. die Angst davor, dass diese wieder alles Land für sich reklamieren würden, vereinte die zugewanderten Franzosen und die seit Jahrhunderten eingesessen Berber und sogar Iberer in ihrem Kampf und erlaubte ihnen größte Anstrengungen zu unternehmen. Eine neue Nation war entstanden.*

Nach zwölf Jahren wurde endlich Frieden geschlossen und Granda hatte verloren. Zumindest offiziell, jedoch war die Summe die zu bezahlen war, so niedrig, dass es sich in Wahrheit um eine Niederlage Spaniens handelte. Und Frankreich hatte mit dem Frieden von Cordoba gewonnen. Granda blieb territorial unangetaste bestehen, was ein Verlust für die Spanier bedeutete. Zudem hatten der zwölf Jahre währende Krieg zahrleiche Ressourcen gebunden und so die Expansion in den Koloniene beschnitten; das Land war verwüstet und erschöpft. Hätten Lascaux und Charles den Frieden im Jahre 1509 noch miterlebt, sie wären erstaunt gewesen wie erfolgreich dieser Teil Ihres Plans gewesen wäre.

Oliver Guinnes
17.01.04, 12:27
* Die Geschichte um die d’Ancelons in Granada, die Wiederauferstehung dies Staates als christliches Kaliphat, sowie sein beständiger Überlebenskampf mit den Spaniern, der so erfolgreich war, dass die d’Ancelons als Dynastie iher Herren und Meister die Dynastie der Valois’ überlebten, ist so spannend und interessant, dass darüber eigene Bücher zu schreiben wären - Wie gelang es ihnen die Morisken, Berber, Iberer und Franzosen in so kurzer Zeit zu einer Nation zu verschmelzen? Wie war es möglich der Kriegsmaschinerie der vereinten Iberer zu widerstehen? Wie kam es zu dieser ausgesprochenen kulturellen und ökonomischen Blüte während des 16. Jahrhunderts und wieder im 18.? – wegen all diesr Fragen gibt es eben auch zahlreiche Abhandlungen. Wir haben uns bei obigen Auführugen vor allem auf Gonzalez/Medoza 1743, Madouni 1811, sowie die Schriften von Dagobert d’Ancelon über sein Leben gestützt.

Augustus Rex
19.01.04, 17:18
Das 15. Jahrhundert hebt sich in der Geschichte des Westfränkischen Reiches nicht allein durch seine turbulente Politik, sondern vor allem auch dadurch heraus, dass es zu den bestdokumentierten zählt.
Nicht zum ersten mal in der Historie unserer Kontinents haben irische Mönche für die Überlieferung alter Literatur und Heldensagen gesorgt, die dem kollektiven Bewußtsein Europas sonst zweifellos vorenthalten worden wären. Der Mönch Oliver* war der fleissigsten Iren einer und kannte kein Ruhen und Rasten.**
Aus: "Irland und Frankreich - ein Vergleich in Fußball, Alkoholkonsum und anderer Politik" von A.R. Sachse


*heiliggesprochen im Jahre 2004 durch Papst Augustus I.

** bis auf einige stoutbedingte Ausfälle von ca. zwei Monaten

Oliver Guinnes
19.01.04, 18:38
Interessantes Fundstück edler Augsutus. :D Ist das Werk des werten A. R. Sachse noch zu haben? Klingt lesenswert.

:gluck: :gluck:

Oliver Guinnes
28.01.04, 19:38
Edle Regenten,

Wir melden Uns kurz um Euch mitzuteilen, dass dieser AAR für geraume Zeit nicht fortgeführt werden wird. Denn im Augenblick beschäftigt Uns Vicky so sehr, dass Wir keine Zeit finden weiteres zu schreiben.

Also wartet nicht.

:gluck: