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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum eigentlich Holland?



Von Krüscher
20.09.04, 01:44
Nabend,

bevor ich zu Bett gehe, möchte ich noch eine Frage in den Raum stellen:
Warum überfiel Hitler eigentlich Holland? Für den Plan, über Belgien in Nordfrankreich einzufallen, war das doch gar nicht nötig.

Es läuft gerade eine kleine Doku auf Phoenix über die ersten Monate des 2. WK und da hat sich mir diese Frage gestellt...
Eigentlich merkwürdig, da ich mich schon jahrelang mit der Thematik befasse. Aber wer weiß, vielleicht lerne ich ja noch was dazu? Man lernt schließlich nie aus... ;)

Gutes Nächtle
von Krüscher

Gettysburg
20.09.04, 11:36
Eine kurz formulierte Vermutung, bevor es zur Uni geht:

Wahrscheinlich mussten die Niederlande, auch wenn ihr Staatsgebiet als Durchgangsterritorium zum Erreichen französischen Bodens selbst nicht geeignet ist, aus strategischen Erwägungen im Hinblick auf das Gelingen der gesamten Operation gesichert werden. Anderenfalls wäre der rechte Flügel, mag er auch, anders als noch beim Schlieffen-Plan, nicht entscheidend für das Gelingen des Feldzuges gewesen sein, einer ständigen Bedrohung ausgesetzt gewesen.
Schließlich hätten die Niederlande ja als potentielles Aufmarschgebiet für Großbritannien zur Verfügung gestanden. Da war es doch in gewisser Hinsicht einfacher, sich neben Belgien, mit dessen Neutralitätsverletzung man sich ohnehin schon vor dem Rest der Welt diskreditiert hatte, auch noch die Niederlande einzuverleiben, um dieses Bedrohungspotential auszuschalten.
Im Übrigen lassen sich noch andere Überlegungen anführen, z.B. die Errichtung eines die gesamte Kanalküste abdeckenden Westwalls, Hitlers Ziele bezüglich einer kompletten Neugestaltung ganz Westeuropas, usw.

Fragen wir doch mal anders: Warum hätte man die Niederlande unter den zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Voraussetzungen nicht angreifen sollen?

Wahnfried
20.09.04, 12:48
Schließlich hätten die Niederlande ja als potentielles Aufmarschgebiet für Großbritannien zur Verfügung gestanden. Da war es doch in gewisser Hinsicht einfacher, sich neben Belgien, mit dessen Neutralitätsverletzung man sich ohnehin schon vor dem Rest der Welt diskreditiert hatte, auch noch die Niederlande einzuverleiben, um dieses Bedrohungspotential auszuschalten.

Ich denke nicht dass, das der Grund war. Im ersten Weltkrieg hat man die Niederlande auch nicht angegriffen. Die Niederlande waren neutral und bis zum einfall Deutscher Truppen, eher deutschfreundlich.

Ich denke da Belgien über gut gesicherte Maasübergänge verfügt hatte, mit starken Festungen, zum Beispiel Eben Emael, wollte man die umgehen und über Holland wäre das möglich gewesen. Allerdings konnte man die Maasübergänge dann durch Fallschirmjäger und Lastensegler unbeschädigt erobern.

Arminus
20.09.04, 13:05
Die Niederlande sind sicherlich nicht erobert worden, um belgische Festungen zu umgehen.

Ich stimme Gettysburg zu, man hätte andernfalls den Briten einen schönen Parkplatz in bester Invasionslage reserviert. Dazu kommt die Neugestaltung Europas.

Der Grund, warum die Niederlande im 1. Weltkrieg nicht angegriffen wurde ist folgender: Die Niederlande waren neutral, ergo durfte die Royal Navy dem Völkerrecht nach nicht die Niederlande boykottieren. Das Kaiserreich wollte sich so weiter mit Lebensmitteln und kriegwichtigen Resourcen versorgen. (Die Briten machten trotzdem die Nordsee dicht, brachen also Völkerrecht. Da dadurch über 100.000 Menschen allein in Deutschland verhungerten, wird diese Aktion als Völkermord eingestuft!)

Wahnfried
20.09.04, 13:16
Der Grund, warum die Niederlande im 1. Weltkrieg nicht angegriffen wurde ist folgender: Die Niederlande waren neutral, ergo durfte die Royal Navy dem Völkerrecht nach nicht die Niederlande boykottieren. Das Kaiserreich wollte sich so weiter mit Lebensmitteln und kriegwichtigen Resourcen versorgen. (Die Briten machten trotzdem die Nordsee dicht, brachen also Völkerrecht. Da dadurch über 100.000 Menschen allein in Deutschland verhungerten, wird diese Aktion als Völkermord eingestuft!)

Aha und warum hat man das im Zweiten Weltkrieg nicht auch gemacht? Die Niederlande waren auch 1940 neutral?

Btw. die Blockade Deutschlands ging auch nach 1918 weiter, glaube bis 1921.

Arminus
20.09.04, 13:50
Wenn's schon beim ersten Mal nicht funktioniert hat...

Vom Strategischen betrachtet, sehe ich's so: Es war Ziel möglichst viele Truppen der Allies in den Norden zu locken, um ihnen dann mit einem "Sichelschnitt" in den Rücken zu fallen. Die Niederlande könnte also auch dazu gedient haben, mehr Truppen nach Belgien zu locken, um diese dann durch den Durchbruch in den Ardennen vom Süden zu trennen.

Hesse
20.09.04, 14:07
Neben den genannten Aspekten dürfte vielleicht auch noch die Lage der niederländischen Kolonien im Pazifik eine Rolle spielen. Die wurden ja bekanntermaßen von Japan beansprucht bzw. später besetzt. Vielleicht war man schon vorher sicher, daß Japan früher oder später so die Niederlande in den Krieg hineinziehen würde und wollte sich deshalb schon der Niederlande bemächtigen. Wie schon erwähnt, wären die Niederlande als Aufmarschgebiet der Allierten ideal gewesen.

Auch wäre es ideologisch aus der Sicht der Nazis zu begründen, daß die Niederlande als Bestandteil des ehemaligen Hl. Römischen Reiches Dt. Nation wieder zumindest partiell ins "Großdeutsche Reich" eingegliedert werden.

Möglich wäre auch die Sicherung der Küste als Operationsgebiet für Luftangriffe auf England bzw. zur Verteidigung des Luftraums. Schließlich wäre durchaus möglich gewesen, daß die RAF durch den niederländischen Luftraum ungestört an die deutschen Industriegebiete gelangen könnte. Durch die Eroberung der Niederlande konnte man die Luftabwehr deutlich weiter "nach vorne" verlagern.

Wahnfried
20.09.04, 14:09
Vom Strategischen betrachtet, sehe ich's so: Es war Ziel möglichst viele Truppen der Allies in den Norden zu locken, um ihnen dann mit einem "Sichelschnitt" in den Rücken zu fallen. Die Niederlande könnte also auch dazu gedient haben, mehr Truppen nach Belgien zu locken, um diese dann durch den Durchbruch in den Ardennen vom Süden zu trennen.

Halte ich nicht für warscheinlich. Warum sollte die Niederlande Allierte Truppen nach Norden locken? Ausserdem, hatten die Engländer zu diesem Zeitpunkt alle verfügbaren Truppen in Nordfrankreich, also gar nicht die Möglichkeit weitere Einheiten in Holland landen zu lassen. Desweiteren würde eine Englische Invasion im Neutralen Holland für ziemlichen Wirbel gesorgt haben. Die Holländer hätten sich gewehrt und wären damit verbündete der Deutschen geworden.
Das mit dem Sichelschnitt war ja auch nicht sicher dass es klappt. Die Idee kam von Manstein und die Oberste Führung wollte diesen Plan gar nicht umsetzen, nur Hitler hatte ihn dann durchgesetzt. Aber das es so gut klappen würde und die Engländer in Dünkirchen eingekesselt werden würde hat kaum einer geahnt. Ansonsten hätte man den Kessel gestürmt und hätte die Engländer nicht einfach über den Ärmelkanal fliehen lassen.

Wahnfried
20.09.04, 14:23
Ei gude Hesse!


Neben den genannten Aspekten dürfte vielleicht auch noch die Lage der niederländischen Kolonien im Pazifik eine Rolle spielen. Die wurden ja bekanntermaßen von Japan beansprucht bzw. später besetzt. Vielleicht war man schon vorher sicher, daß Japan früher oder später so die Niederlande in den Krieg hineinziehen würde und wollte sich deshalb schon der Niederlande bemächtigen. Wie schon erwähnt, wären die Niederlande als Aufmarschgebiet der Allierten ideal gewesen.

Denke nicht dass, das eine Rolle gespielt hat. 1940 waren die Japaner glaube ich noch gar nicht Mitglied der Achse und dass sie in den Krieg eintreten könnten war noch gar nicht geplant. Erst als die USA ein Öl Embargo über Japan wegen des Kriegs in China verhängten entschloss sich Japan den USA den Krieg zu erklären. !940 dachte noch keiner soweit.


Auch wäre es ideologisch aus der Sicht der Nazis zu begründen, daß die Niederlande als Bestandteil des ehemaligen Hl. Römischen Reiches Dt. Nation wieder zumindest partiell ins "Großdeutsche Reich" eingegliedert werden.

Nein, Hitler hatte keine Gebietsansprüche an die Westallierten. Er wolte ständig Frieden schließen mit England und Frankreich. Sein Ziel war es Lebensraum im Osten zu gewinnen. Selbst Deutsch besiedelte Gebiete in Italien, Südtirol zum Beispiel ließ er die Deutsche Bevölkerung umsiedeln und in der Tschechei neu ansiedeln.


Möglich wäre auch die Sicherung der Küste als Operationsgebiet für Luftangriffe auf England bzw. zur Verteidigung des Luftraums. Schließlich wäre durchaus möglich gewesen, daß die RAF durch den niederländischen Luftraum ungestört an die deutschen Industriegebiete gelangen könnte. Durch die Eroberung der Niederlande konnte man die Luftabwehr deutlich weiter "nach vorne" verlagern.

Luftkrieg gegen England war nicht geplant. Hitler wollte England als Verbündeten. England sollte sich mit Deutschland die Welt teilen. Über Luftkrieg machte sich kaum einer Gedanken. In Deutschland hatte man noch nicht mal eine Strategische Bomberflotte in England wurde die auch erst wärend des Krieges aufgebaut. Ausserdem hätte man annehmen können, dass Holland es nicht dulden würde, das Englische Bomber ihren Luftraum verletzten. Aber das passierte im Krieg. Englische Bomber hatten oft den Luftraum von Schweden verletzt oder auch von der Schweiz, aber sowas konnte man 1940 ja noch nicht ahnen.

GS_Guderian
20.09.04, 16:19
1. Schon 1914 hätte die Reichsregierung/Heeresleitung gerne ein Durchmarschrecht durch die Niederlande gehabt.

2. Der Plan für den Angriff auf Frankreich war dem von 1914 ähnlich. Nur "leider" flog ein Major der Luftwaffe, entgegen dem ausdrücklichen befehl, als Kurier samt Akten zu einer Stabsbesprechung, anstatt den Nachtzug Münster - Köln zu nehmen.
Es kam wie es kommen musste, der Flieger geriet im Nebel über die Grenze und die Papiere in den Besitz der Belgier. Major Reinberger versuchte vergeblich sie zu vernichten.(10. Januar 1940)
Belgien mobilisierte, England und Frankreich wurden unterrichtet.

3. Nun kam der etwas innovativere Plan über die Ardennen zu gehen. Fast alle Panzerkräfte wurden hier eingesetzt, ein Teil aber diente mit der Heeresgruppe B (von Bock) als Angriffskräfte auf die Niederlande, gemäß dem ursprünglichen Plan.
Wenn man so will also eine Bestätigung der alten Pläne und somit eine Täuschung der Alliierten, die zu spät merkten oder merken wollten was tatsächlich passiert.

Hesse
20.09.04, 16:41
Ei gude Hesse!

Denke nicht dass, das eine Rolle gespielt hat. 1940 waren die Japaner glaube ich noch gar nicht Mitglied der Achse und dass sie in den Krieg eintreten könnten war noch gar nicht geplant. Erst als die USA ein Öl Embargo über Japan wegen des Kriegs in China verhängten entschloss sich Japan den USA den Krieg zu erklären. !940 dachte noch keiner soweit.

Nein, Hitler hatte keine Gebietsansprüche an die Westallierten. Er wolte ständig Frieden schließen mit England und Frankreich. Sein Ziel war es Lebensraum im Osten zu gewinnen. Selbst Deutsch besiedelte Gebiete in Italien, Südtirol zum Beispiel ließ er die Deutsche Bevölkerung umsiedeln und in der Tschechei neu ansiedeln.

Luftkrieg gegen England war nicht geplant. Hitler wollte England als Verbündeten. England sollte sich mit Deutschland die Welt teilen. Über Luftkrieg machte sich kaum einer Gedanken. In Deutschland hatte man noch nicht mal eine Strategische Bomberflotte in England wurde die auch erst wärend des Krieges aufgebaut. Ausserdem hätte man annehmen können, dass Holland es nicht dulden würde, das Englische Bomber ihren Luftraum verletzten. Aber das passierte im Krieg. Englische Bomber hatten oft den Luftraum von Schweden verletzt oder auch von der Schweiz, aber sowas konnte man 1940 ja noch nicht ahnen.

Guuude!

Also Japan war nicht Mitglied der Achse, aber es gab doch schon lange Korrespondenzen zwischen Japan und Deutschland und 1940 war ein Kriegseintritt Japans schon absehbar. Meiner Kenntniss nach beanspruchte Japan die rohstoffreichen Kolonien der Europäer, um eine unabhängige Wirtschaft aufzubauen. Die USA waren ja 1940 selbst noch kein Mitglied der Allierten, somit war die Rolle der USA wohl egal hinsichtlich der Haltung Japans gegenüber den Allierten. Ich finde daher schon, daß es 1940 absehbar war, daß ein möglicher Konflikt zwischen Japan und den Niederlanden auch für das Deutsche Reich unangenehme Konsequenzen gehabt hätte, hätte man die Neutralität der Niederlande gewahrt.

Hitler wollte mit England Frieden, um die Kräfte für Russland zu konzentrieren, das stimmt wohl. Aber Frankreich wollte Hitler definitiv für Versailles strafen. Die Ansprüche auf Elsaß-Lothringen bestanden ja noch.
Südtirol war eine andere Lage, schließlich war Italien Bündnispartner.
Aber sicherlich stellten die Niederlande keinen Hauptpunkt in Hitlers "Neuordnung" dar. Aber ausser der Eroberung des Ostens, wollte Hitler zweifelslos ja auch das restliche Europa dominieren.

Ich glaube schon, daß die Niederlande durchaus im längeren Kriegsverlauf den Allierten geholfen bzw. einen Durchmarsch gewährt hätten, aber das ist nur Spekulation. Gerade weil es noch keine Flugzeuge mit enormer Reichweite gab, wäre aber eine Stationierung bzw. die Nutzung des Luftraums der Niederlande durch Allierte oder auch Achsenmächte einen strategischen Vorteil. Zwar wollte Hitler mit England Frieden schließen, aber sicherlich wurde im Generalstab auch der "worst case" durchgespielt und die Niederlande stellen nunmal als Nachbar Deutschlands eine strategische Option dar. Man denke an die Operation "Seelöwe", bei der die Lufthoheit über England der Ausgangspunkt für eine Ladung an der englischen Küste gegolten hat. Somit war doch schon in den frühen Kriegsjahr die Luftwaffe entscheidend. Hinzu kommen die Erfahrungen durch den Polenfeldzug, die eindeutig zeigten, daß die "Blitzkrieg-Taktik" mit schnellen Panzerverbänden und der entsprechenden Luftunterstützung funktioniert. Auch dürfte es einfacher sein die Kanalküste bzw. Nordsee zu überwachen, wenn man die komplette Küste kontrolliert.

Schlußendlich war Hitler einfach nur größenwahnsinnig und unberechenbar. Von daher kann es auch sein, daß er einfach nur einen schlechten Tag hatte :rolleyes:.

Aber das sind ja nur alles Vermutungen. Vielleicht hat ja jemand Quellen, die eindeutiger Gründe benennen?

Wahnfried
20.09.04, 16:44
Ja aber wieso brauchte man den Durchmarsch durch Holland wenn der Panzervorstoß über die Ardennen klappt? Weil man es nicht wußt das es klappen würde. Man sieht es auch wenn man HOI spielt. Warum greift man Holland an und bekommt 2 Punkte Unzufriedenheit? Weil es durch Holland leichter geht. In Belgien (Arlon) gibt's eine Festung, durch die man nicht ohne große Opfer knacken kann. Deshalb ist es leichter über Holland die Front aufzurollen!

GS_Guderian
20.09.04, 18:09
Ja aber wieso brauchte man den Durchmarsch durch Holland wenn der Panzervorstoß über die Ardennen klappt? Weil man es nicht wußt das es klappen würde. Man sieht es auch wenn man HOI spielt. Warum greift man Holland an und bekommt 2 Punkte Unzufriedenheit? Weil es durch Holland leichter geht. In Belgien (Arlon) gibt's eine Festung, durch die man nicht ohne große Opfer knacken kann. Deshalb ist es leichter über Holland die Front aufzurollen!

Nun, so schön die Hoi Welt doch ist, strategische Überlegungen aus dem zweiten Weltkrieg fussen dann doch wohl eher auf anderen Grundlagen, als 2 Punkten Unzufriedenheit.

Die Niederlande mit Massen an Panzern anzugreifen wäre wohl undenkbar gewesen, hinsichtlich der zahlreichen Flüsse, Kanäle, Entwässerungssysteme und den leicht zu flutenden Flächen.
Eben deswegen waren ja die wenigen Brücken so wichtig, das man ihrer durch Fallschirmjäger habhaft zu werden gedachte.

Pyrrhus
20.09.04, 18:12
Weltkrieg
Hitlers Weisung »Nummer6« vom 9.Oktober 1939 für die Kriegsführung offenbart den völligen Mangel an Achtung vor der Neutralität Luxemburgs, der Niederlande und Belgiens:
1. Sollte in der nächsten Zeit zu erkennen sein, dass England und unter dessen Führung auch Frankreich nicht gewillt sind, den Krieg zu beenden, so bin ich entschlossen, ohne lange Zeit verstreichen zu lassen, aktiv und offensiv zu handeln.
2. Ein längeres Abwarten führt nicht nur zu einer Beseitigung der belgischen, vielleicht auch der holländischen Neutralität zugunsten der Westmächte, sondern stärkt auch die militärische Kraft unserer Feinde in zunehmendem Maße, lässt das Vertrauen der Neutralen auf einen Endsieg Deutschlands schwinden und trägt nicht dazu bei, Italien als militärischen Bundesgenossen an unsere Seite zu bringen.
3. Für die Weiterführung der militärischen Operationen befehle ich daher Folgendes:
a) Am Nordflügel der Westfront ist durch den luxemburgisch-belgischen und holländischen Raum eine Angriffsoperation vorzubereiten...
b) Zweck dieser Angriffsoperation ist es, möglichst starke Teile des französischen Operationsheeres und die an seiner Seite fechtenden Verbündeten zu schlagen und gleichzeitig möglichst viel holländischen, belgischen und nordfranzösischen Raum als Basis für eine aussichtsreiche Luft- und Seekriegsführung gegen England und als weites Vorfeld des lebenswichtigen Ruhrgebietes zu gewinnen...

(c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001

Wir denken, dass Punkt 3 b alles sagt.

[B@W] Abominus
20.09.04, 21:33
Punkt 2 ist auch sehr interessant. Hätten sich die Belgier und Holländer wirklich den Westmächten angeschlossen?

Grundsätzlich kann man dies bejahen, man sieht es z.B. bei Ländern wie Brasilien und der Türkei.

Luitpold
20.09.04, 22:19
Abominus']Punkt 2 ist auch sehr interessant. Hätten sich die Belgier und Holländer wirklich den Westmächten angeschlossen?

Grundsätzlich kann man dies bejahen, man sieht es z.B. bei Ländern wie Brasilien und der Türkei.

Vermutlich ja. Hätten sie sich mit mehr oder weniger sanftem Nachdruck der Westallierten, ihnen "freiwillig" angeschlossen, so wohl erst zu einem späten Zeitpunkt, als keine große Gefahr mehr von Deutschland ausging. Brasilien konnte sich die Kriegserklärung schon im Sommer 1942 "leisten", weil ohnehin kaum eine Invasions-Gefahr von Deutschland ausging.

Von Krüscher
21.09.04, 00:34
Ich danke den verehrten Herren für diese zahlreichen Interessanten Beiträge!

So melde ich mich zur ähnlichen Stunde wie am gestrigen Tage, kann nun aber in dem Gedanken gestärkt, doch mal wieder was Neues erfahren zu haben, meinem Schlafgemach einen Besuch abstatten.

In diesem Sinne... :zzz:

Wilhelm I
13.10.04, 17:47
Vom Strategischen betrachtet, sehe ich's so: Es war Ziel möglichst viele Truppen der Allies in den Norden zu locken, um ihnen dann mit einem "Sichelschnitt" in den Rücken zu fallen. Die Niederlande könnte also auch dazu gedient haben, mehr Truppen nach Belgien zu locken, um diese dann durch den Durchbruch in den Ardennen vom Süden zu trennen.

Ich halte diese Erklärung (neben der Gewinnung von Basen für Luft- und Seekriegsführung und der idiologischen Sicht) für wahrscheinlich. Durch den Angriff auf Holland war klar, dass Deutschland (entgegen der Beteuerungen) wieder die Neutralität Belgiens verletzen wird. Nun hatte Frankreich einen Grund, ein Großteil seines Heeres nach Belgien zu schicken, wo es mit belgischen Truppen zusammen gegen das deutsche Heer kämpfen sollte. Das war jedoch der Plan des Sichelschnitts. Durch die Ardennen konnten nun die Panzer vorstoßen und das französische Heer einkesseln, was viel schwieriger gewesen wäre, wenn sich die Franzosen nicht hätten "locken" lassen. Die Ganze Strategie hätte bestimmt nicht so gut funktioniert ohne einen Angriff auf die Niederlanden.

Hesse
13.10.04, 18:10
Ich habe noch einen neuen Aspekt gefunden. Gestern sah ich durch Zufall die Sendung "Mit offenen Karten" auf arte. In dieser Sendung werden historische, aktuelle Ereignisse oder Gegebenheiten mit verschiedenen Karten optisch erklärt.
In der gestrigen Folge wurde die Entstehung und Geschichte Hollands bis zum Ende des 2. WK erklärt. Der Moderator führte als Grund für den Überfall auf Holland an, daß Deutschland auch die Sicherung der Rheinmündung angestrebt hat. Fakt ist, daß der Rhein für Deutschland früher ja eine große wirtschaftliche Bedeutung hatte und durch ihn ein großer Teil des Transportverkehrs abgewickelt wurde. Die Rheinmündung war auch ein Grund für den wirtschaftlichen Aufstieg Rotterdams bzw. der Niederlande, da man einen großen Umschlagplatz für Binnen-Hochseetransport hatte.

Diesen Aspekt finde ich ziemlich überzeugend. Wenn man bedenkt, daß Deutschland nach einem bzw. während einem erfolgreichen Krieg auch weiterhin den Rhein im gleichem Maße nutzen wollte, mußte man auch den Zugang zum Meer sicherstellen. Neutrale Niederlande wären immer ein Unsicherheitsfaktor und Deutschland wäre in dieser Hinsicht auch weiter abhängig. Meiner Meinung nach ist das eine sehr sinnvolle Begründung.

Arminus
13.10.04, 20:18
Auch eine Überlegung, werter Hesse, allerdings würde ich vermuten, dass die Überlegungen für Nachkriegszeit davon ausgingen, dass Deutschland eh zum Europäischen Hegemon würde, der sich mit so etwas wie Neutralen Holländern nicht herumärgern müßte. Man beachte nur das Bethman-Hollweg-Papier zu möglichen Siegesplänen für die Westfront im 1. Weltkrieg. Auch hier wurde davon ausgegangen, dass man die niederländischen, belgischen und französischen Grenzen nach einem Sieg recht einfach verlegen könnte. Ähnlich sah es mit Spekulationen über einen europäischen Wirtschaftsbund unter kaiserlicher Hegemonie aus, in den auch mehrere neutralen gepresst werden sollten. Wenn diese Überlgungen schon im Kaiserreich realistisch erschienen, würde ich davon ausgehen, dass die Nazis sich sicher wären, dass auch ein neutrales Holland "verplanbar" war. Sie sind schließlich auch davon ausgegangen, dass England mit ihnen 1941 Frieden schließen würde...

Hesse
14.10.04, 11:12
Schon, aber bei einem neutralen Holland hätten die Nazis nie die volle Kontrolle über die Rheinmündung gehabt und so keinen vollen Zugang des Rheins zur Nordsee. Natürlich hätte man ein neutrales Holland innerhalb eines Wirtschaftsverbundes oder einer Freihandelszone "anbinden" können. Aber warum sollten die Nazis Rücksicht auf das schwache Holland nehmen und dort komplizierte Vertragswerke und Bündnisse knüpfen, wenn sie sowieso im Westen eine Großoffensive planen und somit Holland "einfacher" besetzen können. Hierzu sollte man noch die "Weisung Nr. 6" heranführen, in der ja ein nicht absehbarer Frieden mit England eine Schwächung des deutschen Prestige, ein Wanken der Benelux-Länder zugunsten der Westmächte, die Einrichtung einer Pufferzone für das Ruhrgebiet und die Operationsbasis für See- und Luftkriegsführung festgehalten wurde. Natürlich vergesse ich nicht meine Position mit der möglichen Konfliktsituation eines verbündeten Japans :D. Alles in allem haben sich die Nazis wohl gedacht, daß es eben einfacher ist, eine komplette Neuordnung im Westen auf militärischen Wege durchzuführen, als diplomatische Lösungen zu finden.

Ein Vergleich mit dem Kaiserreich ist daher schon abzulehnen, da die allgemeine Politik des Kaiserreichs vor dem ersten Weltkrieg eher doch auf Diplomatie beruhte und der Androhung von kriegerischen Mitteln. Der Einsatz des Militärs war doch eher letzte Konsequenz. Die Nazis dagegen waren gerade auf den Einsatz des Militärs als Mittel zur Durchsetzung ihrer Außenopolitik aus. Krieg war das Ziel der Nazi-Diplomatie. Lediglich die Einstellung der Westmächte und deren Hoffnung auf Einhaltung von diplomatischen Verträgen zögerte den Krieg bis 1939 heraus.